Exklusiv für zoos.media – 15.12.2025. Autor: Philipp J. Kroiß
Die französische Regierung will, Seite an Seite mit der Tierrechtsindustrie, die beiden im Marineland Antibes verbliebenen Orcas in kanadische Netzkäfige stecken. Das stößt auf Unverständnis, Kritik und auch auf verschiedene juristische Hürden.

Wikie & Keijo: Unverständnis über Regierungsentscheidung
War es also doch keine Finte, sondern ist einfach Wahnsinn? Nachdem zoos.media den Artikel zur Ankündigung vom Whale Sanctuary Project (WSP) veröffentlicht hatte, legte die französische Regierung nach und bestätigte das Narrativ. Die eigentlich unlogische Entscheidung der französischen Regierung war tatsächlich Realität. Sie will die im Marineland Antibes geborenen Orcas Wikie und Keijo nach Kanada bringen.
Die Schwertwale isländischen Geblüts sollen nun in einem Netzkäfig leben. Damit löst sich zwar keines ihrer Probleme, aber das scheint egal. Man will wohl einfach nur die politischen Geiseln verschieben. Aus den Augen, aus dem Sinn? Sollen die Tiere einfach nur einfach nicht in Frankreich sterben, damit der Irrweg der Politik nicht so offensichtlich ist? Will man einfach der Tierrechtsindustrie nur wieder mal Gelder zuschustern? Sonderlich realistisch ist das Projekt nicht, dass sie vorschlagen. Es ist ein gänzlich abstruser Vorgang.
Belugas? Orcas? Egal, Hauptsache Cash Cows!

„Es ist ihnen egal, welche Wale sie bekommen. Hauptsache, sie bekommen Wale. Was die Wale wollen oder brauchen, spielt keine Rolle. Belugas, Orcas. Alles dasselbe“, subsummiert Dr. Jason Bruck in einem öffentlichen Facebook-Beitrag. Er ist einer der führenden Experten in dieser Frage und veröffentlichte zum Thema. Seine Arbeit pulverisierte die Konzepte der Tierrechtsindustrie zu Sanctuaries. Zuletzt scheute das Whale Sanctuary Project eine Diskussion mit dem Experten. Den Verantwortlichen scheint vermutlich klar, dass das Projekt einer wissenschaftlichen Diskussion nicht standhält.
In seiner Veröffentlichung wies Dr. Bruck auch auf Geld-Probleme vom Whale Sanctuary Project hin: „Das Whale Sanctuary Project ist vollständig auf Spenden angewiesen; allerdings hat es bis 2023 lediglich ein Besucherzentrum errichtet. Im Jahr 2020 flossen rund 32,7 % des Betriebshaushalts in die Gehälter der Führungskräfte (insgesamt 246.666 US-Dollar)“. Dieses Zentrum ist allerdings nicht viel mehr als ein Zelt.
Das beste Jahr brachte, laut Dr. Bruck, dem WSP 1.540.241 US-Dollar. Das wird zu wenig sein, um dieses Netzkäfig-Projekt zu bauen und die Tiere langfristig zu versorgen. Bisher versorgt das Projekt zu einem großen Teil eher die eigenen Funktionäre als Wale. Dabei lebt das Projekt immer wieder von der Behauptung, dass es ja irgendwann mal Realität werden könnte. Das WSP verkauft eine zweifelhafte Hoffnung. Wird das Projekt je mehr als ein Luftschloss sein?
Wesentliche Hürden noch lange nicht überwunden
In den Verlautbarungen rund um den Transport klingt es häufig so, als müssten die Tiere quasi nur noch einziehen. Dem ist aber nicht so. Es steht noch immer in den Sternen, ob die Tiere je transportiert und die Netzkäfige überhaupt gebaut werden können. Eine gute Liste der wesentlichen Hürden in dieser Frage hat das Projekt dolphinaria.truth veröffentlicht. Der Post zeigt: Da ist nichts in trockenen Tüchern.
Wenn man sich die Liste anschaut, fallen einem die Fallstricke auch direkt in Auge. Die Bill S-203 lässt zum Beispiel auch nur sehr enge Ausnahmen zur Haltung von Walen zu. Dazu kommt noch ein Problem mit etwaiger Fauna-Verfälschung, weil die Orcas aus dem Marineland nicht zur Population der kanadischen Orcas passen. Orcas in Netzkäfigen zu halten, ist schwierig und bisher nie langfristig geglückt. Dazu kommen auch Probleme mit Krankheitsübertragung, die aktuell nicht ausgeschlossen werden kann. Es gibt also viele gute Gründe für kanadische Behörden, dafür keine Genehmigungen zu erteilen.
Selbst wenn aber die Genehmigungen kommen sollten, wird es ein langwieriger Prozess – auch wegen etwaiger Widersprüche, die eingelegt werden. Je länger wiederum dieser Prozess dauert, desto mehr verzögert sich der Transport. Je länger diese Verzögerung ist, desto wahrscheinlicher ist, dass Wickie und Keijo gar nicht mehr transportfähig sein werden oder bereits verstorben sind. Die Tiere brauchen jetzt Hilfe. Die kann das Whale Sanctuary Project nicht liefern.
„Dem Tierrechtsaktivismus geopfert“

