Roter Panda im Naturschutz-Tierpark Görlitz | Foto: Naturschutz-Tierpark Görlitz-Zgorzelec, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Sind Zoos noch zeitgemäß?

Exklusiv für zoos.media – 21.02.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

Immer wieder taucht die Frage auf, ob Zoos noch zeitgemäß wären. Wie sinnvoll ist diese Frage überhaupt?

Sind Zoos noch zeitgemäß?

Wenn eine Frage so häufig gestellt wird, neigt man dazu, sie als gegeben hinzunehmen. Häufig wird dabei ignoriert, was hinter der Frage steckt und ob man die Frage nicht zuerst selbst hinterfragen muss, bevor man sie beantwortet. So eine Frage taucht ja nicht einfach so auf, sondern schon aus der Frage treten gewisse Prämissen zutage, die denen, die sie beantworten wollen oder sogar müssen, oft am wenigsten bewusst sind, weil sie unausgesprochen bleiben.

Falsche Prämisse

Koala genießt Eukalyptus im Tiergarten Schönbrunn. | Foto: zoos.media

Hinter dieser Frage steckt nämlich eine wesentliche Prämisse und zwar die, dass es für einen Zoo wichtig wäre, zeitgemäß zu sein. Aber stimmt das überhaupt? Der Duden erklärt das Wort “zeitgemäß” damit, dass dieses Adjektiv zur Kennzeichnung einer Sache dient, die einer Zeit gemäß oder entsprechend wäre beziehungsweise aktuell ist. Ein Synonym ist beispielsweise “angesagt”. Schaut man auf die Verwendung des Begriffs im Alltag, so trifft es dieses Synonym sehr gut. Wer bestimmt, was zeitgemäß ist, ist allerdings immer unklar, weshalb es sich eigentlich für Präzisierungen auch gar nicht eignet.

Wer bestimmt was zeitgemäß ist? Immer also jemand anderes als der, die oder das, was mit “zeitgemäß” umschrieben wird. Somit ist die Einstufung in “zeitgemäß” immer letztendlich die Meinungsäußerung der sprechenden oder schreibenden Person zum bezeichneten Gegenstand anhand von persönlichen und meist ohnehin undefinierten, sinisteren Maßstäben. Dieser Umstand ist wichtig zu verstehen, wenn es um den zentralen Begriff dieser Frage geht, denn es steckt durchaus etwas in dieser besonderen Wortwahl. Das Adjektiv ist ja nicht übermäßig häufig in Gebrauch und die Wortwahl hier in dieser Frage, die – obgleich sie wenig hinterfragt wird – in aller Munde ist, ist sicher im Ursprung nicht unbedacht gewesen. Die Prämisse hinter der Frage ist also, dass die Institution Zoo eine meinungsbasierte Bestätigung von anderer Seite bräuchte. Das ist allerdings völlig falsch.

Falsche Frage

Welterstzucht der Vietnamesischen Krokodilmolches im Kölner Zoo | Foto: T. Ziegler

Zoos und Aquarien brauchen keine meinungsbasierte Zustimmung, sondern es gibt eine meinungsunabhängige Notwendigkeit für ihre Existenz. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat umfassenden Natur- und Artenschutz in einer sehr gut nachvollziehbaren Form beschrieben: dem One Plan Approach (OPA). Der besagt im Kern, dass Maßnahmen in situ und ex situ – also innerhalb und außerhalb des Lebensraumes – ineinandergreifen müssen, um eine langfristige und nachhaltige Rettung, Erholung und Stabilisierung von Populationen zu erreichen. Eine wesentlich Säule hiervon ist die Erhaltungszucht.

Zoos, Aquarien, Tiergärten, Tierparks oder wie auch immer mal die zoologischen Institutionen auch im Speziellen nennen will, sind Zentren von Ex-Situ-Maßnahmen im Bereich dieser Zucht, aber auch von Bildung, Forschung und weiteren Aspekten. Zudem fungieren sie auch als Bindeglied zwischen Maßnahmen ex situ und in situ. Also egal wie die Meinung zu solchen Zentren nun mal beim Einzelnen ist, kann man nicht leugnen, dass es diese Zentren geben muss. Sie brauchen also gar keine, wie auch immer geartete, meinungsbasierte Legitimation anhand von zeitlichen, ethischen oder sonstigen Maßstäben, sondern sie legitimieren sich aus einer Notwendigkeit heraus, die man nicht leugnen kann.

Der Mensch geht mit der Natur um und – allein schon für sein eigenes Überleben – muss sie bewahrt werden. Somit ist das Verhindern von Artensterben ein ständiger Begleiter der Menschheit. Da der umfassende Artenschutz Teil davon ist, weil man eben nicht ewig mit Ökosystemen Jenga spielen kann, und man diesen nur mit zoologischen Institutionen umfassend bewältigen kann, brauchen zoologische Einrichtungen keine meinungsbasierte Legitimation. Es ist schön, wenn viele Menschen Zoos und Aquarien mögen, was ja auch der Fall ist, aber es ist nicht Grundlage für ihre Existenz.

Ohne Zoos geht es nicht

Ein Blaulatzara in der Zuchtstation La Vera (Loro Parque Stiftung) | Foto: zoos.media

Die Frage, ob Zoos zeitgemäß sind, ist also sinnlos, weil es geht sowieso nicht ohne sie. Wer den One Plan Approach umsetzen will, kommt immer an einen Punkt, an dem er solch ein Zentrum rein vom Organisatorischen her braucht, aber nicht nur aus dem Grund: auch das Know-How und natürlich auch die Gelder, die Zoos produzieren und in Richtung des Artenschutzes verteilen, sind wichtig und unersetzbar. Genau das besagt ja das bekannte Zitat, das unter anderem Prof. Dr. med. vet. Bernd Schildger zugeschrieben werden kann: “Gäbe es keine Zoos, man sollte sie erfinden.” Man kommt nicht drumherum, egal wie man es dreht und wendet, egal wie die eigene Meinung dazu ist.

Obwohl es also viele kluge Antworten auf die Frage gibt, die bestätigen, dass Zoos zeitgemäß wären, ist es wichtig auch bei jeder Antwort die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Frage selbst zu stellen. Es gibt viele gute Gründe für das Betreiben zoologischer Institutionen – das steht außer Frage, aber die haben eben alle auch vor allem damit zu tun, dass es ohne sie nicht geht. Ohne jede Frage ist die Einrichtung von Tierhaltungen zum Zweck von Natur- und Artenschutz sowie Bildung und Forschung auch ein Gebot der Stunde, aber das ist unabhängig von der Frage, ob es gerade angesagt oder in Mode oder zeitgemäß ist. Das Richtige zu tun bedeutet ja nicht immer das Zeitgemäße, Moderne oder Modische zu tun – nicht selten bedeutete es in der Geschichte sogar das Gegenteil.

Daher wäre es sinnvoll für den Natur- und Artenschutz von dieser ideologiegeschwängerten Diskussion wegzukommen – vor allem auch, um klar zu machen: Zoos und Aquarien zu haben, ist keine Mode, sie zu brauchen ist keine Meinung. Vielmehr ist es eine Notwendigkeit, die jeder verstehen sollte: genauso wie wir Krankenhäuser brauchen, Schulen und solcherlei Institutionen brauchen, um als Menschen auf dieser Erde zu leben, so brauchen wir vor allem eben auch Zoos in allen seriösen Formen. Das ist nichts, was man theoretisch abschaffen könnte, nichts über dessen Existenzberechtigung man diskutieren müsste – wir brauchen es so oder so.

Diesen Beitrag teilen