Eisbär im Erlebnis-Zoo Hannover | Foto: zoos.media

GEO-Blamage: Peter Wohlleben über Zoos

Exklusiv für zoos.media – 24.08.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

Die TV-Bekanntheit Peter Wohlleben hat sich im Geo-Magazin sehr fragwürdig zu Zoos ausgelassen. Der Artikel strotzt nur so von offensichtlichen Defiziten. Insgesamt ist er eine Blamage.

GEO-Blamage: Peter Wohlleben über Zoos

Als Förster und Autor hat Peter Wohlleben gewisse Bekanntheit erlangt. Sein eigentliches Thema ist die Waldwirtschaft. Er hat das Thema quasi talk-show-tauglich geschrieben, ist dafür in der Fachwelt aber auch nicht unumstritten. Torben Halbe warf ihm etwa vor, sachliche Diskussion durch eine Art Disneyfizierung des Wald zu verhindern, Leser zu manipulieren und gegenüber den im Wald wirtschaftenden Menschen respektlos zu agieren. Karst et al. (2023) nahmen Wohllebens Äußerungen in ihrer Arbeit über Fehlinformationen über häufige Mykorrhiza-Netzwerke in Wäldern als Beispiel.

Fehlinterpretation von Rilke

Schwarzer Panther im Rhino and Lion Park, Südafrika | Foto: Rute Martins of Leoa’s Photography (www.leoa.co.za), Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Im Artikel über Zoos geht es in ähnlichem Stile los. Den Einstieg gestaltet er weitestgehend einfallslos mit der auch in der Tierrechtsindustrie gängigen Fehlinterpretation vom Dinggedicht “Der Panther” von Rainer Maria Rilke (1875-1926). Rilke zu zitieren, klingt immer irgendwie intellektuell, wird aber schnell peinlich, wie man es auch hier sieht. Wir haben es bei dem Gedicht nicht mit einer dokumentarischen Beschreibung eines Panthers in den Pariser Jardin des Plantes zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu tun.

Rilke beschreibt in diesem Gedicht seine eigene Einsamkeit, die er anfangs in Paris erfuhr. Er projiziert also seine eigenen Gefühle auf den Panther. Über den Panther selbst sagt das Gedicht dabei nicht wirklich etwas aus beziehungsweise ist das nie der Anspruch solcher Gedichte. Im Dinggedicht verknüpft der Dichter ein entsprechend ausgewähltes Bild mit seinen subjektiven Gedanken und macht es zum Symbol. Der Panther symbolisiert hier schlicht die Gefühlslage des Dichters.

Das zu wissen, ist die Grundlage sich solchen Gedichten sinnvoll nähern zu können. Was Wohlleben hier also leistet ist wie eine Annäherung an Algebra ohne die Kenntnis von Grundrechenarten. Das kennt man sehr gut aus der Tierrechtsindustrie. Ständig wird auch bei diesen Tierhaltungsgegner das Gedicht herangezogen und ohne jede Kenntnis als Tatsachenbeschreibung behandelt. Dass dies nun seinen Weg in das Magazin GEO findet, ist beachtlich, setzt es doch eine große Ignoranz von Wissen voraus.

Schlechte Recherche zu Yukon Bay im Erlebnis-Zoo Hannover

Die Eisbären-Anlage im Erlebnis-Zoo Hannover ist naturnah und abwechslungsreich gestaltet. | Foto: zoos.media

Moderne Zoos seien davon heute “Lichtjahre entfernt” – kein Kunststück, denn Zoos sollen ja nie Rilkes Stimmung in Paris symbolisch widerspiegeln. Das sei aber eben aus Sicht der Besucher so. Die Installation für Eisbären in der Themenwelt “Yukon Bay” im Erlebnis-Zoo Hannover sei, so Wohlleben, “winzig” im Vergleich zum “Eisbärenrevier” in “freier Wildbahn”. Jetzt ist etwas schlecht für Wohlleben, dass GEO selbst veröffentlichte: “Eisbären haben kein festes Revier” – zumindest als man die defizitären Ausführungen gegen Eisbärhaltung in Zoos von Georgia Mason im Stile einer Hofberichterstattung aufarbeitete.

Wie sieht es nun tatsächlich aus? Polar Bears International (PBI) – führend im Schutz von Eisbären weltweit – beschreibt es so, dass es zwei Hauptfaktoren gibt, die die Größe des Aktionsraums wilder Eisbären bestimmen: die Qualität des Meereises und der Verfügbarkeit der Beute. Sie haben kein Revier – können sie auch gar nicht, weil sich durch das Eis ihr Lebensraum ständig verändert.

