Model eines Styracosaurus im Baltow Jurassic Park (Polen) | Foto: Jakub Halun, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Das Dinosaurier-Argument der Zoogegner

Exklusiv für zoos.media – 15.02.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Dieser Artikel widerlegt eine Argumentation der Zoogegner gegen moderne Zoos und Aquarien, die die Begeisterung von Kindern für Dinosaurier auszunutzen versucht.

Das Dinosaurier-Argument der Zoogegner

Es gibt ja immer wieder klassische Argumente gegen Zoos und manche haben es sogar in die Handreichungen der Zoogegner geschafft – es gibt ein paar solche Kollektionen, die man mit “Zoogegnerschaft für Dummies” überschreiben könnte. Man bekommt vorgefertigte Argumente, die dann nur noch kopiert werden müssen. Viele haben wir hier schon wiederlegt, aber eines noch nicht, nämlich dieses:

Das Argument, dass Kinder mehr Leidenschaft für Tiere haben werden, die sie live sehen können, hält einer Überprüfung nicht stand: Keines der Kinder von heute hat jemals einen Dinosaurier gesehen, doch Kinder sind verrückt nach ihnen.

Äpfel mit Birnen vergleichen

Die meisten Kinder sind nicht verrückt nach Dinosauriern, sondern sie sind verrückt nach Bild von Dinosaurier, das von einer Verwertungsindustrie erzeugt wird. Ganz klassisches Beispiel ist da natürlich das “Jurassic Park”-Franchise, aber es gibt ja fast unzählige Produkte, die im Wesentlichen für das Bild der Öffentlichkeit von Dinosauriern verantwortlich sind – ganz im Gegensatz zur Wissenschaft. Die spielt keine Rolle und es ist in dieser Welt anscheinend völlig egal, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse mit Füßen getreten werden, wenn doch nur der Dino gut in der Vermarktungsmaschinerie funktioniert.

Ein T-Rex zum Beispiel muss fürchterlich brüllen, damit er in der Verwertung gut funktioniert. Die meisten Leute, die einen T-Rex nachmachen sollen, werden ein schreckliches Brüllen intonieren, weil das medial so vermittelt wird. Allerdings ist es komplett falsch. Der Tyrannosaurus rex war spezialisiert darauf, tiefe Frequenzen zu hören und auch zu erzeugen – Stichwort: Infraschall. Viele Menschen können das nicht mal hören. Der Irrtum entstand dadurch, dass man die Töne der heutigen großen terrestrischen Raubtiere auf das große Reptil übertragen hat. Es passt einfach besser für die Rolle, die man für den T-Rex auserkoren hatte.

Everything we thought we knew about the T-Rex is wrong

What did the roar of a T-Rex REALLY sound like?Turns out Jurassic Park got it completely wrong…

Gepostet von BBC Two am Dienstag, 2. Januar 2018

Wahrscheinlich wird dieser authentischere Sound im Video nie das populäre Bild des T-Rex prägen, weil es im Merchandising schwer umsetzbar ist und so werden die T-Rexe der Zukunft auch noch brüllen, schreien und was nicht alles sonst noch, denn es funktioniert in dem Bild, das man von den Tieren erzeugen will. Nach diesem falschen Bild aber sind die Kinder verrückt und nicht danach wie Dinosaurier, wie der Tyrannosaurus rex wohl wirklich waren. Vom großen Dinosaurier-Hype bekommt die Wissenschaft übrigens wenig ab. Kindern kann man das nicht verübeln, denn die verschiedenen Produktlinien sind ja auf sie zugeschnitten und niemand will den Kindern lieber eine Studie zu Weihnachten schenken als eine erstunken und erlogene Action-Figur.

Fragwürdig wird es dann aber, wenn Erwachsene, dieses kindliche Verhalten als Argument missbrauchen, um Zentren zu schaden, die für genau diese Kinder die wirklich lebendigen Tiere erhalten wollen. Es zeigt aber auch wie oberflächlich sich Menschen, die solche Argumente nutzen, mit der Welt beschäftigt und wie wenig Interesse sie tatsächlich an Tieren haben. Das macht Sinn, denn auch die Tierrechtler verkaufen ein realitätsfremdes Zerrbild der Natur wie wir es schon oft beschrieben haben, wenn sie sich zum Beispiel eine Freiheit herbei fantasieren, die es gar nicht gibt.

Dinosaurier in Zoos

Panda-Mann Yuan Zi im ZooParc de Beauval (Frankreich) | Foto: Dinkum, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Man kann das Argument aber noch auf eine andere Art und Weise widerlegen – nämlich mit einem Gedankenspiel: Was wäre denn, wenn wirklich so ein Jurassic Park eröffnen würde oder ein Zoo die Dinosaurier halten würde, die in der Popkultur so populär sind? Wenn die Tierrechtler recht hätten, müssten die Kinder dann sagen: “Hey, also ich hab hier meine Action-Figur, meine Quartett-Spiel und die neuste DVD … ich brauch doch nicht in den Dino-Zoo.” Das ist aber nicht wahrscheinlich. Eben weil sie so verrückt nach Dinosauriern sind, wollen sie sie natürlich auch live sehen, weil dieses Erlebnis nochmal größer ist. Ein Zoo mit einem echten T-Rex würde sich wahrscheinlich eine goldene Nase verdienen.

