Lolita, auch Toki oder Tokitae genannt, im Miami Seaquarium in Florida | Foto: Katie Mortus (Orzechowski), Lizenz: Erlaubnis der Fotografin

Lolita: Uneinigkeit zwischen Miami Seaquarium und Indianapolis Colts

Exklusiv für zoos.media – 16.04.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

Soll Lolita, auch Tokitae oder Toki genannt, nun “ausgewildert” werden oder nicht? Offenbar haben das Miami Seaquarium und der Finanzier des Projekts, James Irsay, Besitzer von Indianapolis Colts, doch nicht die gleichen Ziele.

Lolita: Uneinigkeit zwischen Miami Seaquarium und Indianapolis Colts

Von der demonstrativen Einigkeit von Teilen der Tierrechtsindustrie und dem Miami Seaquarium bei der verheerenden Pressekonferenz ist wenig geblieben. Als der von Experten heftig kritisierte Plan, Lolita in einen Netzkäfig bringen, präsentiert wurde, schien die Dolphin Company, also der neue Besitzer des Miami Seaquariums, sich mit den Aktivisten und dem beigeschafften Finanzier sehr einig. Gemeinschaftlich wurden lebensgefährliche Gefahren, ein geriatrisches Tier dorthin zu fliegen, wo einer der am meisten durch Umweltverschmutzung vergifteten Meeressäuger-Populationen lebt, ignoriert. Solcherlei Einigkeit scheint mehr und mehr zu schwinden. Wie viel ist davon überhaupt noch übrig? Dieser Artikel schaut auf das aktuelle Zerwürfnis.

“Lolita wird hinaus in den Ozean schwimmen”

Stein des Anstoßes ist ein Posting von James Irsay.

Hier skizziert er den Plan, der sich auch immer wieder in den Medien findet. Er beinhaltet das Hirngespinst, man könnte die steinalte Orca-Oma einfach in einen Netzkäfig verbringen und die durch die dortige Umweltverschmutzung massive Wasserqualitätsverschlechterung machen ihr auf magische Weise nichts aus. Ebenso scheint man zu denken, man könnte ihr selbstständige Fischversorgung beibringen, was vorher mit einem Orca, der so lange in Menschenobhut war, noch nie funktioniert hat. Darüber hinaus gibt man sich der fragwürdigen Vorstellung hin, man dann einfach einfach die Türen des Käfigs öffnen, sie schwimmt mit einem Orca, der – nach allem, was wir wissen – nicht ihre Mutter ist und macht auf Happy Family.

“Wir ziehen die Option nicht einmal in Betracht”

Das Problem: Das war so vom Miami Seaquarium nie vorgesehen. Daher antwortet Eduardo Albor, CEO der Dolphin Company, auf den Tweet mit sehr klaren Worten:

In einem weiteren Thread, der ebenfalls eine Antwort auf den Tweet ist, führt Albor weiter aus und spricht von einem Risiko für Lolita und die anderen Schwertwale vor Ort. Das liegt vor allem daran, weil Lolita zwar aus der Population stammt, aber sich beide Parteien über viele Jahrzehnte unabhängig voneinander entwickelt haben. So ist Lolitas Immunsystem gar nicht auf die Umweltverschmutzung ausgelegt. Sie ist sauberes, gesundes Wasser gewohnt. Dazu ist sie alt und krank, wie das bei solchen Methusalems gar nicht unüblich ist. Die Frage ist dabei auch, ob die Krankheiten eventuell übertragbar sind. Daher besteht eine nicht wegdiskutierbare Gefahr.

Miami Seaquariums will Kommunikationshoheit

Lolita hat eine tiefe Verbindung voll Liebe und Respekt mit ihren Trainern. | Foto: Katie Mortus (Orzechowski), Lizenz: Erlaubnis der Fotografin

Albor betont, dass die einzigen offiziellen Informationen vom Miami Seaquarium selbst kommen müssten. Dabei kann man den Eindruck gewinnen, dass er gar nicht mehr Herr im eigenen Haus ist. Die bei der Pressekonferenz vorgespielte Einigkeit scheint es nicht mal im Ansatz zu geben, wenn man sich nicht mal darüber einig ist, was man mit dem Tier letztendlich machen möchte. Was von dem gemeinsamen Plan als einzige Gemeinsamkeit zu bleiben scheint, ist, dass sie in den Netzkäfig kommen soll. Viel common ground ist das nicht. Ob das genug für so ein großes Projekt ist, darf bezweifelt werden.