Es wäre zu begrüßen gewesen, hätte Wohlleben solche Experten mal gefragt. Die empfinden übrigens die Installation für Eisbären auch nicht als “winzig”. Alysa McCall von PBI lobte die Haltung und eben auch das damit verbundene Artenschutz-Engagement des Zoos bei einem Besuch. Wohl nicht ganz so überraschend erwähnt das Peter Wohlleben nicht mit einem Wort – weder die Meinung von Experten zu Eisbären in Zoos, noch deren Engagement. Ein Zufall? Das wird nur Peter Wohlleben selbst beantworten können.

Zoo Kopenhagen steht plötzlich für alle Zoologischen Gärten

Löwen im Zoo Kopenhagen
Quelle: Guillaume Baviere/flickr CC 2.0

Für Wohlleben selbst sei Empathie wichtig: “Wer einmal in die Augen von Schimpansen, Elefanten oder Leoparden geschaut hat, wird sich stärker für den Umweltschutz engagieren als bei der bloßen Lektüre von Klima-Horrormeldungen.” Er gibt auch durchaus zu: “Etliche Spezies wie Davidshirsch, Wisent oder Przewalski-Pferd wären ohne Zoonachwuchs und Auswilderungen schon von diesem Planeten verschwunden.” Das versieht er aber sogleich mit einem scheinbaren Wehrmutstropfen, indem er von der “Darstellung ganzer Tierfamilien ohne die Notwendigkeit der Erhaltungszucht” spricht.

Sein Beispiel zeigt wieder nichts als Unkenntnis. Er führt den “Skandal um den Giraffenbullen Marius” ins Feld. Blöd für ihn ist an dieser Stelle, dass der Zoo Kopenhagen seit den 1960er Jahren Giraffa camelopardalis reticulata regelmäßig züchtet. Diese Unterart wird von der Weltnaturschutzunion (IUCN) als EN gelistet. Warum sollte es bei einer so bedrohten Art keine Notwendigkeit zur Erhaltungszucht geben? Das erklärt Wohlleben nicht.

Er beschäftigt sich auch gar nicht damit, dass es gute Gründe gab, Marius zu töten. Das Gleiche gilt für die Löwen-Tötungen, die er ebenso ins Feld führt. Dabei wäre es so einfach, das zu recherchieren. Man tut dies, um den natürlichen Lebenszyklus der Löwen nach zu empfinden und auf für die Tiere schädliche Kontrazeptiva verzichten zu können. Andere Zoos und Aquarien gehen dabei einen anderen Weg. Wohlleben nutzt dieses Vorgehen eines Zoos aber, um alle abzuurteilen.

Auch nicht bedrohte Arten in Zoos wichtig

Präriehund im Tiergarten Mönchengladbach | Foto: zoos.media

In Wohllebens Artikel verliert sich die Fragestellung zur “Darstellung ganzer Tierfamilien ohne die Notwendigkeit der Erhaltungszucht” somit völlig. Trotzdem bleibt es eine wichtige Frage: Warum züchten Zoologische Gärten auch nicht-bedrohte Arten? Das macht sehr viel Sinn, weil die Natur keine Sammlung einzelner Art ist, sondern alle Arten eines Ökosystems stehen im direkten oder indirekten Verhältnis zueinander. Sehr gut kann man das an einem Beispiel verdeutlichen.

Der Schwarzschwanz-Präriehund (Cynomys ludovicianus) ist aktuell noch nicht global als bedroht eingestuft. Er verschwindet aber bereits an einigen Orten und hier kann man eine bedrohliche Entwicklung sehen. Prärie-Habitate ohne die putzigen und auch in Zoos oft gezeigten Tierchen weisen deutlich weniger Biodiversität auf als solche Habitate, in denen die Nager noch ihr sprichwörtliches Unwesen treiben. Das macht sie – vielfach wissenschaftlich belegt – zur Schlüsselspezies.

Da also die Präsenz von Präriehunden auch anderen Arten nützt, von denen einige auch bedroht sind, macht es Sinn frühzeitig eine möglichst breit aufgestellte Sicherheitspopulation dieser Art in Menschenobhut zu etablieren. Ein Bedrohungsstatus zeigt an, dass es fast schon zu spät ist. So lange zu warten ist nicht immer ratsam. Man will ja auch nicht, dass, wenn es brennt, die Feuerwehr erst kommt, wenn das Haus schon so gut wie auf die Grundmauern abgebrannt ist.

