Majestätischer männlicher Löwe im Grünen Zoo Wuppertal | Foto: zoos.media

Töten im Zoo: Futter & Artenschutz

Exklusiv für zoos.media – 01.11.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

Es gibt tatsächlich gute Gründe dafür, dass im Zoo auch Tiere getötet werden. Ein ZDF-Beitrag hat diesem Thema und vor allem der sachlichen Argumentation Raum gegeben.

Vom Zootier zum Futtertier: Töten im Zoo

Ein über weite Strecken sehr gelungener Film des ZDF spricht über ein wichtiges Thema, das auch zum Natur- und Artenschutz gehört: das Töten von Tieren. Dass Zoogegner der Tierrechtsindustrie das immer wieder in populistischer Weise gegen die Zoos und Aquarien einsetzen, liegt auch daran, dass lange zu wenig darüber gesprochen wurde. Der Grüne Zoo Wuppertal und der Tiergarten Nürnberg sind zum Glück schon lange anders – das zeigt sich auch wieder im Film.

Zucht als Futter

Es ist kein Geheimnis und war nicht das erste Mal im deutschen Fernsehen zu sehen, dass die Zwergziegen aus dem Streichelzoo vom Grünen Zoo Wuppertal, genannt JuniorZoo, zum Löwenfutter werden, wenn man keinen Platz in einer anderen Haltung für sie findet. Nach einem schönen Leben im Kreise der Familie und mit positivem Kontakt zu Menschen, endet ihr Leben für sie kurz und schmerzlos. Danach erfreuen sich die Löwen an einer für sie auch gesundheitlich vorteilhaften Mahlzeit.

Asiatischer Löwe (Panthera leo persica) im Tiergarten Nürnberg | Foto: Rufus46, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Löwen brauchen solche Ganzkörper-Fütterungen, nicht nur aus Spaß an der Freude oder Enrichment, sondern auch um das für sie lebenswichtige Taurin aufzunehmen. Das können sie nicht selbst in ausreichendem Maße herstellen, bekommen es aber durch das Verzehren ganzer Tierkörper. Dabei spielt aber eben die Qualität eine große Rolle. Deshalb ist es verständlich, das Fleisch dafür zu nehmen, dessen Qualität man am besten kontrollieren kann. Das findet sich in der eigenen Haltung.

Schaut man auf Forschung bezüglich der Besucher-Reaktion zu diesem Thema der Verfütterung von Kadavern, also den toten Tierkörpern, so stößt das die meisten Besucher nicht ab. Das kann man auch beobachten, wenn man selbst im Zoo ist, was der ZDF-Film auch tut, und man wird das sehr gut sehen können. Besonders sinnvoll ist es mit edukativer Aufbereitung eingesetzt.

Töten für den Artenschutz

Auch bei bedrohten Arten kann – ohne die Verfütterung als Primärziel – eine Tötung von Tieren im Zoo sinnvoll sein. Daher blickt der Film auch nach Kopenhagen. Hier geht man auch sehr offen damit um, aus Gründen des Populationsmanagements Giraffen und auch zum Beispiel auch Löwen zu töten. Aus Tierwohl-Sicht hat man in Dänemark einen etwas anderen Blick: man schaut primär auf das Wohl der zu erhaltenden Population, nicht zu sehr auf das des individuellen Tieres.

Löwen im Zoo Kopenhagen
Quelle: Guillaume Baviere/flickr CC 2.0

In Zoos und Aquarien werden, dank der guten Pflege, die Tiere älter und das bedeutet auch, sie verbrauchen Platz zu einem Zeitpunkt, zu dem sie das in der Natur bereits nicht mehr täten. Die Natur ist erbarmungslos und schont die Alten nicht so, wie es die Pfleger tun. Das führt zu einer Alterspyramide innerhalb der Zoo-Population, die Erhaltungszucht deutlich schwieriger macht, weil es deutlich mehr Halter bräuchte, aber einen Zoologischen Garten gründet man eben nicht schnell nebenbei.

Daher greift man insofern in das Leben der Tiere ein, dass man einige der überzähligen Tiere, die für die Zucht nicht weiter von Belang sind und die auch in keinen anderen Zoo gehen können, tötet. Dadurch kann man im verfügbaren Platzrahmen eine sehr hochwertige, weil genetisch sehr diverse Zuchtpopulation kreieren. In Dänemark ist diese Praktik akzeptiert, etwas weiter südlich, in Deutschland zum Beispiel, bekommt der ein oder andere dabei einen Kloß im Hals. Gleichwohl muss man darüber sprechen.

Was liegt wirklich im Interesse des Tieres?

Drill im Wuppertaler Zoo – die Art ist auf moderne Zoologische Institutionen angewiesen | Foto: zoos.media

Es erscheint wie ein Tabu danach zu fragen, ob ein langes Leben wirklich das primäre Interesse eines Tieres ist. Das liegt daran, weil viele Menschen sich in das Tier hineinprojizieren und sie sich ein langes Leben wünschen. Die Natur tut das nicht und nimmt auf solche hineinprojizierten Wünsche auch keine Rücksicht. Im Zoologischen Garten hingegen passiert das aus menschlich nachvollziehbaren Gründen. Die Zoomitarbeiter schließen natürlich ihre Tiere auch ins Herz und sie dann gehen zu lassen, fällt sehr schwer.

