Andenflamingo | Foto: Ajay Suresh, Lizenz: CC BY 2.0

Bergbau: Der Motor der Energiewende

Exklusiv für zoos.media – 29.05.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

Bergbau uns sonstiger Abbau natürlicher Ressourcen in entsprechenden Mengen, sind eine Voraussetzung für die Energiewende. Wie naturverträglich ist das aber?

Bergbau: Der Motor der Energiewende

Wer das Wort Energiewende sieht, der stellt sich wohl so etwas wie eine Kehrtwende vor. So wird sie ja auch verkauft. Richtig viel ändert sich aber eigentlich nicht: Aspekte der alten Energie-Gewinnung bleiben gleich. Der Bergbau zum Beispiel hört nicht auf, sondern er ändert nur seine Ziele. Ob man am Ende deshalb, nach oder während der Wende, weniger Abbau natürlicher Ressourcen global hat, darf bezweifelt werden. Was man aber weiß, dass er woanders sein wird. Das wiederum hat auch massive Folgen für den Natur- und Artenschutz, aber auch in der Geopolitik. Daher werfen wir einen Blick auf die aktuelle Studienlage.

Abbau-Boom notwendig

Ehemalige Hauptbergwerksgrube der Greenbushes Mine: hier wurde Lithium abgebaut. | Foto: Orderinchaos, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Mark P. Mills vom Manhattan Institute und der McCormick School of Engineering and Applied Science der Northwestern University hat dazu einen Vortrag gehalten. Schon nach dem Szenario für nachhaltige Entwicklung – ein mittleres Szenario etwa zwischen dem Pariser Abkommen und der vielzitierten “Netto-Null” – steigt der Bedarf an bestimmten Material drastisch. Bei einer Umsetzung des Szenarios würde sich etwa der Bedarf an Lithium im Vergleich von 2020 in 2040 verzweiundvierzigfacht haben. 25 Mal mehr Graphit würde gebraucht. Von Kobalt bräuchte man 21 Mal so viel. Nickel wird 19 Mal mehr benötigt. Versiebenfachen würde sich der Bedarf an Seltenen Erden.

Das zeigt auch, dass die Seltenen Erden, die im Moment hin und wieder mal als problematisch thematisiert werden, eigentlich nur die Spitze des Eisbergs sind. Der Abbau der anderen genannten Stoffe wiederum wird seltener mit der Energiewende in Verbindung gebracht. Tatsächlich aber, sind sie noch viel gefragter. Lithium etwa wird aus salzhaltigem Grundwasser gewonnen und der Abbau fördert so das Austrocknen der Landschaft. Graphit benötigt massiven Tagebau, aber eben auch Abbau unter Tage, was natürlich massiv in Ökosysteme eingreift.

Studienlage zeigt deutliches Bild

Erzeugung so genannter grüner Energie in Deutschland | Foto: Michael Foertsch, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die 2022 veröffentliche McKinsey-Studie behandelt das Thema, hat noch tiefer gegraben und eine hervorragende Übersicht erarbeitet, welche Materialien für welchen Energieträger relevant sind. Sie zeigt einen hohen Bedarf von Tellur etwa bei Photovoltaik-Anlagen. Dieses Material ist ungefähr so häufig wie Gold. Es braucht etwa Terbium in großen Mengen zum Beispiel für die Energie-Erzeugung von Wind und dem Betrieb von Elektroautos. Das ist zum Beispiel so eine Seltene Erde, über die häufig gesprochen wird.

Wenn man sich jetzt mal anschaut, was dieser Bedarf bedeutet, liefert dazu ein Report der International Energy Agency (IEA) aus dem März 2022 einen guten Eindruck. Bei dem geht es besonders um die Mineralien. Er exemplifiziert das am praktischen Beispiel des Autos. Während ein Verbrenner davon unter 50 Kilogramm Kupfer und Mangan benötigt, benötigt das Elektroauto fast 200 Kilogramm dieser und mehr von den besonderen Mineralien. Allein der Kupfer-Anteil übertrifft schon deutlich den Bedarf von Verbrennern insgesamt in diesem Bereich.

Der Report spricht aber auch über die Energie-Erzeugung. Gerade Windenergie zeigt sich dabei als massiver Verbraucher. Der Kilogrammbedarf pro Megawatt allein an Kupfer einer Offshore-Windkraftanlage düpiert schon jeweils den Gesamtbedarf von Atom, Kohle und Gas bei all den betrachteten Stoffen. Diese wachsen nicht auf Bäumen oder kommen magisch auf die Erde, sondern müssen abgebaut werden. Dazu muss in die Natur massiv eingegriffen werden. Solches Vorgehen hat dann Folgen, die wir aktuell nur in ihren Kinderschuhen ermessen können.

Bedarf wird massiv steigen

Der totale Rohstoffbedarf in Millionen Tonnen würde sich natürlicherweise erhöhen. Das tut er sowieso. Der IEA-Report zeigt, dass er sich, je nach Szenario, aber in anderer Menge entwickeln wird. In Bezug auf 2020 würde sich der Bedarf bei dem bereits oben erwähnten Szenario für nachhaltige Entwicklung vervierfachen, bei dem Netto-Null-Szenario sogar versechsfachen. Das Pariser Abkommen, also das weniger ambitionierte Ziel, würde den Bedarf verdoppeln. Das Märchen, dass es durch die Energiewende also ressourcenschonender wird, löst sich nicht wirklich ein – es sind eben nur andere Ressourcen als aktuell.