Lächerliche Fragen

Junge Rothschildgiraffe (Giraffa camelopardalis rothschildi) im Opel-Zoo Kronberg | Foto: Quartl, Lizenz: CC BY-SA 3.0

So fragt, Wohlleben zum Schluss: “Ist dies der Umgang mit in der Natur gefährdeten Tierarten, den wir der nächsten Generation beibringen möchten?” Nota bene, das fragt er, nachdem er vom Zoo Kopenhagen versucht hat auf alle Zoos dieser Welt zu schließen. Was bringt der Zoo von Kopenhagen denn “der nächsten Generation” bei? Dass zum Artenschutz es eben auch gehören kann, Tiere zu töten. Das ist die Realität – eine harte zwar, aber so funktioniert Natur- und Artenschutz auch. Es gibt nicht nur die putzigen und schönen Seiten.

Als zweite Frage kommt dann: “Spräche etwas dagegen, wenn der Bestand in solchen Einrichtungen wenigstens zeitweise ohne Nachwuchs wäre und ein wenig überaltern würde?” Die kurze Antwort, die auch wohl jeder ehrliche Artenschützer im Rahmen der Erhaltungszucht so gegeben hätte, ist: “Ja.” Bei der Erhaltungszucht geht es darum eine stabile, möglichst divers aufgestellte Population zu generieren. Da hilft keine Pseudo-Empathie, die man heuchelt, um dann die Menschen in den Schmutz zu ziehen, die sich auch für die unangenehmen Aufgaben im Artenschutz nicht zu schade sind. Auch in der Natur kann nicht jedes Tier ewig leben. Im Zoo leben sie aber meist deutlich länger.

Wohlleben vergibt Berechtigung

Mitchells Waran im Nördlichen Territorium Australiens | Foto: Graham Winterflood, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Erhaltungszuchtpopulationen “ein wenig überaltern” zu lassen, sieht er als “ehrlicher” an und es “würde die Gesamtverantwortung besser unterstreichen: Bildung, Erlebnis und Artenschutz.” Gerade zu Bildung und Artenschutz gehört es ja aber auch der Disneyfizierung entgegen zu treten. Es bringt ja nichts die Realität zu verdrängen. Ohne ein Verschwinden der invasiven Aga-Kröte am Daly River in Australien gibt es dort für die drei heimischen Waran-Arten keine Zukunft. Natur- und Artenschutz bedeutet eben auch manchmal Töten.

Er hat Recht, wenn er zum Schluss schreibt: “Mit diesem Dreiklang behalten Zoos auch in Zukunft ihre Berechtigung.” Es funktioniert aber eben anders als er sich das vorstellen will. Es ist ja schön, wenn man die Natur so romantisieren kann wie Wohlleben. Mit der Realität hat das aber rein gar nichts zu tun. Pseudo-intellektuell Rilke zu zitieren, Experten zu ignorieren und unterkomplex Tiertöten abzuhandeln, sind völlig wertlose Beiträge zu einer wichtigen Diskussion. Moderne Zoos und Aquarien haben ihre Berechtigung auch ohne, dass Peter Wohlleben darüber befindet.

Nähe zu Anti-Zoo-Aktivisten

Ameca-Elritzen sind in der Natur ausgestorben. Sie überleben dank Zoos & Aquarien. | Foto: zoos.media

Es ist wohl keine Überraschung, dass Wohlleben sich auch mit Robert Marc Lehmann abgibt. So hatten sie offenbar einen gemeinsamen Werbedeal mit der Zurich Versicherung Deutschland im Rahmen dessen auch ein Video produziert wurde. Mindestens ein weiteres Video mit Lehmann brachte er auch auf dem YouTube-Kanal seiner Waldakademie. Im Rahmen derer gab er auch einer PETA-Aktivistin ein Forum.

So überrascht es dann auch weniger, woher all diese Desinformationen in seinem Zoo-Artikel herrühren. Allerdings ist fraglich wie so eine Schrift die Qualitätskontrollen innerhalb des Geo-Magazins von Gruner + Jahr hat passieren können. Prüft das dort niemand nach? Es braucht ja teils nur Sekunden bis maximal ein paar Minuten der Online-Recherche, um zu sehen, dass solche Ausführungen den Standards eines seriösen Magazins gar nicht entsprechen können. So ein Artikel wird dann nämlich schnell zur Peinlichkeit.

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