Ein Bild aus besseren Zeiten: Auge in Auge mit einem Orcas - das war im Marineland Antibes möglich. | Foto: avu-edm, Lizenz: CC BY 3.0

Marineland Antibes: Klare Worte in Offenem Brief

Exklusiv für zoos.media – 23.10.2025. Autor: Philipp J. Kroiß

Politische Willkür in Frankreich? In einem Offenen Brief demaskiert das Marineland Antibes das zuständige Ministerium in Frankreich. Gleichzeitig zeigt es Lösungsoptionen auf. Es gibt Hoffnung für die Orcas und Großen Tümmler.

Orca im Marineland Antibes (2009) | Foto: avu-edm, Lizenz: CC BY 3.0

Marineland Antibes: Klare Worte in Offenem Brief

Millionen von Menschen auf der ganzen Welt nehmen Anteil am Schicksal der Delfine im geschlossene Marienland Antibes. Leider werden viele von Medien, der Tierrechtsindustrie und Pseudo-Tierschützern falsch informiert. Das Marineland Antibes hat in einem Offenen Brief nun für Transparenz gesorgt. Dabei wird klar, woran es wirklich liegt, dass die Orcas und Großen Tümmler in dieser Situation sind.

Marineland unterbreitete sechs(!) Lösungsvorschläge

Orca-Show im Jahr 2013: Die fünf Orcas des Marineland Antibes starten zum Sprung. | Foto: Andreas Ahrens, Lizenz: CC BY 2.0

Allein seit Ende 2021 hatte das Marineland Antibes sechs Mal versucht die Tiere woanders unterzubringen. Sechs Versuche – davon fünf innerhalb der Europäischen Union – scheiterten an der französischen Regierung. Rationale Gründe habe es dafür nicht gegeben, so das Marineland. Die Entscheidungen hätten eindeutig das Leben der Tiere gefährdet. Das drückt das Marineland Antibes auch klar aus: „Die Tiere werden offensichtlich in einem rein politischen Kampf als Geiseln gehalten.“

In dem Zusammenhang wird auch die Europäische Vereinigung für Meeressäugetiere (EAAM) zitiert. Sie hatte für die „prekäre und potenziell gefährliche Situation“ der Delfine „politische Unentschlossenheit, mangelnde wissenschaftliche Beratung und jahrelange fehlgeleitete Kampagnen, die auf Fehlinformationen, emotionaler Manipulation und nötigendem Lobbyismus basierten“ als Grund genannt.

Das Marineland habe alles in seiner Macht stehende getan, um die Deadline für den 01.12.2026 einzuhalten. Alle angebotenen Lösungen wären in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben gewesen, aber „systematisch“ vom Ministerium für Ökologischen Wandel (MTE) blockiert worden. Es würde sich weigern „das Wohl und die Versorgung der Cetaceen vor allen Überlegungen“ anzustellen.

Wirres Ministerium?

Orca vor der „Ocean Encounter“-Kulisse in SeaWorld San Diego | Foto: Noah Wulf, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Schon 2021 brachte das Marineland Antibes ein Team aus führenden Experten zusammen, um über die Zukunft der Wale zu beratschlagen. Ein Vorschlag für die Tiere war das vielfach akkreditierte Kobe Suma Sea World (KSSW). Das gehört – trotz des ähnlichen Namens – nicht zum SeaWorld-Konzern aus den USA. Es ist Mitglied in zahlreichen Zooverbänden, die sich auch zum Beispiel gegen die Treibjagd in Taiji stark machen, in denen auch das Marienland Antibes selbst Mitglied ist. Diese Mitglieder erfüllen weit höhere Standards als sie gesetzlich vorgeschrieben sind – in Frankreich, Japan und anderen Ländern.

Als dann 2024 der Transport anstand, wurde er vom MTE im November gestoppt. Der angebliche Grund war, dass die Transportzeit zu lang gewesen wäre. Tatsächlich aber wäre die Zeit für den Transport kürzer gewesen als die noch im Juni des gleichen Jahres vom selben Ministerium vorgeschriebene Maximalzeit von 24 Stunden. Die Absage passierte ohne Konsultation von Experten mit Erfahrung in der Orca-Haltung und letztlich somit wohl auch ohne echte Grundlage. Die Tiere mussten also bleiben.

