Pazifisches Walross im Oceanogràfic in Valencia | Foto: Javier Yaya Tur (CAC, S. A.), Lizenz: CC BY 2.0

Zoos: Odysso-Beitrag wirft Fragen auf

Exklusiv für zoos.media – 09.11.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Das SWR-Magazin Odysso beschäftigte sich mit Zoos – leider sehr defizitär wie dieser Artikel nachweist.

Odysso-Beitrag wirft Fragen auf

Greifstachler | Foto: Eric Kilby, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Jahrelang war man gewohnt, dass verschiedene Formate im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht fair über Zoos berichtet haben – außer vielleicht, wenn es mal süße Tierbabys gab, auf die man dann die Kamera hielt und als einzigen Inhalt die Putzigkeit thematisiert, während man die immense Bedeutung für den Natur- und Artenschutz ignorierte. Einen traurigen Höhepunkt dieser Art der Berichterstattung gab es dann, als ein manipuliertes Video der Tierrechtsorganisation PETA zum Thema Elefantenhaltung als Wahrheit propagiert wurde – Todesdrohungen für unschuldige Verantwortliche waren die Folge.

In den letzten Monaten änderte sich diese fragwürdige Behandlung der Zoos und Aquarien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zumindest etwas. Ein positiv hervorzuhebender Höhepunkt war die Berichterstattung des WDR-Formats “Quarks” im TV, der dann sogleich allerdings durch sinnfreie Berichterstattung des selben Senders im Radio und im Online-Format “Tabula Rasa” getrübt wurde. So etwas ist enttäuschend, ignoriert es doch die Wichtigkeit, die einer seriösen Berichterstattung gerade in diesen Zeiten zukommt. Für viele Artenschutz-Zentren geht es aktuell um nichts weniger als ihre Existenz.

Unterschwellige Abneigung

Numbat im Perth Zoo – Zoos spielen eine wichtige Rolle im Schutzprogramm für diese Art. | Foto: Helenabella, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die Berichterstattung des SWR-Magazins “Odysso” vom 29.10.2020 geht einen sehr fragwürdigen Weg. Man lässt zwar Zoos und Aquarien zu Wort kommen, aber die gesamte Stimmung, ob in der Moderation, der Off-Stimme oder der Art wie geschnitten wurde, ist komplett negativ und fast bedrückend. Dann tut man auch noch so, als seien die fragwürdigen Thesen des Geografen James Brückner, der – aus welchen Gründen auch immer – Abteilungsleiter für Arten- und Naturschutz beim Deutschen Tierschutzbund ist, gleichwertig mit Aussagen ausgewiesener und renommierter Experten.

Es ist schon etwas frustrierend zu sehen wie Zoos und Aquarien relevante Forschungsergebnisse produzieren und die dann als völlig unspektakulär dargestellt werden, ganz so, als sein es nur die Erkenntnis, dass ein Stein wieder runterfällt, wenn man ihn hochwirft. Was am Ende beim Zuschauer hängen bliebt, ist: “Joa, Zoos forschen halt …” Dass es aber die Forschung ist, die die Basis von allem darstellt, was wir Tier-, Natur- und Artenschutz nennen, wird überhaupt nicht großartig eingeordnet.

Das Team vom “Wissenschafts-Fernsehmagazin des SWR Fernsehens”, wie Wikipedia das Format beschreibt, scheint auch gar nicht die Bedeutung solcher Wissenschaft einordnen zu wollen. Man berichtet über Grundlagenforschung als wäre das nichts wert, in dem man einen für solche Fragen nicht relevanten und praxisfremden NGO-Mitarbeiter alles runtermachen lässt, was gesagt wird, ohne wiederum den echten Experten die Chance einräumen, diese kruden Thesen, die er im Namen des Tierschutzbundes vertritt, zu widerlegen.

Schlechte Einordnung

Rothschild-Giraffen im Zoo Olomouc – die Art ist bedroht und wird von Zoos erhalten, erforscht und geschützt. | Foto: Korinek, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Besonders fragwürdig wird es dann, wenn der Moderator nicht nur mit dem Engagement eines Telekolleg-Dozenten, dann auch noch die Forschungsarbeit schmälert, in dem er behauptet, dass bei 70 Mitgliedszoos im VdZ ja nur um die 100 Studien im Jahr entstünden. Das bedeutet allerdings, dass rund alle 3,5 Tage je eine Studie rauskommt. Wenn man bedenkt, dass das neben Edukation und Artenschutz passiert, und dass solche Studien Monate bis Jahre benötigen, kann nur ein eher wissenschaftsfremder Mensch behaupten, dass das wenig wäre.

Von seriöser Berichterstattung ist man in dieser Sendung, die sich elendig zieht wie Kaugummi und völlig lustlos gemacht ist, weit entfernt. Vermutlich versucht man durch den pseudoneutral-zähflüssigen Habitus eine Art Seriosität vorzugaukeln, die nicht vorhanden ist. Stattdessen kratzt man nur an Oberflächen, ordnet nicht richtig ein, und klaubt sich O-Töne irgendwie so zusammen, dass es in dieses nebulös-düstere Bild passt, das man vermitteln will.

Da, wo man dann kritisch hätte sein können, bleibt man aber oberflächlich. Das hat zum Beispiel mit der “Natürlichkeit” der Gehege-Gestaltung zu tun. Hier dreht man schnell in die platte Kritik ab, dass es ja alles nur für die Besucher wäre und ignoriert dabei eigentlich, dass Edukation der Besucher ja eine zentrale Säule moderner Zoos ist. Diese Art von natürlichem “Kulissenbau” in Zoos hat ja eben diesen vor allem edukativen Sinn. Immersive Installationen – die die Zoobesucher für die Schönheit und den Schutzbedarf der immer weniger vorhandenen natürlichen Lebensräume und ihrer Tier- und Pflanzenwelt sensibilisieren können – funktionieren auf der Bildungsebene – das wird ignoriert.

