Europäischer Nerz im Zoo Osnabrück | Foto: zoofanatic, Lizenz: CC BY 2.0

Zoo Osnabrück erwägt Gang vor das Bundesverfassungsgericht

Erschienen auf zoo-osnabrueck.de am 16.04.2021.

Ein Zoo, der um sein Offenbleiben kämpft: der Zoo Osnabrück erwägt, sollte die bundesweite Notbremse kommen, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

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Kommentar: Als erster Zoo in Deutschland spricht sich der Zoo Osnabrück sehr deutlich gegen die von der Bundesregierung geplante Notbremse aus und kündigt sogar an im Notfall vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Dieser Schritt kommt sowohl den Tieren und Menschen im Zoo, als auch vielen Besuchern zu Gute, denn, wer ums seine Öffnung kämpft, kann zwar verlieren, wer aber gar nicht erst kämpft, der hat schon verloren. Der Zoo Osnabrück hat ja auch die Fakten auf seiner Seite: zoologische Gärten lassen sich prima ohne Risiko auch in der Coronazeit öffnen.

Die Wirkung von Nicht-Pharmazeutischen Interventionen (NPIs), wofür Zooschließungen beziehungsweise Lockdowns ein Beispiel sind, ist generell massiv umstritten. Während in vielen Ländern Lockdown-Befürworter in den Medien dominieren, sieht es in der wissenschaftlichen Literatur anders aus. Zahlreiche Veröffentlichungen belegen anhand von Daten aus zahlreichen Ländern mit unterschiedlichen Ansätzen, dass Lockdowns keine Verbesserung der wirklich relevanten Zahlen herbeiführen konnten – hier sind vier Beispiele:

  • Chaudhry et al. (2020): “[G]overnment actions such as border closures, full lockdowns, and a high rate of COVID-19 testing were not associated with statistically significant reductions in the number of critical cases or overall mortality”. [Deutsch: Maßnahmen der Regierung wie Grenzschließungen, vollständige Lockdowns und eine hohe Zahl an COVID-19-Tests waren nicht mit einer statistisch signifikanten Verringerung der Anzahl kritischer Fälle oder der Gesamtmortalität verbunden.]
  • Loewenthal et al. (2020): “We would have expected to see fewer Covid-19 fatalities in countries with a tighter lockdown, but the data reveals that this is not the case”. [Deutsch: Wir hätten erwartet, dass in Ländern mit härteren Lockdowns weniger Covid-19-Todesfälle zu verzeichnen sind, aber die Daten zeigen, dass dies nicht der Fall ist.]
  • De Larochelambert et al. (2020): “Stringency of the measures settled to fight pandemia, including lockdown, did not appear to be linked with death rate”. [Deutsch: Die Strenge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, einschließlich Lockdowns, schien nicht mit der Sterblichkeitsrate in Verbindung zu stehen.]
  • Bendavid et al. (2021): “In the framework of this analysis, there is no evidence that more restrictive non-pharmaceutical interventions (“lockdowns”) contributed substantially to bending the curve of new cases in England, France, Germany, Iran, Italy, the Netherlands, Spain, or the United States in early 2020.” [Deutsch: Im Rahmen dieser Analyse gibt es keine Hinweise darauf, dass restriktivere nicht-pharmazeutische Interventionen (“Lockdowns”) wesentlich dazu beigetragen haben, die Kurve neuer Fälle in England, Frankreich, Deutschland, Iran, Italien, den Niederlanden, Spanien oder den USA Anfang 2020 abzuflachen.]

Bereits vor der Corona-Pandemie hatte die Wissenschaft vor solcherlei politischen Maßnahmen gewarnt: “Bei Krankheitserregern, die im Alter eine höhere Morbidität verursachen, können Interventionen, die die Exposition verringern, aber nicht beseitigen, paradoxerweise die Anzahl schwerer Krankheitsfälle erhöhen, indem die Infektionslast auf ältere Personen verlagert wird.” (Cohen et al., 2008). Genau das ist ja im Winter 2020/21, in der häufig so bezeichneten “zweiten Welle”, in Deutschland passiert: Gestorben wurde vor allem in der Risikogruppe, weil man eben Exposition nie ganz beseitigen kann – besonders etwa in Pflege- und Altersheimen, die zu Hotspots wurden und auch nach wie vor, trotz Impfungen, zu Hotspots werden. Ein geschlossener Zoo hilft keinem Patienten im Pflege- und Altersheim.

Wer sich dem angeblichen und nie nachgewiesenem Risiko eines Zoobesuches nicht aussetzen will, kann jederzeit zu Hause bleiben – eine Zoo-Öffnungen ist keine Zwangsverpflichtung für einen Besuch. Jeder, der will, kann Zoos sicher besuchen und sollte auch die Möglichkeit dazu bekommen, denn Zoos und Aquarien sind wichtige und sichere Freizeitangebote. Die Öffentlichkeit wird jeder Zoologischen Einrichtung dankbar sein, wenn sie darum kämpft, weiter offen zu bleiben und so für zahlreiche Menschen einen sicheren und geschützten Ort darzustellen. Vor dem Hintergrund kann man dem Vorstoß des Zoo Osnabrück nur begrüßen.

In seiner Veröffentlichung spart der Zoo Osnabrück auch nicht an Kritik am Verband der Zoologischen Gärten (VdZ). Dieser hatte zuvor keine Anzeichen gezeigt, für offene Zoos und Aquarien zu kämpfen – wir berichteten. Andreas Busemann, Geschäftsführer im Zoo Osnabrück, erklärte: “Von einem Verband erwarte ich, dass er sich für die Interessen aller Mitglieder einsetzt. Zoos und Tierparks haben schlüssige Hygienekonzepte erarbeitet und sind eine wichtige Alternative für Familien in dieser Zeit. Dies hat der Verband vor kurzem selbst noch betont. Deswegen sollte sich der Verband sowohl für die Zoos, die nicht öffnen möchten, als auch für die Zoos, die alles geben, um in dieser herausfordernden Situation mit entsprechenden Hygienekonzepten Besucher zu empfangen, einsetzen.” Es wird abzuwarten sein, ob der VdZ diese Kritik annimmt und den Kurs ändert.

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