Der Orca Keiko bezahlte das Scheitern des Auswilderungsversuchs mit seinem Leben. | Foto: U.S. military or Department of Defense, Lizenz: public domain

Wie die Mörder von Keiko nun Wale in Russland retten wollen

Exklusiv für zoos.media – 16.04.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Aktuell geistert durch die Medien, dass rund 100 Wale, die in Russland in Netzkäfigen gehalten werden, in die Natur zurück sollen. Das ist mehr als fragwürdig.

Wie die Mörder von Keiko nun Wale in Russland retten wollen

Gegenüber Medien und der Öffentlichkeit prahlt das Whale Sanctuary Project aktuell mit einer gemeinsamen Erklärung des Lokal-Gouverneurs und von zwei Team-Mitgliedern des für den Wal- und den Tierschutz gleichermaßen überaus fragwürdigen Projekts, das seit Jahren versucht eine Art Endlager für Wale unter fragwürdigen Haltungsbedingungen und einem tierschutzwidrigen Zuchtstopp irgendwo auf der Welt zu installieren. Bezeichnenderweise wird eine völlig unverbindliche Erklärung wird nun als Rettung der Wale gefeiert.

Was ist passiert?

In Russland wurden um die 100 Wale, wie es heißt, für den chinesischen Markt gefangen. Für Delfinariengegner war das ein gefundenes Fressen, um mal wieder Engagement und Expertise vorzutäuschen. Die ersten Nachrichten über die Haltung, die fast schon peinlich-plakativ „whale prison“ oder „whale jail“ genannt wird, kamen in der zweiten Jahreshälfte 2018. So richtig groß wurde die Story dann im November, während man sich lange nicht darum gekümmert hatte.

Das ist nun schon rund fünf Monate her. Man geht davon aus, dass Wale, die zwischen 6-12 Monaten in Menschenobhut sind, nicht mehr auswilderungsfähig sind. Das Zeitfenster schließt sich also bereits. So hat man leicht reden, wenn man – wie es im gemeinsamen Statement steht – plant, alle diese Wale in die Natur zurück zu bringen. Man findet sogar Möchtegern-Experten wie einen Jean-Michel Cousteau, Sohn des nicht unumstrittenen Tauchers und Ozeanforschers Jacques-Yves Cousteau, und seinen Compagnon Charles Vinick, die so eine unseriöse Absichtserklärung in Russland auch noch unterschreiben und so auf eine Art legitimieren.

Auswilderung völlig illusorisch

Orcas vor Lofoten, Norwegen | Foto: Rene at Danish Wikipedia, Lizenz: public domain

Cousteau posaunt nun in die Medien, dass die Auswilderung der Tiere Jahre dauern würde, worüber Meeresakrobaten berichtete. Diese Aussage von Cousteau ist völliger Blödsinn. Wale kann man, nach allen Erkenntnissen, nur binnen einem Jahr nach ihrem Fang erfolgreich auswildern. Es gibt nicht eine geglückte und wissenschaftlich begleitete Auswilderung eines Wales nach rund 12 Monaten. Ein Rehabilitations- und Auswilderungsprozess dauert also ein Jahr oder er geschieht nie – zumindest nicht für das Tier. Dass Delfinariengegner aber missglückte Auswilderungen als Sieg feierten, wäre allerdings nicht wirklich etwas Neues.

Die meisten Medien, aber tippen nur ab, was in den völlig illusorischen Plänen steht und nun genutzt wird, um Geld zu machen, denn natürlich wird jetzt um Spenden gebettelt werden. In Russland kann man sich die Hände reiben und wahrscheinlich auch in China, denn der aktuelle Plan besagt ja, dass man ein neues Zentrum bauen würde, wo die Tiere dann auf die Auswilderung vorbereitet würden. Bis so ein Zentrum gebaut wird, werden wieder einige Monate ins Land gehen und dann wird man in Russland behördlich genug Tiere als nicht auswilderungsfähig deklarieren können, damit die Nachfrage in China wie geplant bedient werden kann.

