Löwenbaby mit Mutter | Foto: David Dennis, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Vier Pfoten: Versagen in Gaza

Exklusiv für zoos.media – 21.12.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Der Rafah Zoo ging als “Horror-Zoo in Gaza” Anfang des Jahres durch die Schlagzeilen. Was ist aus dem Zoo und den angeblich geretteten Tieren geworden?

Vier Pfoten: Versagen in Gaza

In diesem Jahr gab es viele Schlagzeilen zum “Horror-Zoo in Gaza”. Die Tierrechtsorganisation Vier Pfoten wollte in diesem Zusammenhang gleich doppelt auftrumpfen, einmal diesen negativen Einzelfall nutzen, um auch gegen moderne Zoos und Aquarien, deren Existenz sie in der jetzigen Form beenden wollen, zu hetzen und andererseits, um groß mit einer  vermeintlichen Lösung aufzutrumpfen. Alles schien so einfach: man “rettet” die Tiere, indem man dem Besitzer diese Tiere und den Willen einen Zoo zu betreiben quasi “abkauft”. 48.500€ ließ sich der Besitzer dafür bezahlen. Für ihn ein einträgliches Geschäft, die Tierrechtsorganisation zahlte vermutlich sehr viel mehr Geld für das gesamte Projekt.

Sehr viel Geld für 0 Erfolg

Anfang April war “D-Day”, so nannte es die Tierrechtsorganisation selbst – wohl in ziemlich geschmackloser Anlehnung an den 6. Juni 1944. Die Tiere, die als “evakuiert” bezeichnet wurden, obgleich sie ja abgekauft wurden, kamen ins New Hope Center in Jordanien. Der klangvolle Name bezeichnet einen ziemlich intransparenten Umschlagplatz für “gerettete” Tiere, der von der Princess Alia Foundation (PAF) unter Mitwirkung von Vier Pfoten aufgebaut wurde. Wie viele Tiere dort aktuell übergangsweise sind oder langfristig gehalten werden, darüber berichtet die verwaltende PAF auf der zugehörigen Webseite nichts. Viel blümerante Worte, kaum Fotos. Die wenigen, die es gibt, zeigen Löwen in Gitterkäfigen auf Betonboden.

Von da aus kämen die Tiere dann angeblich in Sanctuaries – also Endlagerstellen. Hier verliert sich auch die Spur der meisten Tiere, denn in der Öffentlichkeit werden nur noch die Löwen verfolgt. Über die rund 40 anderen Tiere schreibt man nichts Verbindliches. Ein paar wohlklingende Worte, aber Nachweise über den Verbleib gibt es nicht. Man spricht davon, dass drei Löwenjunge “im Reservat Al Ma’wa freigelassen” worden wären. Das ist ein kurioser Terminus für die Haltung von Löwen in umzäunten Gehegen wie man es hier sieht:

Im Video sieht man Laith aus dem “Horror-Zoo” mit weiteren konfiszierten Löwen spielen – die vielzitierte “Freiheit” gibt es dort dann wohl auch nur hinter Hochsicherheitszäunen. Die durch Integration so entstandene Gruppe soll nun bald in ein größeres Gehege ziehen, kündigt man auf der Webseite des “Reservats” an. Wie gut ihr jetziges Gehege oder auch das neue, angeblich im Bau befindliche, wirklich ist, kann man nicht sagen, denn so wirklich transparent ist man auch hier nicht. Letztendlich hat Vier Pfoten also die Tiere einfach nur gekauft und dann auf eigene Tierhaltungen verteilt.

Und der ehemalige Zoodirektor des “Horror-Zoos”? Der hat sich inzwischen – zumindest laut Medienberichten – von dem Erlös des Verkaufs zwei neue Löwenbabys gekauft. Er fühlt sich also an das Versprechen, sollte es das jemals überhaupt rechtsgültig an Vier Pfoten gegeben haben, nicht gebunden. Von Seiten der Tierrechtsindustrie zeigt man sich nun überrascht, obgleich dies eigentlich voraussehbar war. Letztendlich hat sich Vier Pfoten ja nur Tiere gekauft – nichts weiter. Diese Transaktion grün anzumalen, ändert ja nichts am eigentlichen Vorgang.

