Gorillanachwuchs im Zoo Duisburg | Foto: zoos media, Lizenz: Erlaubnis des Fotografen

Hitchens’ Rasiermesser & die Diskussion über Zoos

Exklusiv für zoos.media – 02.05.2024. Autor: Philipp J. Kroiß

Immer wieder verbreitet die Tierrechtsindustrie unbelegte Behauptungen über Zoos & Aquarien, fordern dann aber Belege als Gegenbeweise. So funktioniert eine ordentliche Diskussion aber nicht.

Hitchens’ Rasiermesser & die Diskussion über Zoos

In der Wissenschaft gilt, dass jede These belegt gehört, sonst ist sie gegenstandslos. In einer ordentlichen Diskussion sieht das nicht anders aus. Gleichwohl sind Kampagnen gegen Zoos & Aquarien meist so konstruiert, dass Akteure der Tierrechtsindustrie einfach etwas behaupten ohne jeden Beleg. Medien greifen das dann auf, hinterfragen die Thesen der Pseudo-Tierschützer gar nicht, sondern verlangen Belege von den Zoos & Aquarien, die das Gegenteil der Anschuldigungen belegen sollen. Das müsse man dann tun, heißt es oft.

Grundregel der Logik

In einer Diskussion besteht aber dieser Druck, der auf Zoos & Aquarien ausgeübt wird, gar nicht. Es ist ist eine erkenntnis- und argumentationstheoretische Maxime, dass die Beweislast für eine Behauptung bei dem liegt, der die Behauptung aufstellt. Bekannt ist diese Maxime als Hitchens’ Rasiermesser, das er besonders in der Diskussion um die Religion einsetzte.

“What can be asserted without evidence can also be dismissed without evidence. This is even more true when the “evidence” eventually offered is so shoddy and self-interested.” – Christopher Eric Hitchens (1949-2011) in: ‘God Is Not Great: How Religion Poisons Everything’ (2008)
[Deutsche Übersetzung: Was ohne Beweise behauptet werden kann, kann auch ohne Beweise zurückgewiesen werden. Dies gilt umso mehr, wenn die “Beweise”, die letztendlich vorgelegt werden, so schäbig und eigennützig sind.]

Längst hat sich diese Argumentation von ihrem konkreten Anlass emanzipiert. Zudem ist es nicht wirklich Hitchens’ Entwicklung gewesen. Schon im 19. Jahrhundert kannte man das lateinische Sprichwort: “Quod gratis asseritur, gratis negatur.” Das war bereits vor Hitchens’ Geburt bekannt und verwendet worden. Er hat es nur in einem prominenten, atheistischen Werk zur großen Popularität verholfen. Hin und wieder wird die lateinische Version Euklid von Alexandria, dem berühmten Mathematiker aus dem dritten Jahrhundert vor Christus, zugeschrieben.

Praxis sieht oft anders aus

Glückliche Elefanten im Erlebnis-Zoo Hannover | Foto: zoos.media

Woher genau dieser ursprünglich lateinische Spruch kommt, kann man nicht nachvollziehen. Die früheste Verwendung, die bisher recherchiert wurde, datiert sich auf das Jahr 1704 in einer Einführung zum Lesen des Neuen Testaments von Johann Georg Pritius (1662-1732). Er war ein evangelisch-lutherischer Theologe und Pfarrer aus Deutschland. Schon in dem Text aber scheint sich der Autor auf eine bekannte und bereits etablierte Maxime zu beziehen.

Heutzutage scheint sie oft vergessen. Sehr gut sah man das bei PETAs Attacke auf den Erlebnis-Zoo Hannover in Bezug auf die Direktkontakthaltung von Elefanten. Statt die Vorwürfe erstmal zu prüfen, wurde auf Basis von schäbig manipulierten und für die radikale Tierrechtsorganisation auch eigennützig vermarkteten “Beweisen” eine medial orchestrierte Hetzjagd gegen den Zoo und seine Mitarbeiter veranstaltet. Die angeblichen “Beweise” scheiterten dann vor jedem diesbezüglich angerufenem Gericht.

Es ließen sich viele weitere Beispiel dafür finden – innerhalb und außerhalb der Zoowelt. So entstehen urbane Mythen, aber eben nicht nur zum Elefantenhaken, sondern auch zur Meerwasser-Aquaristik, zum Kutschenfahren und vielen anderen Themen. Dadurch werden plötzlich aus wichtigen Tools, scheinbar böse Mittel. Daher ist es gar nicht unwichtig, sich hin und wieder Hitchens’ Rasiermesser bewusst zu machen. Sowohl als Rezipient, als auch als Kommunikator.

Rasiermesser wird Bumerang

Schimpanse in Uganda | Foto: Rod Waddington, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die Idee also von Zoos und Aquarien zu verlangen, zu jeder aus der Luft gegriffenen Anschuldigung nicht nur Gegenrede, sondern auch gleich ein Zahl von Forschungsergebnissen präsentieren zu können, ist schlicht unfair. Man kann diese Anschuldigungen ohne Beleg – in Bezug auf das lateinische Sprichwort – einfach “gratis” verwerfen ohne dafür selbst einen Beleg anzubieten. Natürlich macht es aber dann in einem zweiten Schritt Sinn, mit Belegen gegen die Anschuldigungen vorzugehen.

Daher ist auch die Unschuldsvermutung so wichtig. Eine zentrale Grausamkeit der Medienkampagne gegen den Erlebnis-Zoo Hannover war die Vorverurteilung. Die war von PETA gewünscht und wurde von zahlreichen, unkritischen Medienvertretern einfach so wiederholt. Sowas erlebte man nicht nur in Hannover, sondern viele Tierhalter wurden bereits so übel behandelt, weil Medien Grundregeln der Logik missachteten.

Umso wichtiger ist es immer wieder auch auf den Mangel an echten Beweisen bei den Tierrechtskampagnen aufmerksam zu machen. Das gilt zum Beispiel auch bei den Zootieren häufig angedichteten Stereotypien. Die stellt man nicht anhand von ein paar Sekunden Hobbyfilmerei fest, sondern eben durch ordentliche Diagnose auf Basis wochenlanger Beobachtung der Tiere. Oft gehen Tierhalter sehr schnell in einen alleinigen Verteidigungsmodus, wer aber schäbige und eigennützige Pseudo-Beweise vorlegt, ist hingegen selbst massiv angreifbar. Das wird oft vergessen. Besonders hart trifft Hitchens’ Rasiermesser dann natürlich solche Zoogegner, die nebenbei noch eine massiv atheistische Agenda verfolgen.

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