Blick in das Aquarium "Offener Atlantik" im Ozeaneum in Stralsund | Foto: Klugschnacker, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Robert Marc Lehmann: Leiter von Europas größtem Aquarium?

Exklusiv für zoos.media – 14.10.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

In einem seiner Videos behauptete Robert Marc Lehmann, er habe “Europas größtes Aquarium geleitet”. Das war Grund genug, um einmal genauer bei seiner ehemaligen Arbeitsstelle nachzufragen.

Robert Marc Lehmann: Leiter von Europas größtem Aquarium?

Der YouTuber und Aktivist Robert Marc Lehmann bezeichnet sich immer wieder als Experte für Aquarien, Fische oder ähnliche Themen beziehungsweise wird auch hin und wieder als solcher bezeichnet. In seinem Video gegen den Streamer Montana Black untermauerte er diese Expertise, von der nach fachlichen Analyse eines anderen Experten dann doch wenig übrig blieb, wie folgt:

Leute, nochmal: Ich beschäftige mich – nur für die, die es nicht wissen und jetzt dieses Video sehen – 33 Jahre lang mit Fischen, ich hab es studiert, ne Diplomarbeit drüber geschrieben, ne Forschungsarbeit drüber geschrieben, Europas größtes Aquarium geleitet, jahrelang selber das Viehzeug gefangen, verkauft, gehalten, geschmukt [sic!], geschummelt und gelogen – ich kenn mich schon ein bissl aus.” – Robert Marc Lehmann

Hat Robert Marc Lehmann tatsächlich das Aquarium geleitet?

Das Ozeaneum in Stralsund | Foto: Klugschnacker, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Das ist keine neue Behauptung. Man liest sie so oder so ähnlich in Presseartikeln und auch auf der eigenen Webseite wird auf seine leitende Funktion im OZEANEUM Stralsund, das heute zum Deutschen Meeresmuseum gehört, hingewiesen. Mal ist er dann in solcherlei Narrativen kompletter Leiter gewesen, mal nur Abteilungsleiter, so ganz sicher scheint man sich da insgesamt irgendwie nicht zu sein.

Zwischen dem angeblich jüngsten Aquarienleiter Europas, was man in manchem Presseartikel liest, und einem Abteilungsleiter, was man auf Lehmanns eigener Webseite zum Beispiel liest, liegen nun mal aber Welten. Das ist Grund genug, einfach mal beim Deutschen Meeresmuseum nachzufragen.

“Robert Marc Lehmann war vom 01.12.2008 bis zum 30.11.2009 im OZEANEUM als Teamleiter beschäftigt”, teilte man uns auf Anfrage mit einer Betonung auf “Teamleiter” mit. Teamleiter ist nun nochmal etwas völlig anderes als Abteilungsleiter oder gar Aquariumsleiter. “Seine direkte Vorgesetzte war die Abteilungsleiterin, deren Vorgesetzte wiederum die Leiter/Direktoren waren”, wurde von Seiten des Deutschen Meeresmuseums weiter erklärt.

Das größte Aquarium Europas?

Ammenhai im großen Haitunnel vom Oceanogràfic Valencia | Foto: zoos.media

Superlative werden gern benutzt, um die eigene Institution besonders herausragen zu lassen. Das Deutsche Meeresmuseum hat sich dem fraglichen Superlativ aber nie bedient. “Beim OZEANEUM handelt es sich um ein Museum, dessen Ausstellungen durch Aquarien ergänzt werden”, hieß es seitens der international bekannten Institution.

Das französische Meereszentrum “Nausicaá” in Boulogne-sur-Mer beherbergt Europas größtes Aquarium und löste somit 2019 das Oceanogràfic im spanischen Valencia ab, das 2003 eröffnet wurde und bei manchen Autoren noch heute diesen Superlativ zugestanden bekommt – das hängt auch mit der unterschiedlichen Definition des Superlativs zusammen. Egal, wie man es also dreht und wendet: Robert Marc Lehmann war weit entfernt davon durch seine Anstellung in Stralsund das größte Aquarium Europas zu leiten.

Bruch mit der Industrie?

Blick ins Aquarium “Stralsunder Hafenbecken” im Ozeaneum Stralsund | Foto: Klugschnacker, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Teil der Narrative rund um Robert Marc Lehmann ist natürlich auch sein angeblicher “Bruch mit der Aquarien- und Zooindustrie”, von der man gerne mal in Berichten über seine Person so oder so ähnlich liest. Das klingt irgendwie so, als habe Lehmann seine angeblich so hochranginge Position, die sich nun eher als kleines Führungspöstchen herausstellt, an den Nagel gehängt und sich der ach so “guten Sache” zugewandt.

Es ist ein typisches Narrativ, das man in der Tierrechtsindustrie häufig liest, was dann aber meist schnell entzaubert wird, weil der ach so reuige Sünder dann doch das Arbeitsverhältnis nicht selbst aufgelöst hat. So ist es auch im Falle von Robert Marc Lehmann: “Das Arbeitsverhältnis mit Herrn Lehmann wurde vom Deutschen Meeresmuseum beendet”, heißt es auf Nachfrage. Warum könne man “aus Gründen des Persönlichkeitsrechtes nicht beantworten”.

