Seehund im Zoo Neuwied | Foto: Lothar Spurzem, Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE

Zoo Neuwied: “Wenn sich nicht sehr bald etwas tut, werden wir das nicht überstehen”

Exklusiv für zoos.media – 05.01.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Der Lockdown hat dem Zoo Neuwied deutlich zugesetzt. Nun steht fest: Wenn sich nicht etwas ändert, ist der Zoo Ende Februar 2021 nicht mehr liquide.

Zoo Neuwied: “Wenn sich nicht sehr bald etwas tut, werden wir das nicht überstehen”

Im Zoo Neuwied hat sich gerade in den letzten Jahren viel getan. Zoodirektor Mirko Thiel kennt den Zoo schon sehr lange: 1986 begann er als Tierpfleger-Helfer, arbeitete in der Zooschule, leitete sie schließlich und wurde zum stellvertretenden Direktor bevor er, in einer Doppelspitze, die Leitung übernahm. In dieser Zeit wurde viel bewegt und der Zoo entwickelte sich enorm weiter. Die Lockdowns haben diese Entwicklung ausgebremst und nun steht der Zoo vor dem Aus. Mirko Thiel und Wirtschaftsberater Hans-Dieter Neuer machten nun deutlich, “dass wir ohne eine kurzfristige nachhaltige Hilfe seitens der Landesregierung durch die enormen Einnahmeverluste während der beiden Lockdowns im Frühjahr und Winter 2020 sowie die nicht zu reduzierenden Fix-Kosten des Zoos, spätestens im Februar 2021 nicht mehr in der Lage sind unsere finanziellen Verpflichtungen für Löhne, Versorgung der mehr als 1.800 Tiere und die laufenden Kosten zu erfüllen.” Das berichtete der NR-Kurier gestern.

Krisengespräch mit der CDU

CDU-Stadtratsfraktionschef Martin Hahn und Pascal Badziong, Mitglied im Stadtrat und Kreistag Neuwied sowie Landtagskandidat für die CDU, trafen sich mit den beiden Geschäftsführern des Zoos zum Krisengespräch. Während der Unterhaltung wurde die Lage des Zoos sehr deutlich. Zwar gab es 320.000€ Spenden von Privatpersonen, aber das Defizit, das auf mindestens 700.000€ beziffert wird und jeden Tag unaufhörlich weiter wächst, ist immer noch sehr groß. Vom Land hingegen gab es bisher nur insgesamt 42.000€ – nicht mehr als ein Tropfen auf den brandheißen Stein. Zudem fehlen dem Zoo auch bisher 50.000 Euro, die ihm vom Land für den Neubau der Prinz-Maximilian-zu-Wied-Halle zugesagt wurde.

“Wir sind entsetzt darüber, dass die SPD-geführte Mainzer Landesregierung den größten Zoo mit rund 260.000 Besuchern im Jahr sehenden Auges gegen die Wand fahren lässt. Dass Innenminister Roger Lewentz (SPD) dann auch noch die Frechheit besitzt, sich mit einer Zuschussbewilligung von 536.000 Euro, die der Zoo in seiner momentanen Situation niemals im Jahr 2021 verbauen kann, zu brüsten, ist eine beispiellose Brüskierung der zahlreichen Menschen, die sich ehrenamtlich im Förderverein des Zoos engagieren.” – Martin Hahn & Pascal Badziong

Das Problem mit der rund halben Million an Zuschuss ist nämlich, dass der Zoo sie nur zweckgebunden verwenden kann und sie bringt dem Zoo in der aktuellen Situation somit gar nichts. Daher machen sich die CDU-Politiker für einen Rettungsschirm für den Zoo mit dem Umfang von einer halben Million stark: “Wir können uns vorstellen, dass wir uns als Stadt und Kreis analog zu anderen Landesinstitutionen mit 100.000 Euro beteiligen, wenn das Land den Löwenanteil von 400.000 Euro bereitstellt”, erklärt Pascal Badziong. Ebenso würde erwägt, den städtischen Zuschuss vorzuziehen, damit der Zoo, der nie auch nur ansatzweise nachgewiesen zum Infektionsgeschehen beitrug, als er öffnen durfte, weiter zahlungsfähig bleibt.