Anschließend gab das MTE gegenüber dem Marineland an, nur einen Transport in Institutionen innerhalb der Europäischen Union (EU) bewilligen zu wollen. Dann aber kam der Vorschlag seitens des Ministeriums, die Tiere doch nach SeaWorld San Diego zu bringen. Das wiederum gehört zum SeaWord-Konzern in den USA. Dementsprechend ist es nicht in der EU. Zudem wäre es eine ähnliche Transport-Dauer wie nach Japan gewesen, die dem Ministerium doch mal viel zu lang war.

Tiere sollen in den Loro Parque

Orca bei der Show im Loro Parque – hierbei werden unterhaltsame mit lehrreichen Elementen gemischt. | Foto: zoos.media

So kam dann die Idee auf, dass das Marineland Antibes die Orcas im Loro Parque unterbringen wollte. Den beschreibt der französische Zoo als „einen der besten der Welt“. Er ist ebenfalls zahlreich akkreditiert, was das Marineland auch erwähnt, und hat ebenso Zertifizierungen und Auszeichnungen international wie national. Zudem habe der Zoo auf Teneriffa bereits 7 Orcas gehalten, aber zu dem Zeitpunkt nur noch 4 gehabt. Daher sei das Marineland davon ausgegangen, dass die Tiere – bereits in einer „Notfall“-Situation – ohne Widerstände der Behörden aufgenommen würden.

Alles, was Frankreich bei der Anfrage an die spanischen Behörden hätte tun müssen, wäre die Dringlichkeit auch den spanischen Behörden zu kommunizieren. Man habe die Regierung dazu aufgefordert und den Notfall auch nachgewiesen. Allerdings hat die spanische CITES-Wissenschaftsbehörde den ersten Versuch die Tiere zu transportieren, abgelehnt. Niemand weiß so wirklich warum. Die Gründe für die Ablehnung sind nicht öffentlich. Der Loro Parque hat inzwischen Klage auf Basis des Umweltinformationsgesetzes von Spanien eingereicht, um die Gründe zu erfahren.

Die Ablehnung liegt aktuell im Nebel der behördlichen Intransparenz. Hat die französische Regierung einmal mehr versagt, die Situation der Tiere richtig einzuschätzen und die Dringlichkeit des Transports als Notfall gegenüber der spanischen Behörde nicht klar gemacht? Hat die spanische Behörde versagt? Das lässt sich aktuell nicht nachvollziehen, weil die fatal falsche Entscheidung, die Tiere nicht zu transportieren, nicht öffentlich ist.

Situation ist ernst

Springende Schwertwale in Marineland Antibes | Foto: Andreas Ahrens, Lizenz: CC BY 2.0

Aber nicht nur für die Tiere sei die Situation angespannt, sondern auch für das Team, das die Tiere weiterhin versorgt, erklärt das Marineland Antibes. Dort geht man davon aus, dass die Regierung von Frankreich die Notfall-Situation Spanien gegenüber nicht klar genug gemacht habe. Dies sei auch noch immer nicht geschehen. Erneut wird die EAAM zitiert, wo man sich beschwert, dass der politische Druck zugenommen habe ohne die Meinung von Experten zu inkludieren. Dadurch sei das Vertrauen systematisch erodiert worden.

Jetzt liege es in der Verantwortung des MTE zu erklären, warum es die existierenden und praktikablen Lösungen für die Tiere blockiere und keine Verantwortung für den Schaden an den Tieren und auch den Menschen, die die Tiere versorgen, übernehmen wolle. Eine fortgesetzte Hängepartie, so entnimmt man dem Offenen Brief, wäre für beide problematisch.

Bereits zuvor hatte zoos.media darüber berichtet, dass Wikie unter den Nebenwirkungen von Regumate leiden würde. Die Menschen im Marineland sind gezwungen, dem Tier dieses Medikament zu verabreichen, um Inzucht mit ihren Sohn Keijo zu verhindern. Regumate ist nie für Langzeit-Anwendung entwickelt worden. Sie zeigt jetzt schon maligne Nebenwirkungen. Wie viel Zeit sie noch hat, weiß keiner. Keijo wiederum muss stimuliert werden, weil man nicht zulassen kann, dass er mit seiner Mutter Nachkommen zeugt und an ihr sexuelle Frustration auslässt.