Auch bei aktuell lebenden Tieren sieht man das: Es gibt Pandas in allen Formen und Farben als Stofftiere, Plastikrepliken, in Filmen, auf Fotos und der Markt hat sich noch viel mehr ausgedacht, um die schwarz-weißen Bären mit kommerziellen Produkten zu verknüpfen. Die Leute könnten sich also mit Panda-Artikeln noch und nöcher eindecken. Trotzdem gehen sie in die Zoos, um die Tiere live zu erleben. Es geht eben nicht nur ums Sehen, denn das könnten sie auch online – es gibt wahrscheinlich mehr Panda-Videos als man in einem ganzen Jahr schauen könnte und das ist noch zurückhaltend geschätzt. Trotzdem strömen die Leute etwa nach Berlin, um mal Große Pandas live zu erleben. Muss man nach Berlin, um Pandas zu sehen? Nein, sehen kann man die ganz häufig. Muss man nach Berlin, um Pandas live zu erleben? Ja, denn in Deutschland gibt es nur diese eine Haltung. Dafür reisen Menschen viele Kilometer an, um einmal diese Tiere eben wirklich zu sehen – nicht nur mit den Augen, sondern möglichst mit vielen Sinnen. Es reicht eben nicht, etwas nur am Bildschirm zu sehen oder eine Replik davon in der Hand zu halten, wenn man ein Tier wirklich erfahren will. Egal, welche Medien der Mensch noch erfinden wird, nichts wird es je ersetzen in einen Zoo zu gehen und ein lebendes Tier wirklich live zu erfahren.

Trainerin in freiem Kontakt mit einem Orca | Foto: Loadmaster (David R. Tribble), Lizenz: CC BY-SA 3.0

Das gleiche sehen wir bei Orcas oder anderen Delfinen. Millionen Menschen gehen Jahr für Jahr in moderne zoologische Einrichtungen weltweit, um Schwertwale live zu sehen und am allerliebsten in unterhaltsamen Shows wie damals “Believe” in SeaWorld – eine Show, die Millionen von Menschen in ihren Bann zog und es bis heute noch tut mit vielen Millionen Aufrufen der Videos der Show zum Beispiel auf YouTube. Es ist nach wie vor vom Show-Aspekt die beste Orca-Show, die es jemals gab und sie hat es versucht und auch geschafft, die Begeisterung für die Tiere in eine Leidenschaft umzuwandeln, die einen Nährboden schafft, der Menschen zum Schutz dieser Tiere animiert. Heute versucht man, dies in die Show zu integrieren und mit Edukation zu verknüpfen, was damals nicht der Fall war – die Aufteilung war eine andere und SeaWorld damals noch auf dem Zenit.

Die Aufgabe der Zoos ist es nun, dieses Interesse und diesen Willen nach Unterhaltung zu nutzen, um ihn mit Edukation, Forschung und Artenschutz zu verbinden. Das ist übrigens etwas, das bei den meisten erfolgreichen Dino-Vermarktungsprodukten gar nicht passiert – klar, denn dann würde die Masche ja auch auffallen. In zoologischen Einrichtungen hingegen nutzt man das Interesse an bestimmten Botschaftertieren, um über ein ganzes Habitat aufzuklären und zum Schutz desselben aufzurufen, denn Orcas und Pandas kann man nicht isoliert schützen. Von ihrem Schutz profitieren viele andere Arten, die den Lebensraum bewohnen.

Die Nachfahren der Dinosaurier kann man in den Zoos und Aquarien also sehen und bewundern. Interessanterweise sieht man oft, dass die nah verwandten Nachfahren der Dinosaurier, also besonders im Bereich der Reptilien, nicht mehr so hoch in der Zuschauergunst angesiedelt sind. Sie sind eben deutlich weniger spektakuläre Tiere als das Zerrbild, das von ihrem Vorfahren, die vor Millionen von Jahren die Erde bevölkerten, entwickelt wurde. Mit so einem Fabelwesen, wozu der T-Rex in den Popkultur letztendlich verkommen ist, kann auch kein Krokodil mithalten, aber die Entfremdung ist ein massives Problem, denn nicht wenige Reptilienarten sind bedroht – wären hier nicht moderne zoologische Einrichtungen aktiv, würden die oft als Stiefkinder der Dinosaurier empfundenen, heute lebenden Reptilien kaum Menschen haben, die sich um sie kümmert.

Fazit

Dieses Dinosaurier-Argument ist kompletter Humbug, denn ein medial vermitteltes Zerrbild eines Lebenwesen kann deren reales Live-Erlebnis nicht ersetzen. Das haben auch die über 700 Millionen Menschen, die pro Jahr Zoos besuchen, sehr gut verstanden.

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