Vielleicht haben die Aktivisten “Glück”, dass sie ein paar Tiere bekommen, die sie dann, wie bereits seinerzeit den Orca Keiko, für ihre Zwecke missbrauchen können, und sie auch entsprechend auf dem Altar ihrer Anti-Delfinarien-Ideologie opfern, sie also somit praktisch ermorden, werden. Vor dem Hintergrund muss man tragischer Weise fast schon hoffen, dass die Tiere nach China kommen, denn selbst in schlechten Aquarien oder Zoos in China wird es den Tieren wahrscheinlich besser gehen als in der Hand der Aktivisten, die Keiko so mies behandelt haben wie es keinem guten Zoo oder Aquarium jemals erlaubt gewesen wäre.

Wilde Orcas im Bereich South Georgia – man sieht gut Hautunreinheiten | Foto: Christopher P. Michel, Lizenz: CC BY 2.0

Eine Auswilderung ist aber erstmal ohnehin nicht wirklich zu erwarten. Die Tiere gehören ja weder den Aktivisten, noch der russischen Regierung, sondern dem Walfang-Unternehmen. Der Aktivist Dmitry Lisitsyn, ein russischer Naturschützer, der vor Ort mit den Gegebenheiten vertraut ist, sagte, die Regierung habe nicht einmal eine gerichtliche Klage eingereicht, um die Tiere von den Unternehmen, die sie halten, zu beschlagnahmen. Ohne eine Beschlagnahmung der Tiere und einer anschließenden Übertragung der Besitzrechte kann auch ein Gouverneur jetzt sehr viel versprechen, aber er hat keinerlei echte Verfügungsgewalt.

Das Unternehmen müsste also enteignet werden und dagegen kann es klagen – solche gerichtlichen Vorgänge können sich Jahre hinziehen ohne dass sich für die Tiere auch nur etwas verändert. Für eine Beschlagnahmung aber müsste auch eine Straftat vorliegen und das tut sie nicht. Der Fang dieser Tiere war wohl legal. Man kommuniziert aktuell nämlich nicht, dass es enorme juristische Hürden gibt, die noch nicht mal begonnen worden sind zu überwinden. Letztendlich handelt man also, um es sprichwörtlich zu sagen, mit ungelegten Eiern.

Sowas kann sich dann natürlich, wie bereits skizziert, prima so lange hinziehen bis die Tiere alle nicht mehr auswilderungsfähig sind, und dann war alles, ja, wirklich alles, umsonst. Außer Spesen ist dann im wahrsten Sinne des Wortes nichts gewesen. Zudem ist es ein Hirngespinst zu glauben, dass China Russland braucht, um an Wale zu kommen. An der Grundproblematik verändern wird dieses Projekt also keineswegs irgendetwas.

Der Mord an Keiko

Schaut man sich das Team an, was sich im Rahmen des Whale Sanctuary Projects wichtigmacht, findet man viele der Pseudo-Experten, die Keiko seine letzten Lebensjahre tüchtig versaut haben. Schaut man sich besonders die beiden Unterzeichner an, findet man Interessantes zu ihrem nachweislich falschen Handeln in Mark Simmons‘ Buch „Killing Keiko“:

“Back in the „office“ Charles Vinick continued to prop up the operation, and convincing  the FWKF board, Humane Society of the United States (HSUS) and even Jean-Michel  that Keiko would go free any time . . . that it was merely a matter of days. A report that Keiko was often seen competing with the wild whales for food was spoon-fed to the media. This version of Keiko perverted actual events taking place around the island chain over 4,000 miles away. Charles assurances – intended to bolster ongoing financial support – when they continually fell short, only augmented the impatience of those bracing up the prolonged release effort.”

“The dumbing-down of the project was palpable to [Charles Vinick]. He had lived it, he had orchestrated it. Charles had been devoutly loyal to OFS founder Jean-Michel for many years. […] He now focused on the survival of OFS and protecting his dear friend’s name. Ultimately, OFS relinquished control of the project to HSUS. […] Effectively, Charles’ management of the field operations was callously handed over to supervision of Dr. Naomi Rose, a lead biologist for HSUS.”