“Wir erwarten jetzt kurzfristig und ganz konkrete Hilfe aus Mainz, die bis Ende Januar fließen muss, damit der Zoo vor der Insolvenz gerettet werden kann. Wir werden Ministerpräsidentin Dreyer persönlich für das Schicksal der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die um ihre Arbeitsplätze bangen und der 1.800 Tiere, deren Versorgung bei einer Insolvenz zu 100 Prozent auf Staatskosten gesichert werden muss, verantwortlich machen.” – Martin Hahn & Pascal Badziong

Mitte März stehen im Bundesland Wahlen an und ob sich die von “Malu” Dreyer geführte Ampelkoalition eine Pleite eines der beliebtesten Zoos des Landes leisten kann, ist fraglich. Die in der Koalition tonangebende SPD steht in den Umfragen rund um die anstehenden Wahlen bereits längst nicht mehr so gut dar wie noch zu Beginn der Legislaturperiode – mit rund 8% Verlust für die SPD kann man nach aktuellen Umfragen rechnen und die CDU wäre zudem noch stärkste Kraft im Landtag. Ebenfalls gestern sprach sich Dreyer für eine Verlängerung des Lockdowns aus.

Keine Evidenz für Zooschließungen

Für die Schließung von Zoos und Aquarien existiert keine wissenschaftliche Evidenz: es ist nicht ein Fall in Deutschland bekannt, in dem ein Zoo zum Hotspot wurde – weder (zu Beginn des Jahres) ohne, noch (in den Sommermonaten) mit Hygienekonzept. Das ist auch logisch begründbar, weil ein Zoobesuch nicht anders zu bewerten ist, als ein Spaziergang im Freien und der ist auch sinnvollerweise erlaubt, weil er das Immunsystem stärkt. Zudem sind auch generell der Gesundheit zuträgliche Effekte mit einem Zoobesuch nicht nur assoziiert, sondern wissenschaftlich hinreichend belegt:

Zoos und Aquarien werden von der Politik letztendlich missbraucht, um eine Stärke und Härte des Lockdowns zu demonstrieren. Allerdings ist ebenfalls hinreichend wissenschaftlich nachgewiesen, dass – anders als von vielen populistisch behauptet – die Härte und Strenge der Maßnahmen bei der Reduzierung der Todeszahlen gar keine Rolle spielt:

  • Chaudhry et al. (2020): “Maßnahmen der Regierung wie Grenzschließungen, vollständige Lockdowns und eine hohe Rate an COVID-19-Tests waren nicht mit einer statistisch signifikanten Verringerung der Anzahl kritischer Fälle oder der Gesamtmortalität verbunden.”
  • Loewenthal et al. (2020): “Wir hätten erwartet, dass in Ländern mit härteren Lockdowns weniger Covid-19-Todesfälle zu verzeichnen sind, aber die Daten zeigen, dass dies nicht der Fall ist.”
  • De Larochelambert et al. (2020): “Die Strenge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, einschließlich Lockdowns, schien nicht mit der Sterblichkeitsrate verbunden zu sein.”

Statt der Demonstration der Stärke, wäre es angebracht, vulnerable Gruppen zu schützen – dort gibt es nämlich aktuell die meisten Fälle. Dazu sind bereits eine Vielzahl an Ansätzen verfügbar, die aber von der Politik nicht ausgeschöpft werden. Stattdessen fährt man, inzwischen gegen hinreichende wissenschaftliche Evidenz, weiter die Lockdown-Strategie, die ja eben gerade nicht das verhindert, was eigentlich alle verhindern wollen: vermeidbare Todesfälle. Kein geschlossener Zoo und auch keine geschlossenes Aquarium kann also das leisten, was die Politik sich erhofft: weniger Corona-Tote. Bewegung an der frischen Luft schadet eben auch generell gerade in der Saison der Akuten Respiratorischen Erkrankungen (AREs) nicht. Im Zoo Neuwied und vielen anderen Zoologischen Institutionen ist genug Platz für Mensch und Tier, um sicher einen Tag im Zoo zu genießen.