Bei den Großen Tümmlern sieht es nicht besser aus

Großer Tümmler im Marineland Antibes schaut aufgeweckt und interessiert Besucher an. | Foto: avu-edm, Lizenz: CC BY 3.0

Atlantische Großtümmler aus dem Marineland Antibes könnten schon längst in Selwo Aventura (Malaga) leben. Es gehört zur selben Gruppe – Parques Reunidos – wie das Marineland selbst. Somit erfüllt es die selben Standards. Zudem ist es entsprechend von verschiedenen Verbänden akkreditiert. Diesem Transport wiederum habe die spanische CITES-Wissenschaftsbehörde sogar zugestimmt. Auch hier aber bremse die französische Seite, obgleich es sich auch um einen Notfall handele.

Die übrigen Großen Tümmler aus dem Marineland sollten ins Oceanogràfic València. Auch das Aquarium gehört zur selben Gruppe, ist zahlreich akkreditiert und dazu auch international im Tierschutz drittparteilich zertifiziert. Bei diesem Vorgang sei sogar gänzlich unklar, schreibt das Marineland Antibes, ob die Französische Regierung überhaupt schon in Spanien nachgefragt hat, um eine Genehmigung für den Transport zu organisieren.

Nach Darstellung vom Marineland Antibes blockiert die Regierung von Frankreich wo sie nur kann. Sie scheint – entgegen dem Interesse der Tiere – die Delfine um jeden Preis im Land halten zu wollen. Dabei setzt sie wie selbstverständlich darauf, dass das Marineland und ihre Angestellten dieses Zögern weiter ermöglichen. Der Park ist zwar geschlossen, aber die Tiere brauchen immer noch den gleichen Aufwand bei der Pflege. Der ist teuer. Ohne Einnahmen ist so eine Haltung schlicht nicht stemmbar.

Darf Frankreich das überhaupt?

EU-Fahnen vor dem Sitz der Europäischen Kommission | Foto: Amio Cajander, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Im Offenen Brief gibt es zum Ende hin eine Passage, die infrage stellt, ob das überhaupt rechtlich haltbar ist, was die französische Regierung macht. Delfine, die in der EU in Menschenobhut geboren und aufgewachsen wären, befänden sich dem Prinzip der Freizügigkeit unterworfen. Das würde in den ganzen Vorgängen in Frankreich nicht respektiert, findet das Marineland Antibes. Daher verstehe man die ausbleibende Finalisierung der Transporte nicht.

Somit sieht der geschlossene Zoo erst recht seine Tiere als Geiseln der französischen Politik. Er betont, dass ja auch bereits in Parlamentsdebatten klar geworden wäre, das ein „Sanctuary“, wie die Tierrechtsindustrie ihre nicht tiergerechten Netzkäfig-Haltungen euphemistisch bezeichnet, nicht umsetzbar wäre. Dieses tote Pferd, scheint das MTE samt Ministerin, wenn man sich gewisse Äußerungen dieser anschaut, aber wohl lieber weiter reiten zu wollen.

Wenn das Marineland Antibes der französischen Regierung nachweisen könnte, dass sie gegen EU-Recht verstößt, wäre das weiter destabilisierend für die aktuell ohnehin wackelige Regierung im Land. Dazu könnte es ein Verfahren nach sich ziehen, an dessen Ende für das Land hohe Kosten entstehen könnten. Das wiederum könnte zum Beispiel ein starkes Argument für ein Misstrauensvotum gegen die französische Regierung sein. Aufgrund der angeschlagenen Staatsfinanzen befindet sich das Land ohnehin in einem Defizitverfahren wegen der hohen Verschuldung.

Wale als Geiseln der Regierung: Wie lange noch?

Beluga Priscilla wird im Marineland Ontario (Kanada) gefüttert (2007). | Foto: Fabiano Rebeque, Lizenz: public domain

Das Marineland Antibes schließt seinen Offenen Brief mit einem Appell zur Aufgabe der Blockadehaltung seitens des Ministeriums. Dieser Brief ist klar und stark genug formuliert, um das MTE richtig unter Druck zu setzen. Das offene Sinnieren über EU-Recht ist ein deutliches Zeichen. Nach der spanischen CITES-Behörde könnte es nun auch für das französische Ministerium juristisch eng werden. Das Marineland Antibes wirkt entschlossen, für seine Tiere und Angestellten zu kämpfen.

Auf der anderen Seite dieses Konflikts steht eine wohl von der Tierrechtsindustrie vereinnahmte Politik. Wenn man sich fragt, wie es so weit kommen konnte, kann man aber auch die Zooverbände nicht schonen. Das ist auch ein Ergebnis von Ignoranz in diesen Verbänden. Hätten sich diese geschlossen und entschlossen der Industrie entgegengestellt, wäre es wohl nie so weit gekommen. Im Brief kann das Marineland nur die EAAM zitieren. Entsprechend starke Unterstützung von etwa EAZA und WAZA bleibt aus.

