Flachlandgorilla Noel im Loro Parque - ein charismatischer Botschafter seiner Art | Foto: zoos.media

Sind Gorillas wirklich Veganer?

Exklusiv für zoos.media – 31.10.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

Die kurze Antwort ist: Nein, sie sind es nicht. Es lohnt sich aber doch ein genauerer Blick auf diesen urbanen Mythos. Die Hintergründe sind nämlich durchaus spannend.

Sind Gorillas wirklich Veganer?

Der urbane Mythos, dass Gorillas tatsächlich Veganer seien, stammt aus der veganen Szene. Das Narrativ dabei ist, dass ein Tier so muskulös werden konnte, obwohl es kein Fleisch ist. So will man besonders auch die gegenüber Fitness affine Zielgruppe ansprechen. Letztendlich ist es ein Betrug, der aber inzwischen zu einem weit über diese Szene verbreiteten Irrtum geworden ist. Dabei wäre es so einfach der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

Gorillas, Blätter & Menschen

Gorillas im Loro Parque | Foto: zoos.media

Menschen und Gorillas ernähren sich völlig unterschiedlich. Das liegt zum Beispiel daran, weil Gorillas etwas können, was Menschen nicht können: Blätter so verdauen, dass sie gut Energie daraus beziehen können. Das gibt ihnen eine Sonderstellung unter den Menschenaffen, denn sie sind die ausgeprägtesten Blattfresser. Ihre Kost reichern sie an mit saisonalen Früchten. Allerdings hat die Blatt-Kost einen geringen Brennwert, was bedeutet, dass sie einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen müssen, die Nahrung zu suchen und zu sich zu nehmen.

Menschen können solche Pflanzenteile nicht auf diese Art verdauen. Blattwerk wird für Menschen gut energetisch nutzbar, wenn vorher andere Tiere es gefressen haben und der Mensch dann wiederum das Fleisch dieser Tiere verzehrt. Der Gorilla braucht diesen Zwischenschritt nicht, was letztendlich an der Evolution liegt. In den Tieflandwäldern Westafrikas gibt es eine breite Fruktivoren-Nische. Darin macht sie besonders, dass sie große faserige Früchte, reife Blätter und Stängel fressen sowie hohe Phenolwerte überwinden können (Rogers et al., 1990).

Bittere Ernährung

Jung und alt vereint: Gorillas im Zoo Bristol (2014) | Foto: Charlie Marshall, Lizenz: CC BY 2.0

Als Menschen können wir Phenole nicht so gut abbauen. Zudem schmecken sie bitter, weshalb sie auch gar nicht in das typische vom Menschen bevorzugte Geschmacksbild passen. Viele kennen den Stoff unter dem Handelsnamen Karbolsäure. Hierbei macht die Dosis für den Menschen das Gift. Phenolinjektionen zum Beispiel können tödlich sein. Richtig dosiert kommen Phenole aber in der Medizin vor. Man nutzt sie auch in der Industrie – zum Beispiel zur Herstellung von Kunststoffen.

Phenol etwa setzte man aber auch im Bereich der Desinfektion ein – rund 22 Promille auf einem Liter Wasser. Schon diese kleine Konzentration war aber giftig und sorgte zum Beispiel für Hautirritationen. Symptome einer Vergiftung durch Phenole können aber auch Abmagerung, Schlaflosigkeit, Erbrechen, Müdigkeit und Nierenschädigungen sein. Dabei wirken die ungebundenen Phenole toxisch. Das zeigt, wie bei Phenolen die Dosis das Gift macht – einen Mechanismus, den man schon länger kennt (Becher, 1925). Gorillas scheinen eine bessere Fähigkeit als Menschen und andere Tiere zu haben, mit hohen Phenolwerten umgehen zu können, damit sie für sie nicht toxisch sind. Das hat sie wohl unter anderem evolutionär erfolgreich gemacht.

Vorliebe für Insekten

Alle Gorillas mögen Insekten und zwar von jungen Jahren bis ins hohe Alter. Es gibt aber zwischen den Populationen Unterschiede: Die Berggorillas von Virunga fressen täglich Tausende von Wirbellosen – aber eher unbeabsichtigt. Nur selten fressen sie sie absichtlich. Die Flachlandgorillas in Lopé ernähren sich ganz üblicherweise von Insekten. Das galt auch für die Gorillas in Belinga im Nordosten Gabuns, die rund 250 Kilometer von Lopé entfernt leben, aber sie sparten eine Insektenart aus (Tutin & Fernandez, 1992). Eine Untersuchung von Kotproben der Flachlandgorillas in Lopé fand in einem Drittel der Kotproben Rückstände von Weberameisen (Williamson et al., 1990).