Nun haben solche Projekte zur Gewinnung dieser Rohstoffe, die die Energiewende antreiben sollen, viele Probleme. Die spart auch die IEA natürlich nicht aus. Es dauert etwa 16,5 Jahre, um ein Bergbauprojekt zur ersten Produktion zu bringen. Bei einer Reihe dieser Rohstoffe sinkt die Qualität des Erzes aktuell. Dazu brauchen die Anlagen selbst natürlich auch sehr viel Wasser und vor allem auch überhaupt erstmal das Land sowie die Vorkommen, um abbauen zu können. Nachhaltige Produktion könnte schwierig werden. Ob man also die Produktion für diesen angestrebten Bedarf überhaupt hinbekommt, wird fraglich sein.

OECD zeigt Probleme auf

Goldstumpfnasen (Rhinopithecus roxellana) in Xi’an – eine bedrohte Affenart aus Zentral-China | Foto: Danielinblue, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Just im April 2023 kam ein Working Paper der OECD heraus, das bei all dem auch noch eine andere Komponente zeigt. Aktuell gibt es auf dem Markt bei der Produktion nämlich Monopolstellungen. Diese haben nur wenige Länder: China, Südafrika, Australien und Kongo. Sie kontrollieren jeweils allein 60-80% des Anteils globaler Produktion von zum Beispiel Lithium, Platin, Kobalt und Graphit. Der Westen ist bei der der Produktion also fast ganz raus, wird also bei anderen Ländern nachfragen müssen, die dann den Preis bestimmen.

Die so genannten “fossilen” Energieträger hatten den Vorteil, dass sie im so genannten Westen reichlich zu finden sind. Das wird sich durch die Energiewende ändern, weil sie auch eine Fremdabhängigkeit fördern wird. Eine Diversifikation von Herkunftsländern ist nicht zu erwarten, weil zum Beispiel Seltene Erden auch deshalb als selten bezeichnet werden, weil sie eben nicht häufig und überall abbaubar sind. Somit gibt der Westen durch die Energiewende auch viel aus der Hand und begibt sich in Abhängigkeit von Monopolisten, die dann den Preis und die Bedingungen bestimmen. Versorgungsengpässe und Preissteigerungen stehen also ins Haus.

Großer Profiteur wird zum Beispiel China werden, die solche dringend benötigten Ressourcen schon jetzt zu Hauf haben und produzieren. Energiepolitisch investieren sie aber massiv in die Atomenergie und planen so viele neue Kraftwerke wie kein anderes Land der Welt. Den deutschen Sonderweg aus Atom und Kohle in Bezug auf die Eigenproduktion gleichzeitig aussteigen, geht derweil niemand mit. Man sieht auch, wie sehr sich das Land dadurch in Abhängigkeit von anderen Ländern begibt. Jenseits der geopolitischen Auswirkungen hat das Ganze noch eine andere Komponente.

Natur- & Artenschutz wird wichtiger

Goriallanachwuchs im Zoo Duisburg | Foto: zoos media, Lizenz: Erlaubnis des Fotografen

Man spricht aktuell von einer Doppelkrise in den Bereichen Klima und Biodiversität. Aktuelle politische Pläne zielen aber dahin, die Klimakrise zu Lasten der Biodiversität lösen zu wollen. Die dringend benötigten Projekte sorgen auch nicht nur für Probleme am Abbauort, wo sie Natur zerstören, sondern benötigen auch eine Infrastruktur, bei der sie Natur fragmentieren. Das kennt man sehr gut von der Kohle und problematisiert das auch zu Recht. Bei den Ressourcen, die man jetzt zu Hauf benötigen wird, ist das nicht der Fall, obwohl der Anstieg ja massiv werden wird.

Schon jetzt ist dieser Abbau verantwortlich für bedrohte Arten. Coltan zum Beispiel ist ein sehr beliebtes Beispiel in Bezug auf die Gorillas. Bei steigendem Bedarf werden die aktuell erreichten Erfolge schwieriger zu halten oder gar auszubauen sein. Der Lithium-Abbau hat schon jetzt dafür gesorgt, dass die Andenflamingos bedroht sind. Der Bedarf an diesem Stoff wird sich um mehr als das Vierzigfache noch erhöhen. Der Tiefsee-Abbau wird in dem Zusammenhang auch ins Visier genommen – der soll massive Artenschutz-Implikationen haben. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat da schon vor Jahren vor gewarnt. Ihn wird es aber geben müssen, bei dem Bedarfsanstieg.

Zoos und Aquarien werden gebraucht

Wer also denkt, dass durch die angestrebte Energiewende, sollte sie anhand diesem großen Bedarfsanstieg überhaupt umsetzbar sein, bald alles nach Friede, Freude, Eierkuchen ausschaut, der wird sich wundern, dass er maximal den Eierkuchen bekommen wird. Gerade die Natur wird heftig unter der Energiewende zu leiden haben. Wer also nicht gleichzeitig zur Energiewende, den Natur- und Artenschutz, der ohne Zoos und Aquarien umfassend nicht möglich ist, stärkt, handelt fatal. Eine Umsetzung des artenrettenden One Plan Approach to Conservation der IUCN setzt die Existenz solcher Institutionen voraus.

Wer also denkt, eine Energiewende würde den Natur- und Artenschutz überflüssig machen, irrt. Die Probleme werden wohl nicht weniger, sondern deutlich mehr. Diese eigentlich offensichtliche Wahrheit spielt viel zu selten eine Rolle. Darum kommt die Politik auch damit durch, sich kaum um die Stärkung von Zoos und Aquarien zu kümmern. In der Energiekrise werden sie nach wie vor allein gelassen und mit Sparplänen drangsaliert. Zoologische Institutionen so auf Sparflamme zu halten, kann man sich aber gerade aktuell nicht leisten.

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