Der Kardinalsfehler der Zooverbände, die Cetaceen-Halter unter ihren Mitglieder seit Jahren allein zu lassen, hat diese Geiselnahme erst ermöglicht. Wenn die immer so weiter machen, wird das auch anderen Arten passieren. Dann wird man das etwa mit Elefanten, Schimpansen und Eisbären erleben. Die Salami-Taktik der Tierrechtsindustrie geht dann immer weiter auf. Der Lobbyismus dieser Industrie ist weit stärker als der der Zooverbände. Das sieht man in Frankreich klar. Auch in Kanada ist es offensichtlich.

Kompromiss in Aussicht?

Trainerin und Orca haben Freude an der gemeinsamen Interaktion im Marineland Antibes. | Foto: avu-edm, Lizenz: CC BY 3.0

Was bei Verbandsfunktionären im In- und Ausland noch nicht ganz ankommen ist, ist der Umstand, dass es keinen Kompromiss mit der Tierrechtsindustrie geben wird und geben kann. Die Tierrechtsideologie besteht auf das Ende der Tierhaltung. Tierhaltung aber rettet Arten. Das macht die Ideologie zum natürlichen Feind vom Natur- und Artenschutz. Die Idee eines common ground, die auch die Politik der Addition prägt, ist damit ausgeschlossen.

Es wird also keinen Kompromiss geben können. Wie auch? Entweder überlebt die Tierhaltung oder die Tierrechtsindustrie. Gerade Zooverbände tun sich schwer diese Realität zu akzeptieren. Das meiste entscheidet sich bereits jetzt bei den Cetaceen. Das sieht man auch in Kanada. Kaum war die Walhaltung terminiert, ging es schon um die nächsten Haltungen. Jedes weitere Verbot wird umso einfacher werden.

Das ist für die tonangebenden, meist betagten Verbandsfunktionäre, die eine Berentung schon in naher Zukunft sehen können, nicht wirklich gefährdend. Entscheidend wird es aber für die jungen Menschen sein, die gerade in Karrieren im Bereich Natur- und Artenschutz starten oder starten wollen. Gibt es für sie in Europa und Nordamerika eine realistische Zukunft? Wenn die Verbände nicht langsam den Kampf um ihre eigene Existenz und das Überleben der Tiere, die ihnen anvertraut sind, aufnehmen, sieht es düster aus.

Funken Hoffnung

Orca-„Kuss“ im Marineland Antibes 2010 | Foto: Axou, Lizenz: CC BY-SA 1.0

Das Marineland Antibes will für seine Tiere kämpfen. Der Loro Parque setzt sich derweil für Transparenz in der Frage ein. Die EAAM unterstützt wortstark. Das sind die Zeichen der Hoffnung für die Delfine in Not. Wird es genug sein? Das kann niemand wissen. Immerhin werden sich diese Zoos und Verbände aber im Nachhinein nicht vorwerfen lassen müssen, nicht alles getan zu haben. Sie zeigen, dass ihnen nicht nur das Überleben, sondern auch das Wohl der Tiere am Herzen liegen.

Zuerst die juristische Aktion und nun das Offene Brief sind starke Zeichen. Sie bringen die Delfine einen Schritt näher hin zu einer Zukunft. Man darf sich politische Willkür und lügenbehafteten Lobbyismus nicht gefallen lassen. Ein Zoo muss für seine Tiere und ihre Zukunft kämpfen. Tut er das nicht, ist er kein moderner Zoo. Das Leben der Cetaceen in Frankreich hängt am seidenen Faden. Wer untätig bleibt, macht sich schuldig.

Wikie und Keijo, die Großen Tümmler sowie die für sie streitenden Zoos und Aquarien sind aber nicht allein. Millionen Menschen auf der ganzen Welt nehmen Anteil. Sie drücken die Daumen. Sie hoffen, dass die Wale bald in den für sie als beste Option ausgewählten Institutionen schwimmen können. Auch diese Menschen mehren die Hoffnung für die Tiere. Erneut sind es also zoologische Institutionen, die Menschen zusammenbringen, um Tieren das Leben zu retten. Das gibt Hoffnung.

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