Orca spielt mit Segelboot in der Straße von Gibraltar | Foto: Screenshot eines Videos aus dem Pressematerial des Loro Parque

Straße von Gibraltar: Orcas & Segelschiffe

Exklusiv für zoos.media – 03.06.2024. Autor: Philipp J. Kroiß

Warum “attackieren” Orcas in der Straße von Gibraltar Segelschiffe und -boote? Dank der Loro Parque Stiftung konnte dieses Phänomen erforscht werden. Nun gibt es Ergebnisse.

Straße von Gibraltar: Orcas & Segelboote

Ist es die Rache der Tiere? Sind die Orcas aggressiv? Hassen sie Menschen so sehr? Es gab sehr viele vermenschlichende Fragen, die wegen des Verhaltens der Orcas in der Straße von Gibraltar gegenüber Segelschiffen gestellt wurden. Im Zentrum stand aber immer der angebliche Skandal. In vielen Ländern rauf und runter wurden verschiedene Videos gezeigt. Kurz dachte man: Der Mythos Killerwal ist zurück. Das ist schließlich das kulturelle Topos, mit dem solche Berichte spielen.

Das Phänomen kennt man seit rund fünf Jahren. Die Orcas stoßen bei solchen Begegnungen ans Ruder oder andere Teile des Bootes oder Schiffes, die dann beschädigt werden. Manchmal musste die Crew sogar aus der daraus entstanden, misslichen Lage gerettet werden. Zusammenstöße auf dem Wasser zwischen Mensch und Wal, sind aber vor allem für die Tiere gefährlich. Deshalb war unklar, warum die Orcas in der Straße von Gibraltar das sogar zu provozieren scheinen.

Was hat ein Thunfisch damit zu tun?

Orcas in der Natur bewegen sich nicht aus Spaß an der Freude, sondern folgen einem Zweck. Der ostatlantische Bestand vom Roten Thun, den man auch als Blauflossen-Thunfisch kennt, nutzt die Straße von Gibraltar zum Laichen. Ein Weibchen kann Millionen von Eiern legen, aber die interessieren die Orcas nicht so. Ihnen geht es natürlich um die schmackhaften, ausgewachsenen Fische. Sie sind für die Orcas dort ein wahres Festmahl. Das gilt aber nicht nur für die Schwertwale, sondern auch für den Menschen.

So kommt es zu Mensch-Tier-Konflikten. Das große Problem: die Population der Orcas in der Straße von Gibraltar gehört zu den Iberischen Schwertwalen, die in Spanien als bedroht gelistet sind. Gleichzeitig ist die Fischerei eine Lebensgrundlage der Bevölkerung vor Ort. Daher setzt sich die Loro Parque Stiftung seit fast 20 Jahren für die Befriedung dieses Konfliktes ein. Das Engagement begann 2006, also im gleichen Jahr, in dem die Orcahaltung im renommieren Zoo auf Teneriffa begann. Seit jeher ist die Haltung von Orcas im Loro Parque eng mit dem Schutz der Orcas in der Natur verknüpft.

Nachweisbar seit der Zeit der Phönizier, also etwa vom 9.-6. Jahrhundert vor Christus, fängt der Mensch die Thunfische. Sie haben entdeckt: wo die Orcas sind, gibt es auch schmackhafte Fische zu finden. Die Globalisierung hat allerdings dafür gesorgt, dass das meiste davon in Japan zu Sushi wird. Schaut man auf das gesamte Mittelmeer, so landen rund 85% der dort gefangenen Thunfische in Japan. Man schätzt die hohe Qualität. Für viele Fischer vor Ort, ist es daher die wirtschaftliche Lebensgrundlage.

Wie löst man so einen Konflikt?

Ein wichtiger Ansatz zur Lösung dieses Konfliktes war die Orca-Bewegungen verfolgbar zu machen. Man muss erstmal wissen: Wo sind die Tiere eigentlich? Bei der Entwicklung solcher Geräte spielen die Orcas im Loro Parque eine sehr große Rolle. Nicht nur für dieses Projekt in der Straße von Gibraltar, sondern auch für andere Projekte, sind Ortungsapparate von großer Wichtigkeit. Die modernen Geräte für diesen Zweck, die heute eingesetzt wurden, konnten dank Orcas in Menschenobhut überhaupt erst entwickelt werden.

Also konnte man einige Orcas nun orten. Was bringt das? Die Segelboote konnten nun Routen nehmen, auf denen sie den Tieren ausweichen konnten. Das wird allerdings erst seit letztem Jahr praktiziert, also ist es kein Wunder, dass es vorher noch “Zusammenstöße” gab. Dazu wurden von Dr. Renaud de Stephanis von CIRCE, eine Organisation mit der die Loro Parque Stiftung vor Ort zusammenarbeitet, auch Verhaltensregeln für Boote entwickelt. Seit dieses umfassende System aus Ortung und Empfehlungen installiert wurde, sind die Begegnungen mit ernsten Folgen um rund 70% zurückgegangen.

Warum tun die Orcas das?

Bekämpfen die Orcas also hier tatsächlich einen Konkurrenten um den Thunfisch? Nein. Mit Aggression hat dieses Verhalten gar nichts zu tun. Es ist vielmehr schlicht Spielverhalten aus Langeweile. Im Meer passiert recht wenig und die Tiere warten schlicht auf die Nahrung. “Ein Segelboot kann das Unterhaltsamste sein, was vorbeikommt”, erläutert Dr. Renaud de Stephanis. Er kennt das Verhalten der Tiere genau und sieht keine Aggression der Orcas.

Dabei ist ein besonderes Detail wichtig: die Tier beißen nicht in das Ruder, sondern schieben es mit der Schnauze. “Ein weiteres Detail, das gegen die Aggressionstheorie spricht”, erklärt Dr. Javier Almunia. “Auf den Bildern, die dank der Arbeit von CIRCE von dieser Gruppe von Schwertwalen gemacht werden konnten, scheint es offensichtlich, dass sie etwas an den Segelbooten interessiert oder amüsiert, und die Manipulation des Ruders oder das Schlagen gegen den Rumpf könnte ein Versuch sein, es zu ‘aktivieren’.”

Das macht die Vorfälle weniger skandalbehaftet, als die Medien sie darstellten. Die Orcas wollen einfach nur spielen. Das kennt man auch aus der Haltung der Tiere: die Tiere mögen es beschäftigt zu sein und besonders zu spielen. In Menschenobhut gibt es dafür Enrichments und in der Natur suchen die Tiere so etwas auch. Dann wird schnell mal ein Boot oder Schiff zum unfreiwilligen Enrichment. Orcas verstehen gar nicht, dass das für Menschen gefährlich sein kann. Das macht solche Aktionen allerdings nicht weniger gefährlich für den Menschen.

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