Exklusiv für zoos.media – 31.07.2025. Autor: Philipp J. Kroiß
Es geht bei der Diskussion um die Nürnberger Paviane nicht darum, ob Tiere sterben. Letztendlich kann der Rechtsstreit nur entscheiden, wo sie es tun. Sterben müssen sie sowieso, wenn die Art nicht aussterben soll. Stirbt sie aus, sterben sie ohnehin.

Die Nürnberger Paviane und die unvernünftige Diskussion über den vernünftigen Grund
Die Emotionalisierung sowie die Monetarisierung der Diskussion um die Guinea-Paviane im Tiergarten Nürnberg hat eine wesentliche Prämisse: Man kann das Leben der Paviane retten. Besonders die Tierrechtsindustrie verkauft die Idee, dass man durch Aktionen die Tötung verhindern könne. Daher bemüht man sich auch so, die Notwendigkeit der Entscheidung der Experten im Tiergarten Nürnberg zu verschleiern oder sogar direkt zu leugnen. Man stellt sich nicht der Realität.
Bei unbedarften Mitläufern der Hetze kann man vielleicht irgendwie verstehen, dass sie den Tierrechtlern in die Falle gehen. Das ist allerdings gar nicht mal so entscheidend. Den Anführern der Bewegung wird man es nicht so leicht durchgehen lassen können. Sie sind seit über einem Jahr unfähig, eine Alternative zu präsentieren und lügen sie sich trotzdem immer wieder herbei.
Der vernünftige Grund

Bei der Determinierung, ob eine Tötung rechtswidrig war oder nicht, geht es im Wesentlichen um den sogenannten vernünftigen Grund gemäß Tierschutzgesetz. Wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet, wird bestraft gemäß §17 TierSchG. Der vernünftige Grund ist dabei aber dürftig definiert. Daher ist er der am meisten diskutierte Punkt des Gesetzes. Definitionsversuche gelingen in der Wissenschaft durchaus.
„Der vernünftige Grund muss triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen sein. Er muss unter den konkreten Umständen schwerer wiegen als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrtheit und an seinem Wohlbefinden.“ – Chmielewska et al. (2015)
Triftig und einsichtig ist die Tötung der Guinea-Paviane sicherlich. Gleichzeitig ist Artenschutz auch nach dem Grundgesetz ein schutzwürdiges Interesse, wenn man zum Beispiel Artikel 20a betrachtet. Er wiegt auch in den konkreten Umständen schwerer, weil es um das Überleben einer ganzen Art geht. Analog geht zum Beispiel das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) davon aus, dass die Aufrechterhaltung des Forschungsbetriebs auch als vernünftiger Grund gilt. Analog wäre es dann schwer erklärbar, warum nicht auch die Aufrechterhaltung des Artenschutzes ein vernünftiger Grund sein sollte.
„Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“

Was wenn allerdings vor Gericht der Worst Case für den Artenschutz in Deutschland und der Best Case der Tierrechtsindustrie eintreffen würde? Sollte die höchste Instanz nicht im Sinne des Artenschutzes entscheiden, rettet auch dies das Leben der Paviane nicht. Sie müssen sterben oder alle Paviane dieser Art sterben früher oder später. Das Einzige, was so eine Rechtsprechung oder auch – analog dazu – eine politische Regelung in diese Richtung bewirken würde, ist, dass die Paviane woanders sterben.
Dieses Prinzip sieht man gut an der praktischen Umsetzung vom Verbot des Kükentötens. Das klang auch nach Tierschutz, rettete aber nicht wirklich Leben. Entweder wurden die Leben dann schon im Ei vernichtet oder die ausgebrüteten Küken wurden ins Ausland gebracht und dort verwertet. Nach wie vor gibt es natürlich eine Nachfrage nach den Eintagsküken von Tierhaltern entsprechender Arten, die sie schmackhaft finden. Die mussten sich nun viel aufwendiger ihre Küken im Ausland beschaffen. Der Nutzen für die Küken war gleich null.
Sollte nun in Deutschland die Tötung überzähliger Tiere im Sinne des Artenschutzes als ungesetzlich erklärt werden, geschieht das eben im Ausland. Dort gibt es aber längst nicht die hohen Tierschutz-Standards bei Transport, Haltung und Tötung wie in Deutschland. Zudem verringern die im Zoo erlegten Tiere natürlich auch Nachfrage an Schlachtbetriebe. Können sie das nicht mehr, muss man also wieder mehr Tiere aus Schlachtbetrieben nachfragen, denn Essen wollen die Fleischfresser schließlich immer noch.
Best Case und Worst Case