Keine fundierte Kritik

Im Tierpark Hagenbeck leben Elefanten hervorragend versorgt in freiem Kontakt. | Foto: An-d, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Dann an einer Stelle, bei der man den Europäischen Zooverband EAZA wegen der undifferenzierten Entscheidung für eine generelle Protected-Contact-Haltung bei Elefanten mal wirklich hätte kritisch hinterfragen können, verpasst man diese Chance. Man hätte mal einen Blick in die USA werfen können, wo diese Entscheidung etwa schädlich für die Zoogemeinschaft war, man hätte sich vergleichende Studien anschauen können, in denen sogar touristisch genutzte Vollkontakthaltungen in Asien besser abschnitten als eben Protected-Contact-Haltungen etwa in den Staaten oder Großbritannien.

Dann hätte man richtig eintauchen können in solche echten Tierwohl-Fragestellungen. Der Umgang mit Elefanten ist nämlich so eine. Dahinter, wie auch bei der Gestaltung der Gehege, steckt nämlich ein gewisser ideologischer Vorbehalt und eine zentrale Frage: darf unsere Ideologie wirklich die Tierhaltung beeinflussen oder sollten nicht die echten Bedürfnisse der Tiere in Menschenobhut im Vordergrund stehen und eben nicht die, die wir durch eine unglückliche Vermenschlichung der Tiere in sie hinein interpretieren ohne jeden objektiven Beleg? Es gibt ja viele, die geschützten Kontakt “schöner” finden, was ja auch okay ist, aber wie sehr darf so eine Ästhetik die Tierhaltung beeinflussen?

Es ist hinlänglich bekannt, dass es in geschütztem wie freiem Kontakt möglich ist, Elefanten hervorragend gut und zu ihrem Vorteil zu halten, aber es ist in beiden Kontaktformen auch möglich, sie sehr schlecht und zu ihrem Nachteil zu halten. Für alles gibt es Beispiele – wie kann man dann auf Basis einer Ideologie und Ästhetik als Verband die Idee vertreten, dass die eine dieser Formen generell besser wäre?

Dazu käme dann noch die Tierschutz-Fragestellung, wie man mit Zirkuselefanten zukünftig umgehen soll, wenn ein Zirkus sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr halten kann. Mutet man ihm dann zu der Trennung seiner Familie auch noch eine stressige und nicht immer gelingende Kontaktumstellung zu? Warum mischt sich ein Verein in Entscheidungen ein, die Experten, die vor Ort mit den Tieren arbeiten, viel besser beurteilen können und das seit Jahrzehnten auch tun?

Das sind Fragen, die geklärt werden müssen und als Berichtender muss man dafür nicht mal Antworten haben oder sich einer Seite zugehörig fühlen, um sie aufzuwerfen und zu diskutierten. Das ist eben auch Wissenschaft und man könnte diese Leistung von einem Wissenschaftsmagazin durchaus erwarten, wenn es darum geht, fundierte Kritik aufzuwerfen. Das gelingt “Odysso” aber nicht, weil sie längst eine Seite gewählt zu haben scheinen. So scheitert man am eigenen Anspruch – aber nicht nur daran.

Scheitern an Fakten

Pazifisches Walross im Oceanogràfic in Valencia | Foto: Javier Yaya Tur (CAC, S. A.), Lizenz: CC BY 2.0

Besonders kurios wird es dann, wenn es um die Walrosse geht. Das man von einer “wenig artgerechten Indoor-Haltung in Spanien” spricht und damit die hervorragende Unterbringung der Tiere im Oceanográfic Valencia meint, ist schon mal eine mittelprächtige Frechheit. Natürlich zeigt man auch diese angeblich suboptimale Haltung nicht, weil man sich das gar nicht erlauben kann, denn dann würde dieses negative Narrativ brechen.

Besonders realitätsfremd wird es aber dann, wenn man in einem Schaubild so tut, als gäbe es nur noch drei Walrosshalter im Raum des EAZA-Zuchtprojekts. Im EAZA-Raum gibt es, laut Zootierliste, aber fünfzehn Halter von Pazifischen Walrossen. Zu den drei genannten Haltungen kommen nämlich noch 11 in Russland und eine in der Ukraine. Ebenso wird der lange Transport dieser Tiere als quasi kaum überwindbare Hürde dargestellt, obgleich es das sehr wohl in der Vergangenheit gab. Hamburg hat etwa Tiere aus Moskau bekommen.

Zudem sind es ja Pazifische Walrosse – irgendwie müssen die also vom Pazifik in Europäische Breitengrade gelangt sein. Ebenso sind moderne Möglichkeiten ja auch gegeben: man kann in solchen Fällen auch einfach nur das Genmaterial reisen lassen und dann eine Walrosskuh entsprechend künstlich inseminieren. Hier jetzt so zu tun, als wäre da Inzucht am Horizont des angeblich scheiternden Zuchtprojektes, ist schon sehr wirklichkeitsfremd.

Statt aber alle diese mutmachenden Tatsachen zu erwähnen, desinformiert man den Zuschauer dreist, der das in Sekunden mit Blick auf leicht zugänglichen Quellen, wie etwa der Zootierliste, widerlegen kann. “Odysso” spielt aber genau darauf, dass die Rabulistik der Berichterstattung wirkt und dass keiner mal nachschaut, ob das wirklich stimmt. Letztendlich hat das Magazin aber durch so eine defizitäre Berichterstattung nur die eigene Glaubwürdigkeit massiv untergraben.

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