Öffnung alleine reicht nicht

Es sich nun einfach machen und den Zoo Neuwied nur zu öffnen, reicht nicht. Seit Monaten fordern Zoos und Zooverbände Rettungsschirme und bleiben oft ungehört. Das ist bemerkenswert in einer Zeit, in der es in der Politik zur Mode geworden ist, den Klimaschutz und das eigene Engagement in diesem Bereich in den Medien zur Schau zu tragen, denn Zoos und Aquarien betrieben schon Klimaschutz als es noch gar nicht in Mode war. Die Natur zu erhalten und Arten zu schützen ist nämlich der effektivste und wissenschaftlich am besten untermauerte Klimaschutz, den man betreiben kann. Ein gesundes Klima kommt durch gesunde Ökosysteme und die sind ohne das Engagement von Zoos und Aquarien sowohl in Deutschland als auch über die Grenzen hinaus kaum noch denkbar.

Seit Jahrzehnten wird mit Ökosystemen Jenga gespielt: Wie bei dem populären Spiel, wird Baustein für Baustein, also Art für Art, aus dem Turm und somit dem Ökosystem entfernt. Zoos und Aquarium bringen die Bausteine des inzwischen fragil gewordenen Turmes, also die Arten der geschädigten Ökosysteme, aber wieder zurück und stabilisieren das Bauwerk beziehungsweise die Systeme wieder. Diese wichtige Arbeit wird nicht nur seit Jahrzehnten staatlich zu wenig unterstützt, sondern nun auch in der Coronakrise offenbar völlig vergessen. Noch im September 2019 monierte Dreyer, dass “konkrete Beschlüsse” im Klimaschutz “überfällig” seien. Die Chance diesen Worten auch Taten folgen zu lassen, versäumt sie aktuell, indem sie einen der durch sein Natur- und Artenschutzengagement wichtigsten Klimaschützern ihres Bundeslandes sehenden Auges in die Insolvenz gehen lässt.

Wie sollen ihr die Wähler dann bei der Wahl im Frühjahr noch ehrliches Engagement zum Schutz der Natur abkaufen? “Alle reden über Klimaschutz: Wir legen los!”, behauptet die SPD gerne. Seit 1998 regiert die SPD bis auf eine Unterbrechung von 2009 bis 2013 ununterbrochen mit und hatte schon genug Möglichkeiten loszulegen und etwa Zoos und Aquarien deutlich mehr zu unterstützen, aber es wird nicht getan. An mangelndem Willen seitens der CDU scheitert das übrigens nicht, das zeigt auch erneut dieser Fall. In Rheinland-Pfalz stellt die SPD seit 1991 mit Scharping, Beck und nun Dreyer sogar ununterbrochen den Ministerpräsidenten beziehungsweise die Ministerpräsidentin – spätestens jetzt könnte man ja mal loslegen, aber man lässt die Zoos, so wie es aktuell ausschaut, lieber am langen Arm verhungern.

In Worten lässt sich leicht der Schutz der Natur fordern, denn die Forderung alleine ist ein No-Brainer. Wenn diesen blümeranten Worten dann keine Taten folgen, sind sie auch nichts wert, denn sie bringen den wahren Schutz ja nicht voran. Keine Art wird von schönen Worten gerettet, sondern nur von harter Arbeit, die unter anderem der Zoo Neuwied etwa leistet – und das jeden Tag seit über 50 Jahren. Eine Öffnung alleine wird nicht reichen, sondern es braucht zudem noch einen Rettungsschirm in einer Höhe, die der trotz Lockdown geleisteten Arbeit eben auch gerecht wird. Es ist das Mindeste, dass das Land das Defizit, dass durch seine Entscheidungen entstanden ist, ausgleicht. Die Natur- und Artenschutzprojekte standen nämlich trotz der erschwerten Bedingungen nicht still wie etwa die erst jüngst erfolgte, erfolgreiche Nachzucht bedrohter Papageien eindrucksvoll und beispielhaft belegt.

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