Selbst wenn also die Tierrechtsindustrie mit allem hier durchkäme, würde kein Tier weniger sterben. Die Tiere würden halt nur woanders sterben. Somit würden sie dann nur an Zoos ins Ausland abgegeben, um sie dort zu schlachten. Dann hätte Deutschland nur bewiesen, dass das Land mit Ehrlichkeit im Artenschutz nicht so gut klar kommt. Wenn die Tierrechtsindustrie ihre Anti-Artenschutz-Agenda in der Rechtsprechung der ganzen Welt etablieren könnte, würde die Art aussterben. Da betrifft dann auch ihr ganzes Ökosystem.
Also selbst im aller größten Best Case der Tierrechtsindustrie führt eine entsprechende Rechtsprechung nur zu Tod und Aussterben. Kein Tier wird gerettet – schon gar kein Guinea-Pavian. Die Art würde dann aussterben. Allerdings würde so eine Rechtsprechung auch weitere Arten betreffen und somit weitere Ökosysteme. Sie würden dann aussterben beziehungsweise in Gefahr kommen, weil manche Leute nicht verstanden haben, dass Tötungen für das Überleben von Arten leider manchmal notwendig sind. Nicht ein Leben wird dadurch gerettet – eher im Gegenteil.
Darum sind die Krokodilstränen der Tierrechtsbewegung auch so heuchlerisch. Es gibt kein Szenario, in dem sie auch nur ein Leben retten könnten. Selbst im aus Tierrechtler-Sicht besten Fall sind sie dazu nicht fähig. Trifft aber nun der beste Fall aus Sicht des Tiergartens in Nürnberg ein, überleben nur wenige Paviane nicht, dafür aber die ganze Art. Zudem kann dieses Prinzip dann in anderen Erhaltungszuchtprogrammen ebenfalls zur Optimierung eingesetzt werden. In anderen Ländern passiert das bereits.
Warum ist das Töten unausweichlich?

Der Tiergarten Nürnberg hat intensiv bei anderen Arten effektive Methoden zur Verminderung der Reproduktionsrate bei den Guinea-Pavianen erprobt. Die „Pille“ bedroht die Gesundheit der Weibchen, kann sie sogar permanent unfähig machen, sich fortzupflanzen. Das ist nicht im Sinne von Erhaltungszucht, die auf genetische Diversität angewiesen ist. Kastration der Männchen wiederum vermindert die Fortpflanzungsrate nicht. Ein Männchen reicht nämlich, um alle Weibchen zu schwängern. Am Ende wir die Zahl der Babys nicht verringert, die genetische Diversität aber würde leiden.
Egal also wie viel Platz die Tiere haben, wie viele Haltungen es geben würde: Man kommt irgendwann immer an den Punkt, an dem man Tiere töten müsste. Da hilft auch eine Auswilderung nicht. Man kann auch natürliche Schutzräume wie Nationalparks nicht vollstopfen. Gibt es zu viel einer Art in einem Nationalpark, die den Fortbestand dessen bedroht, wird auch geschossen. Wer sich also dafür entscheidet, diese Art vor dem Aussterben zu bewahren, wird ums Schießen nicht herumkommen.
Niemand muss denken, dass das irgendwem wirklich Spaß macht. Es gehört aber dazu. Das gilt unabhängig davon, wie man es findet. Wer Artenschutz sagt, muss eben auch Populationsmanagement sagen können. Der Tiergarten Nürnberg kann das. Alles andere wäre auch unehrlich. Die getöteten Paviane dienen am Ende auch nicht nur dem Artenschutz, sondern auch der Fütterung anderer Tiere sowie der Forschung. Somit gibt es für den Tod im Prinzip gleich drei vernünftige Gründe. Für die Anti-Zoo-Hetze wegen dieser Entscheidung gibt es derweil keinen vernünftigen Grund.