Vegan bedeutet aber eben auf alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs zu verzichten. Das macht ein Gorilla nicht. Das Verzehren von Insekten ist für Gorillas sehr gut nachgewiesen und es gibt sogar ganze Studien nur darüber. Deblauwe et al., 2003, konnten in 78% der Kotproben von Gorillas im Südwesten Kameruns signifikante Spuren von Insekten finden. Insgesamt wurden zahlreiche Arten gefunden und sogar über 14 neue, die man noch gar nicht auf dem Schirm hatte. Also zu denken, dass Gorillas irgendwie Veganer wären, ist schlicht abwegig.

Ernährung im Zoo

Junger Gorilla im Krefelder Zoo | Foto: zoos.media

Daher sind auch die Gorillas im Zoo keine Veganer. Am häufigsten weltweit ist der Westliche Flachlandgorilla im Zoo zu sehen. Früher dachte man, dass die Gorillas gar keine Tiere fressen. Also gab man den Tieren viel Früchte und Blätter, weil das in der Natur die Hauptbestandteile ihrer Ernährung sind. Das Problem ist, dass Früchte für den menschlichen Gebrauch ganz anders sind als die unkultivierten Früchte, die Gorillas in der Natur finden. Dazu sind Zoo-Gorillas nicht gezwungen sich quasi jedes einzelne Nahrungsteil einzeln zu suchen, was den Energie-Verbrauch natürlich auch verringert.

Im Paignton Zoo und Newquay Zoo hat man herausgefunden, dass eine Ernährung von Primaten ohne Früchte positive Folgen für die Tiere haben kann. Daher ist der Fruchtanteil in der Ernährung von Zoo-Gorillas meist recht bis verschwindend gering. Für sie gibt es vielmehr Gemüse, dazu wird werden Hafer-, Maisflocken und Pellets für blätterfressende Affen verstreut. Heu ist für sie auch verfügbar. Aber auch Zoo-Gorillas sind keine Veganer: sie mögen durchaus Joghurt oder Eier, wenn man sie ihnen anbietet. Gerade, um an Joghurt zu kommen, basteln sie sich auch gerne kleine “Werkzeuge”, um ihn auslöffeln zu können.

Gorillas sind keine Veganer

Gorilla mit Baby im San Diego Zoo Safari Park (2011) | Foto: Becker1999, Lizenz: CC BY 2.0

Egal also, wohin man schaut: einen wirklich veganen Gorilla wir man wohl einfach nicht finden. Man kann sehr gut nachweisen, dass sie tierische Nahrungsmittel nicht verschmähen. Natürliche Ernährungsweisen sind nicht so ideologiebasiert wie manche Ernährungsweisen, für die sich Menschen entscheiden. Wie sich Gorillas ernähren ist ein Ergebnis von Evolution. Die gleiche Evolution hat der Mensch nie durchlaufen. Daher kann er diesem Vorbild gar nicht nacheifern. Das macht aber auch nichts.

Viele der Tiere, die landläufig für vegan gehalten werden, sind es letztendlich nicht wirklich. Kaninchen sind dafür ein Beispiel. Sie fressen auch an Eintagsküken und Nagetieren, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ökologische Möglichkeiten, Verhaltensanpassungen an Lebensräume und biomechanische Grenzen der Nahrungsaufnahme spielen bei Tieren eben die viel größere Rolle. Beim Menschen ist das anders. Hier ist die Ideologie und daraus folgende soziale Prozesse für manche Menschen sehr wichtig.

Solche Ideologisierung von Ernährung ist möglich, weil der Mensch, der sich so etwas “leistet”, nicht, wie der Gorilla, Tag für Tag ums Überleben kämpfen muss. Ideologiebasierte Mangel-Ernährung würde man deshalb bei Gorillas schlicht nicht finden. Wer also wirklich vom Gorilla in Ernährungsfragen lernen will, isst, was er gut verdauen kann und ihm die Energie liefert, die gebraucht wird. Ernährung beim Gorilla hat keine ideologische Bedeutung, es geht schlicht ums Überleben. Damit steht die praktische Bedeutung im Vordergrund.

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