Was wirklich vorgefallen ist, wird man also nie erfahren können, nur wirkt es an dieser Stelle so, als habe wohl eher der Arbeitgeber einen Strich unter das Arbeitsverhältnis gezogen als umgekehrt. Bei einem eigenständigen Bruch hätte er ja das Arbeitsverhältnis beendet.

Diplomarbeit & Forschungsarbeit?

Der 39-jährige YouTuber behauptet ja von sich, sich 33 Jahre mit Fischen beschäftigt zu haben – dazu reicht ja im Prinzip auch ein Heimaquarium, denn das Verb ist recht schwammig in seiner Aussage. Konkret wird er dann im Zitat oben aber direkt danach, bevor er seine doch mehr als kreative Interpretation seiner Teamleiter-Stelle abliefert: “ich hab es studiert, ne Diplomarbeit drüber geschrieben, ne Forschungsarbeit drüber geschrieben”.

Die Diplomarbeit gibt es, aber vom Ozeaneum gibt es da auch noch mehr zu berichten: “Robert Marc Lehmann stellte seine Diplomarbeit im OZEANEUM mithilfe einer Assistentin fertig. Im Rahmen seiner Arbeit untersuchte er das Wachstum von Flusskrebsen.” Krebse, die im Süßwasser leben, sind eine noch viel kreativere Interpretation von Fischen, die – im Zusammenhang seines Videos – im Meerwasser leben.

Eine Forschungsarbeit im Ozeaneum selbst gab es, laut der Institution dann überhaupt nicht. Obwohl es also in der Aufzählung durchaus in Bezug auf seine Zeit im Ozeaneum gesetzt wirkt, denn es kann ja im Zitat durchaus so wirken, als habe er erst die Diplomarbeit geschrieben, dann geforscht und wäre schließlich Leiter geworden, fand sie gar nicht am Haus statt.

Fänge & Transporte

Das Aquarium “Greifswalder Bodden” im Ozeaneum Stralsund | Foto: Klugschnacker, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Robert Marc Lehmann habe “jahrelang selber das Viehzeug gefangen, verkauft, gehalten, geschmukt [sic!], geschummelt und gelogen”, behauptet der YouTuber direkt nach dem Leiter-Statement. Darauf angesprochen, verwehrt sich die Institution besonders gegen die Wortwahl: “Bezeichnungen wie “Viehzeug” o. Ä. werden bei uns nicht verwendet.” Und weiter: “Unsere Aquarianer*innen kümmern sich sehr sorgsam, respektvoll, mit viel Fachwissen und Engagement um das Wohl aller Tiere, die sich in unserer Obhut befinden.”

Insgesamt gab es vier Reisen (drei nach Norwegen, eine nach Schweden in der Zeit zwischen 2007 und 2009), an denen Lehmann laut Ozeaneum “vorrangig auf freiberuflicher Basis (als Honorarkraft)” teilnahm. Es ging dabei um den Erstbesatz von Aquarien in diesem Hause. Verkauft habe er diese im Auftrag des Ozeaneums nie. Zudem habe er dort auch nur “kleinere regionale Transporte durchgeführt, keine großen internationalen”. Geschummelt und gelogen habe er im Auftrag des Hauses selbstverständlich ebenso nicht.

Diese vier Reisen waren nötig, weil es für die Tiere keinen Markt gibt – bei tropischen Meeresfischen, um dies es im Video ja eigentlich geht, ist das bekanntlich anders. “Daher hat sich das OZEANEUM-Team über viele Jahre darauf spezialisiert, Tiere für die Aquarien, soweit erforderlich, selbst zu beschaffen und so bedarfsgerechten und nachhaltigen Einfluss auf die Art und Weise sowie auf die Menge der Fänge zu nehmen”, heißt es von Seiten des Hauses.

Was bleibt am Ende übrig?

So richtig viel bleibt also von dieser Rede über die eigene Expertise des Robert Marc Lehmann dann nicht übrig. Er war nicht mal ein Jahr Teamleiter im Aquarien-Bereich des Museums, hat für das Haus nie tropische Fische gefangen und seine Diplomarbeit ging überhaupt nicht über Fische. Meerwasser-Aquaristik auf dem hohen Niveau, über die er Kenntnisse für sich in Anspruch nimmt, ist sehr spezialisiert.

Nur, weil man seinen Abschluss in Meeresbiologie über Flusskrebse geschrieben hat und danach ein paar Monate in einem Museum mit Aquarienhaltung Teamleiter war, ist man noch lange nicht Experte für Doktorfische, Wale oder sonstige Meereslebewesen. Das merkt man Lehmann auch durchaus an, wahrscheinlich muss er deshalb bei der Darstellung seines Werdegangs auch so – nennen wir es mal positiv – kreativ werden.

Wie schon bei den Videos, die wir besprochen haben, spielt er also auch hier darauf, dass niemand wirklich mal nachfragt. Das zeigt einmal mehr wie genau man seine Aussagen prüfen muss, aber auch wie wenig nach so einer Prüfung von seinen Aussagen übrigbleibt.

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