Dr. Dag Encke, Direktor vom Nürnberger Tiergarten, wirft auch im Film die Frage auf, ob das lange Leben denn wirklich so stark im Interesse des Tieren liegen würde oder es nicht eher im Interesse des Tieres liegt, ein möglichst naturnahes, aber dafür kürzeres Leben zu führen. Durch Zuchtmanagement greift man eben auch ein und eine Löwin zum Beispiel hat nicht so viele Jungtiere, wie sie es in der Natur hätte. Gleichwohl haben die Medikamente zur Verhütung auch Nebenwirkungen: nichts, was eine Hauptwirkung hat, hat keine Nebenwirkung. Das ist auch ein Grund für das Vorgehen in Dänemark.

Es ist also gar nicht abwegig, dass ein kürzeres Leben für Tiere unter solchen Umständen ein besseres sein kann als ein längeres. So käme man in der Imitation natürlicher Umstände im Zoo der Natur noch etwas näher. Der Nachteil dessen ist, dass man eben auch unter Umständen sich von geliebten Tieren früher verabschieden muss. Hart gesagt, dient der Zoologische Garten aber vor allem den Arterhalt und kann auf menschliche Sentimentalitäten nicht so sehr Rücksicht nehmen, wenn es um das Überleben von Arten geht.

Zuchtstopp keine Option

Bonobo im Grünen Zoo Wuppertal | Foto: zoos.media

“Warum hört man dann nicht einfach auf zu züchten?”, mag man sich an dieser Stelle fragen. Das würde aber aus organisatorischer Sicht das Problem mit der Alterspyramide nur verstärken. Dann würde diese nämlich nicht – wie es in der Natur ist – nach oben spritz zulaufen, sondern nach unten. Auf lange Sicht könnte das eine Population sogar funktional aussterben lassen. Für Reserve-Populationen macht das gar keinen Sinn und würde das Anliegen der Erhaltungszucht torpedieren.

Allerdings, wie bereits angedeutet, trägt die Fortpflanzung zum Wohlergehen und zur Gesundheit des individuellen Tieres bei. Ein Zuchtstopp wäre also völlig gegen das Interesse des einzelnen Tieres, aber auch der anderen Tiere. Gerade in Sozialverbänden lebende Tiere brauchen Jungtiere, um ihr natürliches Verhalten vollends auszuleben. Dazu kommen eben empfängnisverhütende Medikamente nicht ohne Nebenwirkung – das kennen auch Frauen von der Pille. Man muss es also sehr genau abwägen.

Umgang mit Überpopulation

Was leider im ZDF-Film unerwähnt bleibt, ist der Umstand, dass ja nicht nur Zoos und Aquarien vor dem Problem der Überpopulation stehen: inzwischen bekannt dürfte sein, dass es in nicht wenigen Nationalparks Afrikas zu viele Elefanten gibt. Ein Nationalpark ist letztendlich nichts anderes als ein großes Gehege, ein abgesperrter Bereich Natur, der auch nur ein gewisses Fassungsvermögen hat, wenn das natürliche Gleichgewicht intakt bleiben soll. Das ist auch ein großes Problem.

ZimParks beklagen Überbevölkerung von Elefanten

Populationsmanagement ist in Nationalparks aufwendiger und quasi unmöglich. Hier wird man auch den Weg gehen müssen, im Interesse der Population zu handeln, um die Zahl der Tiere vor Ort durch menschliche Eingriffe zu verringern. Die Verbringung in andere Haltungen wird an dieser Stelle leider erschwert, also wird die Populationskontrolle wohl nicht selten mit dem Gewehr stattfinden müssen.

Im Artenschutz muss man immer wieder aufpassen, dass nicht die persönliche Bindung zu individuellen und liebenswerten Tieren den Blick auf die Gesamtpopulation verstellt. Das zwingt einen auf Dauer zu unpopulären Entscheidungen. Viele Nationalparks haben zu lange gewartet und stehen jetzt vor einem drängenden Problem der Überbevölkerung. Die Zoowelt hat noch Zeit hier rechtzeitig Lösungen zu finden oder besser gesagt zu nutzen: denn die Lösungen existieren ja schon, nur zögert man dabei sie umzusetzen.

Töten im Interesse des Überlebens

Elefantenbaby Gus im Grünen Zoo Wuppertal | Foto: zoos.media

Damit wird klar, dass nicht nur das Töten fürs Futter kein Tabubruch mehr darstellen sollte. Populationsmanagement im Sinne des Artenschutzes kann es auch notwendig machen, überzählige Tiere, die sonst nirgendwo mehr Platz haben, human zu töten. Wenn sie dafür vorher ein besseres Leben hatten, kann das sogar in ihrem Interesse liegen. Bei einer Löwin ohne die Risiken der Empfängnisverhütung wird das wahrscheinlich der Fall sein. Ähnliches gilt für viele andere Arten in gleicher oder ähnlicher Weise.

Aus diesem Grund ist es wichtig, eine Diskussion darüber anzustoßen – und das in sachlicher und nicht emotionaler Art und Weise. Letztendlich ist der moderne Zoologische Garten vor allem ein Zentrum zur Umsetzung vom One Plan Approach. Dazu gehört es eben auch, gesunde Reserve-Populationen aufzubauen. Letztendlich geht es im Artenschutz immer primär um die Population und den Lebensraum, denn der muss erhalten bleiben. Nicht anders ist es in der Natur: auch dort sterben Tiere, damit das große Ganze am Leben bleibt.

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