[Übersetzung: Zurück im „ Büro“ unterstützte Charles Vinick die Operation weiter und überzeugte den FWKF-Vorstand, die Humane Society of the United States (HSUS) und sogar Jean-Michel, dass Keiko jederzeit in die Freiheit könnte. . . dass es nur eine Frage von Tagen war. Ein Bericht, dass Keiko oft mit wilden Walen um Nahrung konkurrierte, wurde den Medien mit Löffeln gefüttert. Diese Version von Keiko pervertierte die tatsächlichen Ereignisse, die um die Inselkette über 4.000 Meilen entfernt stattfanden. Charles Zusicherungen, die die laufende finanzielle Unterstützung stärken sollten, verstärkten die Ungeduld derjenigen, die die sich gegen die langwierigen Auswilderungsversuche aufbäumten. Charles Vinick war mit dem Stillstand des Projekts konfrontiert. Er hatte es gelebt, er hatte es orchestriert. Charles war dem OFS-Gründer Jean-Michel seit vielen Jahren treu ergeben. Jetzt konzentrierte er sich auf das Überleben von OFS und den Namen seines lieben Freundes. Letztendlich übergab OFS die Kontrolle über das Projekt an HSUS. Das Management der Feldoperationen von Charles wurde effektiv der Aufsicht von Dr. Naomi Rose, einer leitenden Biologin für HSUS, übergeben.]

Auszug aus dem Buch “Killing Keiko” von Mark Simmons

Naomi Roses falsche Entscheidungen brachten Keiko schließlich um, aber die Fehler geschahen schon in der Verantwortung von Vinick und Cousteau, denn Keiko war nie ein Kandidat für eine Auswilderung: er war viel zu lange in Menschenobhut und schon zu sehr an den Menschen gewöhnt. Allein der Versuch der Auswilderung war Tierquälerei. Menschen wie Mark Simmons haben dann noch versucht, das Schlimmste zu verhindern, aber die Aktivisten saßen an den entscheidenden Hebeln im Projekt.

Die renommierte Tierschützerin Dr. Robin Ganzert, nennt dieses Projekt heute einen “Mord”. 20 Millionen Dollar wurden für ein Projekt verschwendet, das es nie hätte geben sollen, wäre nicht das Geld verdienen, sondern die Bedürfnisse von Keiko an der Spitze der Prioritätenliste der Entscheider gewesen. Nicht nur Vinick und Cousteau sind heute Teil des Whale Sanctuary Project, sondern auch Naomi Rose. Solchen und unseriösen Leuten soll man nun zutrauen, dass sie in Russland besser machen, was sie im Fall Keiko falsch gemacht haben, während sie sich immer noch keiner Schuld bewusst sind? Das ist selbst für einen ausgewiesenen Optimisten wohl zu optimistisch.

Wildfänge effektiv verhindern

Die Gegner der Walhaltung sind nicht Teil der Lösung, sondern im Gegenteil ein wesentlicher Teil des Problems. Keiner dieser Wildfänge, die jetzt mit Krokodilstränen beweint werden und die man quasi rückgängig machen will, wäre nötig gewesen. Zoogegner werfen aber selbst den modernen Delfinarien, in denen die Nachzucht inzwischen sehr erfolgreich möglich ist, Steine in den Weg und hetzten gegen die modernen Haltungen in den USA und Europa genauso wie gegen die Haltungen in Russland und China. Walzucht soll verboten werden, fordern diese Extremisten immer wieder.

Baby Ula und Mutter Morgan geht es im Loro Parque sehr gut. | Foto: Loro Parque

Walzucht kann aber Wildfänge verhindern. Das geschieht bereits heute in Japan. Der Weltzooverband hat den Zooverband des Landes erfolgreich davon überzeugt, auf Zucht statt auf Wildfang zu setzen, in dem man anbot, Erfahrungen auszutauschen. Das war der stärkste Schlag gegen die Lebensfangindustrie von Taiji. Das wäre, wie schon seit längerem für Große Tümmler, auch für Orcas und Belugas möglich, aber leider wird genau gegen diese Haltungen wir gehetzt. Das ist nicht nur kontraproduktiv, sondern auch mitverantwortlich dafür, dass für Russland und China weiterhin Tiere gefangen werden.

Denn diese beiden Großmächte wollen Wale halten und das werden sie auch tun, denn niemand kann sie wirklich davon abhalten. Die einzige Chance, die man hat, ist von außen über Gespräche und Beratungen von wirklichen Experten die Einrichtungen hin zu einem Zuchtprogramm zu bewegen, damit die Wildfänge aufhören. Ob es ein nationales Zuchtprogramm wird oder eventuell sogar weltweit organisiert werden muss, steht dabei noch in den Sternen. Fest steht aber dennoch: anders wird es nicht gehen und es ist endlich Zeit, dass sich echte Experten diesem Thema annehmen und dass nicht den Pseudo-Experten der Tierrechtsindustrie das Feld überlassen wird.  

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