Ebenso stellt sich die Frage, was man dann den Behörden vorschlagen will. Bisher ist nämlich kein Bestandteil dieses medial fleißig vermarkteten Plan überhaupt bewilligt. Wird man andersherum dem Vorschlag, den das Miami Seaquarium zu formulieren hat, dann überhaupt trauen können? Wenn die Tierrechtsindustrie Lolita einmal in seiner Gewalt hat, sind die Einflussmöglichkeiten für das Miami Seaquarium sehr gering. Dann bringt auch keine Kommunikationshoheit mehr irgendetwas. Schon im Keiko-Projekt wurde gegen Rat ursprünglich selbst eingekaufter Experten, wie Mark Simmons, seitens der Tierrechtler Tatsachen geschaffen, die letztendlich zum Tod des Tieres führten.

Desaster für Dolphin Company

Delfinarium im Miami Seaquarium | Foto: Pietro, Lizenz: CC BY-SA 3.0

So langsam wird der Plan, mit dem die Dolphin Company mutmaßlich nach Komplimenten fischen wollte, während sie den hohen Kostenpunkt für sich beseitigt, zum absoluten Desaster. Gut läuft es jedenfalls nicht. Frühere und aktuelle Trainer, Veterinäre und Pfleger haben sich zuerst unter #truth4toki, dann in einer Facebook-Gruppe und schließlich in einem Multi-Plattform-Projekt mit Fans und weiteren Freunden von Lolita, die auch Toki genannt wird, zusammengefunden und sorgen für Aufsehen. Sowohl auf Social Media, als auch in den klassischen Medien. Dazu kritisieren Branchengrößen, wie Dr. Grey Stafford, Dr. Jason Bruck sowie andere gewichtige Stimmen das Projekt auf Basis ihrer weltweit anerkannten Expertise.

Dazu kommen nun diese öffentlichen Unstimmigkeiten sowie Vorwürfe der schlechten Versorgung der Delfine auf Basis eines Berichts einer behördlichen Überprüfung. Man kann fast nicht mehr sagen, dass die Dolphin Company auf dem Kurs in Richtung eines Eisbergs ist – das Schiff ist bereits gegen den Eisberg gerammt und nun muss man sich eher um die Rettungsbote für die Passagiere kümmern. Seit der Übernahme des Miami Seaquariums ist das Unternehmen in den USA teils berechtigter und teils unberechtigter Kritik ausgesetzt.

Dass Lolita in dieser Anlage, die zwar eine gute Seniorenresidenz für sie, aber keine moderne Anlage darstellt, lebt, ist weder ein Fehler der Dolphin Company, noch des Vorbesitzers. Man hat versucht, modernere Installationen zu bauen, aber es wurde nicht bewilligt. Das liegt auch daran, dass bei solchen Projekten natürlich immer die Politik ihr Wörtchen mitreden will. Versuche, ihre Haltung zu verbessern, scheiterten nicht am Willen des Vorbesitzers, sondern an dem Willen der Politik, die sich massiv hat von der Tierrechtsindustrie beeinflussen lassen, die nötigen Genehmigungen nicht zu erteilen. Das kann man Haltern nicht sinnvollerweise zum Vorwurf machen.

Fehlerbewusstsein bei der Dolphin Company?

Lolita genießt einen Massagestrahl und die Nähe eines Weißseitendelfins. | Foto: Katie Mortus (Orzechowski), Lizenz: Erlaubnis der Fotografin

Durch die Fraternisierung mit der Tierrechtsindustrie, um Lolita in den Netzkäfig zu bringen, hat das Miami Seaquarium den sprichwörtlichen Bock zum Gärtner gemacht. Ob ihr nun langsam dämmert, mit wem sie sich da wirklich eingelassen hat? Der Opportunismus gegenüber der Tierrechtsindustrie ist in der USA auch in der Zoowelt ein riesiges Problem. Er folgt dem Irrglauben aus der Tierrechtsindustrie einen Verbündeten machen zu können, wenn man ihr nur ein paar Zugeständnisse mache.

Daher ist dieser Vorgang ein Lehrstück, warum genau das nicht funktioniert. Die Dolphin Company hat – sicher auch nicht uneigennützig, weil Lolita die Kasse schwer belastet und man sie so los wird – das Zugeständnis gemacht, sie in die Netzkäfig-Haltung der Aktivisten zu verbringen. Nun wollen die Aktivisten aber immer weiter gehen und wenn einmal der Fuß in der Tür steckt, ist es schwer, wie Tür wieder zu schließen.

Daher könnte Albor dieser Fehler nun bewusst werden. Allerdings scheint er sich noch einreden zu wollen, dass es sich nur um ein Missverständnis handele. Ob das so ist, lässt sich nicht klären. Vielmehr wirkt das Posting so, als sei sich Irsay diesbezüglich sehr sicher. Es wird zu beobachten sein, wie viele solcher Missverständnisse es noch geben wird bis hoffentlich rechtzeitig die Reißleine für dieses tödliche Projekt gezogen wird.

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