Tierrechtler sind die falschen Berater

Bengal-Tiger im Bannerghatta Biological Park, der für die Born Free Foundation eine Tigerhaltung betreibt. | Foto: Pawan Kr Dwivedi, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Es heißt ja – gerade von Tierrechtsorganisationen – dass man von unseriösen Haltern und Züchtern keine Tiere kaufen sollte. Das ist auch ein richtiger Ansatz, aber trotzdem hat es Vier Pfoten nun selbst getan. Was diese angebliche “Rettung” einzig gezeigt hat, sind gewisse Doppelstandards bei dieser mehr als fragwürdigen Organisation, die letztendlich nur die eigenen Tierhaltungen zu weißeln versucht. Schon oft haben wir das auch bei anderen Tierrechtsorganisationen gesehen: schlechte Haltungen, die dann als “Sanctuarys” oder mit ähnlichen Begriffen aufgeladen werden, um eine Idee der “Freiheit” zu vermitteln, die für die Tiere gar nicht gegeben sind.

Wie man mit schlechten Zoos und Aquarien umgeht, sollte man den tatsächlichen Profis überlassen: den guten Zoos und Aquarien. Die Verbände haben ein tolles Netzwerk, das allerdings auch heute leider von Tierrechtsorganisationen immer mehr zu unterwandern versucht wird, was in Teilen auch erfolgreich ist. Deshalb gibt es sogar in der Zoowelt immer mehr Leute, die nach der einfachen Forderung der Schließung schreien, wozu sie aber letztendlich weder die Befugnisse, noch die gesetzlichen Grundlagen haben. Nach Schließung zu schreien ist einfach, differenziert Probleme zu lösen ist schwer.

In manchen Regionen sind schlechte Zoos die einzigen Zoos überhaupt. Natürlich könnte man die einfach schließen. Aber ist das sinnvoll? Es gibt ja noch eine andere Möglichkeit: man nimmt sich eben solchen Zoos an und entwickelt sie gemeinsam weiter, denn es ist ja möglich einen Zoo so umzuwandeln, dass er nicht nur als Freizeiteinrichtung, sondern auch als Artenschutz-Zentrum sehr einträglich funktioniert. Es ist ja nicht unmöglich mit guten Zoos auch gutes Geld zu verdienen. Das aber zu erreichen, scheitert oft an der Kompetenz, die man ja aber von Seiten der guten zoologischen Einrichtungen durchaus weitergeben könnte, statt gleich die Schließung zu fordern.

Die meisten Zoos sind ja auch nicht aus purem Spaß oder großer Freude schlecht, sondern haben ja auch den Willen dazu zu lernen und besser zu werden. Sehr schwierig wird es natürlich bei den sehr wenigen Menschen, die tatsächlich keinerlei Willen haben, sich zu verbessern. Aber selbst hier ermöglichen die Länder, in denen es sie gibt, keinerlei echte rechtliche Handhabe gegen solche Einrichtungen. Klar, kann man versuchen das Recht irgendwie zu verbiegen und vor Gerichten auf Glück zu spielen, aber das zerstört vielleicht ein Symptom, aber eben auch nicht die Ursache. Die Antwort auf schlechte Zoos ist Bildung und Aufklärung.

Das Problem aktuell ist nur, dass viele zoologische Einrichtungen diese Aufklärung einfach den Laien aus der Tierrechtsindustrie überlassen haben, die nun Fakten nach Belieben und selbst auch gegen seriöse Zoos und Aquarien manipulieren ohne dazu aber Lösungsvorschläge zu haben. Der Verlust dieser Deutungshoheit ist eines der wesentlichen Kernprobleme aktuell. Wie viel besser könnte es den Löwen aus Gaza heute gehen, wenn sie ein Zuhause in einem transparent agierenden, akkreditierten oder zertifizierten Zoo bekommen hätten statt im intransparenten Sumpf der Tierrechtsindustrie zu versinken? Die Löwen und auch die anderen Tiere hätten eine echte Chance auf ein zweites Leben bekommen.

Problemgebiet Gaza

Seit Juni 2007 wird Gaza de facto von einer Terrororganisation kontrolliert und laut der FAO leben dort über 80% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Natürlich kann man die dortige Armut eiskalt ausnutzen, mit Geld wedeln und Tiere kaufen, um dann im reichen Westen mit angeblicher Rettung von Tieren zu strotzen über deren Verbleib sich nach der Schlagzeile wohl nicht mal die Hälfte derer interessiert, die einem Applaus gespendet haben. Das ist einfach einfacher – so einfach wie es immer ist, Armut von Menschen für schnellen Ruhm oder schnelles Geld auszunutzen. Es ist ist einfacher als echte Lösungen für Mensch und Tier in Gaza zu bieten.