Der renommierte Meeressäuger-Experte Martin Böye erklärte auf LinkedIn, er habe nicht gedacht, dass der zuständige Minister die Tiere „auf dem Altar des Tierschutzaktivismus opfern“ würde. Er zeigte sich „sehr besorgt um das Schicksal der beiden Orcas von Marineland“. Er ist seit vielen Jahren in der Diskussion um die französischen Orcas involviert und hatte wenige Tage zuvor ein Schriftstück veröffentlicht, in dem er sich mit der Frage beschäftigte.
Die Entscheidung über die Zukunft der Tiere müsse „auf biologischen und demografischen Gegebenheiten beruhen – nicht auf gegensätzlichen Meinungen oder Interessen“. Entsprechend konzentrierte er sich auf Fakten und subsummierte, „dass gute Lebensbedingungen für Delfine in Zoos möglich sind, sofern ihr Wohlbefinden objektiv und kontinuierlich überprüft wird. Es ist unerlässlich, Einrichtungen mit hohen Standards zu fördern und solche, die diese nicht erfüllen, zu schließen. Diese zoologischen Populationen können – und müssen – zum Schutz der Wal-Arten beitragen.“
Schon zu diesem Zeitpunkt warnte er: „Andernfalls droht der von einigen NGOs und politischen Entscheidungsträgern verwendete Begriff der ‚geopferten Generation‘ zu einer grausamen, tragischen und inakzeptablen Realität zu werden.“ Dass die französische Regierung die Warnung zur Realität wenden würde, war da noch nicht abzusehen.
Kann Frankreich das überhaupt entscheiden?

Schon im offenen Brief nährten Verantwortliche vom Marineland Antibes berechtigte Zweifel, ob das Gebaren der französischen Politik überhaupt so konform mit geltendem EU-Recht ist. Tatsächlich ist in geltenden Vorschriften der EU so Einiges zu finden. Artikel 34 AEUV verbietet Einfuhrbeschränkungen zwischen Mitgliedstaaten. Ein von einem Mitgliedstaat verhängtes Transportverbot für Ausfuhren in einen anderen Mitgliedstaat würde den Handel behindern und somit gegen diese Bestimmung verstoßen.
Der Transport der Orcas selbst stellt eine grenzüberschreitende Dienstleistung dar. Ein Verbot dieser Dienstleistung könnte auch einen Verstoß gegen Artikel 56 AEUV darstellen. Darüber hinaus könnte die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 über den Schutz von Tieren beim Transport herangezogen werden, denn, wenn der Transport alle Anforderungen dieser Verordnung erfüllt und Frankreich dennoch ein Verbot ausspricht, das nicht auf den darin vorgesehenen Gründen beruht, könnte dies einen Verstoß gegen eine unmittelbar geltende EU-Verordnung darstellen.
Natürlich gibt es in der EU auch Eigentumsrechte. Die Tiere gehören ja nicht dem Staat. Artikel 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dabei relevant. Das staatlich verhängte Transportverbot schränkt die Nutzung des Tieres faktisch ein. Das wiederum könnte eine Verletzung der Eigentumsrechte darstellen. Somit bietet das EU-Recht einen bunten Blumenstrauß an Möglichkeiten, gegen Frankreich vorzugehen. Auch das löst Kopfschütteln aus.
Wickie & Keijo bald die nächsten Opfer?

Vor dem Hintergrund des Todes von Kshamenk, dessen Transport in eine modernere Haltung auch politisch verhindert wurde, vergrößert sich die Zahl der toten Orcas, die eine ähnliche Geschichte erlitten, wie sie Wikie & Keijo nun droht. Den berühmten Orca Keiko hatte die Tierrechtsindustrie verenden lassen, weil man lieber das Märchen von seiner „Freiheit“ verkaufen wollte, wenn man den Fall mal pointiert zusammenfassen möchte. Mehr über die Umstände damals, findet man hier.
Ebenfalls mit einem Freiheitsmärchen sorgte die Tierrechtsindustrie für Tod von 10 Orcas, die man aus dem „Whale Jail“ vorgeblich „befreite“. Tatsächlich schickte man sie in den Tod. Ebenso unfähig in der Natur zu überleben wie Keiko, verschwanden die Tiere nach und nach. Sie wurden nie wieder gesehen, obgleich die Population dort sehr engmaschig überwacht wird. Wären sie noch am Leben, hätte man sie sehen müssen.
Mit dem Märchen sich angeblich so gut und so viel besser um Orcas kümmern zu können, verkaufte man zwei „Rettungen“ von jungen Orcas in Neuseeland und deren „Haltung“ in Swimming-Pools als große Errungenschaft und Grund für Spenden. Natürlich überlebten die Tiere nicht lange. Obduktionen ging man durch Verweis auf lokale Traditionen aus dem Weg. Vor gar nicht allzu langer Zeit starb die Orca-Dame Lolita in einer von Aktivisten geführten Haltung. In der Haltung echter Experten hatte sie zuvor Jahrzehnte überlebt.
Echte Orca-Freunde in Sorge
Während die Tierrechtsindustrie es wohl aus Liebe zu Geld macht, gibt es auch auf der ganzen Welt zahlreiche Menschen, die sich aus Liebe zu Wickie und Keijo mit der Frage beschäftigen. Sie bangen seit Langem um das Leben der beiden Orcas. Ehemalige Besucher tragen die Tiere bis heute in ihren Herzen. Da sie sich meist schon lange mit Orcas beschäftigen, schütteln auch sie den Kopf über den Plan der französischen Regierung.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Auf große Gegenliebe stößt die Entscheidung der französischen Regierung also nicht. Jetzt kann man sich natürlich fragen, woran das liegt. Die Entscheidungsprozesse sind in Frankreich nicht sonderlich transparent. Die Organisation Transparency International trackt aber seit 2012 die Korruption in Frankreich im Rahmen vom Corruption Perceptions Index (CPI). Der ist seit 2022 in einem bemerkenswerten Sinkflug und erreichte 2024 einen für das Land rekordverdächtigen Tiefpunkt. Vielleicht spielt daher bei solchen Entscheidungen auch Korruption im Land eine Rolle.