Nach Angaben der FAO sind etwa 70 % der Bevölkerung im Gazastreifen nicht in der Lage, ihren täglichen Bedarf an Lebensmitteln ohne zusätzliche Hilfe zu decken und die Menschen haben nur 2-3 Stunden pro Tag Zugang zu Wasser. Natürlich lässt sich gegen ein Zoo, der in solchen Bedingungen entsteht, schnell und leicht etwas sagen, denn wenn es den Menschen schon so schlecht geht, wie soll es dann den Tieren erst gehen? Aber könnte ein Zoo dort nicht auch sehr viel Gutes bewirken? Bildung etwa, ein Stück weit Kultur oder leidenden Menschen ein Fenster sein, ihrem Alltag zu entfliehen? Ja, aber eben nicht aus eigener Kraft, weil Gaza ein besonderes Problemgebiet ist.

Jetzt kann man es sich sehr einfach machen und einfach lästern oder einen “Horror-Zoo” in die Medien bringen. Natürlich waren – und sie sind es wahrscheinlich noch immer – die Zustände für die Tiere völlig inakzeptabel. Jetzt kann “Vier Pfoten” natürlich auch wieder die nächste Bieterrunde um die neuen Tiere, die im Zoo angekommen sind, starten, sich wieder feiern lassen und so billig an Nachschub für die Sanctuarys kommen, die sich ja ohne solche Pseudo-Rettungen nicht langfristig tragen lassen, weil man die Tiere nicht züchtet und sie in schlechten Bedingungen oder durch Folgeschäden vorheriger schlechter Behandlung schnell sterben.

Tiernachschub für Tourismus-Industrie der Tierrechtlern

Tigerbaby im Big Cat Rescue (Tampa, Florida): es wird nie Nachkommen haben dürfen. | Foto: Tony Webster, Lizenz: CC BY 2.0

Diesen Kreislauf kann man so lange betreiben wie man will und am Ende ist es wahrscheinlich sogar eine Win-Win-Situation für die Menschen auf Kosten der Tiere – oder man hilft wirklich und macht sich mal Gedanken wie man etwas bewirken kann, das positiv für die Tiere, für Gaza und für die Menschen dort ist. Von “Vier Pfoten” ist das nicht zu erwarten, denn die Organisation und ihre Angestellten leben ja gut von der aktuellen Situation, denn einfacher kann man fast nicht an Tiere kommen, um seine eigenen kommerziellen Interessen zu verfolgen. Die beiden erwachsenen Löwen aus dem “Horror-Zoo” kamen nämlich in den Safaripark Lionsrock. In Charlets, Appartements und Luxus-Doppelzimmern garniert mit dem Werbe-Claim “more than just a resort” hat man sich da auf dem Tierschutz-Image ein einträgliches Business aufgebaut.

Eintritt zahlt man nicht, aber für 250 Südafrikanische Rand – etwa 16€ – wird 90 Minuten lang Safari gespielt. “Game Drive” heißt das Angebot. Übernachten kann man in verschiedenen Preisklassen für bis zu rund 200€ die Nacht. Stolze Preise, um Tiere in Gehegen hinter Gittermaschen zu beobachten, aber das gute Gewissen lassen sich manche Leute eben etwas kosten. Diese rein touristischen Destinationen mit solchen Preisen bringen der lokalen Bevölkerung wenig bis gar nichts. Die Bevölkerung in Südafrika hat ein durchschnittliches Jahreseinkommen von weniger als 5.000€. Während man in Südafrika für das Geld, was ein “Game Drive” kostet, mehr als einen Tag arbeitet, erwirtschaftet das ein Europäer spielend an einem Tag.

Was solche Destinationen verkaufen, ist ein gutes Gewissen für Unwissende und dieses Geschäft läuft gut für “Vier Pfoten”. Moderne Zoos und Aquarien achten hingegen darauf, das ein Besuch und das Teilnehmen an der wichtigen Edukation und auch die Teilnahme an Artenschutzmaßnahmen für die Bevölkerung vor Ort möglich ist. Dadurch haben sie so eine positive Wirkung. Diese Tierrechtssanctuaries hingegen haben eine völlig andere Ausrichtung. Sie nehmen nicht an Erhaltungszucht teil, weil man eine no-breeding-policy vertritt. Dadurch können die Tiere ihr natürliches Verhalten nicht ausleben, denn gerade für Löwen ist Fortpflanzung sehr wichtig. Solche Tourismus-Ziele der Tierrechtsindustrie dienen, anders als Zoos, nicht dem Artenschutz, der Edukation oder der Forschung. Sie sind einfach nur touristisch vermarktete Endlager für Tiere. Lionsrock ist da kein Einzelfall.

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