Indopazifischer Großtümmler an der Küste von Monkey Mia | Foto: Moongateclimber, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Bali: Trubel um “freigelassene” Delfine

Exklusiv für zoos.media – 02.12.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

Sind nun auch die verbliebenen Delfine vom Umah Lumba Rehabilitation, Release and Retirement Center auf Bali gestorben? Dieser Artikel geht der Frage nach.

Trubel um „freigelassene“ Delfine

Vor ein paar Wochen machten euphorische Meldungen die Runde: die drei Delfine Johnny, Rocky und Rambo seien ins offene Meer gelassen worden. Die Tiere hatte das Dolphin Project, gegründet vom Anti-Delfinarien-Aktivist Ric O’Barry, nach Konfiszierung durch die örtlichen Behörden erhalten und anschließend in Netzkäfige verbracht. Medien auf der ganzen Welt feierten diesen angeblichen Erfolg.

Bilanz bisher mehr als übel

Schon wenige Wochen später wurde veröffentlich, dass Johnny und Rambo wieder zurück seien und sich im Bereich des Netzkäfigs aufhielten. Johnny war zu dieser Zeit deutlich abgemagerter und starb Anfang November 2022 wohl an einer Atemwegsinfektion. Rocky hatte sich von den anderen beiden separiert und es gab Probleme dabei, ihn zu orten. Seit September 2022 ist er nicht mehr auffindbar.

Nachdem im November dann die Gerüchte sich mehrten, dass nach dem Tod von Johnny nun auch der Tod der beiden anderen Delfine besiegelt sei, reagierte das Dolphin Project Tage später mit einem Live-Video. In diesem war einzig und allein Rambo zu sehen. Rocky bleibt weiterhin nicht lokalisierbar. Nicht überraschend scheint sich das Projekt weiterhin zu weigern, den Tod des Tieres festzustellen. Das ist allerdings ein typisches Verhalten, wie man später sehen wird.

Kein seriöses Projekt

Die Netzkäfighaltung der Tiere und dann das quasi Öffnen des Käfigs, nachdem man die Tiere mit offensichtlich mehr als fragwürdigen Tags ausgestattet hatte, war mehr eine Showeinlage als ein seriöses Vorgehen. Von der Tierrechtsindustrie, wie etwa von PETA, war die Geschichte allerdings natürlich euphorisch gefeiert worden. Nun herrscht dort größtenteils Stille, wenn es um das Projekt geht.

Viele Medien sprangen auf diesen fahrenden Zug auf und dies ohne jede kritische Prüfung des Projekts. Vielmehr wurde es als “Lösung” gefeiert und wie ein Beleg dafür, dass eine Auswilderung von Delfinen aus Delfinarien doch funktionierte, obgleich es sich bei den Tieren um eine andere Art handelte. Es sind beziehungsweise waren eben nicht die Atlantischen Großtümmler (Tursiops (truncatus) truncatus), die in den meisten Delfinarien der Westlichen Welt gehalten werden.

Chronologie des Scheiterns

Der radikale Delfinariengegner Ric O’Barry wurde wegen Falschbehandlung von Delfinen bereits rechtkräftig zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. | Foto: Donald knapps, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Es ist nicht das erste Mal, dass Ric O’Barry, der eigentlich Richard Barry O’Feldman heißt, selbst beziehungsweise unter seinem Namen die Auswilderung von Delfinen versucht wurde. Ein Gelingen konnte bisher nie bewiesen werden, obgleich das Projekt seinen Gründer immer wieder als erfolgreich inszeniert. Sein bekanntestes Scheitern war wohl das mit den Sugarloaf Dolphins.

Zu diesem Pseudo-Freilassen gab es sogar ein juristisches Nachspiel mit einem hohen Geldbetrag als Strafe für die Pseudo-Auswilderer. Zum Glück konnte das Dolphin Research Center, ironischerweise der Dreh-Ort der TV-Serie Flipper, die auch O’Barry zu zweifelhafter Berühmtheit verhalf, den sicheren Tod für die Tiere doch noch abwenden.

Nur dem Dolphin Research Center in Florida und anderen seriösen Delfinhaltungen, gegen die das Dolphin Project nach wie vor hetzt, haben den beiden so genannten Sugarloaf Dolphins einen qualvollen Tod in der Natur erspart. Sie waren nämlich gar nicht auf ein Leben in der Natur vorbereitet. Nach wie vor gilt das Dolphin Research Center als eines der wichtigsten und renommiertesten Delfinhaltungs- sowie Delfinforschungszentren auf der ganzen Welt. Seit vielen Jahrzehnten sorgt diese Haltung bereits mit für eine tiergerechte Haltung von Delfinen.

Wie vertrauensvoll ist das Dolphin Project?

Es war auch diese seriöse Delfinhaltung, die zeigte, wie ruchlos das Dolphin Project immer wieder an den Auswilderungsmärchen festhält. Der Fall des Delfins Annessa wird von O’Barry gerne ins Feld geführt: er will das Tier, das bei einem Hurrikan vor etlichen Jahren aus der Haltung ins Meer kam, immer wieder gesehen haben.

Fest steht allerdings, dass diese Sichtungen nie bestätigt wurden und die Halter des Tieres, eben die Experten des Dolphin Research Center, sich bereits mit dem offensichtlichen Tod des Tieres hatten abfinden müssen. Das zeigt, dass selbst Fakten und die erschütternde Realität das Projekt in seinem Wahn nicht aufhält. Vielmehr ignoriert man genau die Fakten, die einen nicht im Wahn bestärken, einfach.

Auswildern um jeden Preis?

Wilder Delfin mit tiefen Narben und Hautläsionen in Cromarty Firth (Scotland) | Foto: Rene, Lizenz: public domain

Aus all den Lügenmärchen des Projekts und weiterer Teile der Tierrechtsindustrie – wie etwa um die “Auswilderung” von Keiko – hat sich eine für vor allem Delfine gefährliche Ideologie gebildet: man will sämtliche Tiere, die man zu fassen bekommt, um jeden Preis auswildern. Dabei ist es uninteressant, ob das im Interesse der Tiere ist. Gerade beim in die Jahre gekommenen Johnny war das, gelinde gesagt, zweifelhaft.

Die Delfine zahlen dafür mit ihrem Leben. Johnny, Keiko oder zwei koreanische Tiere sowie einige andere starben oder “verschwanden”, was nach Wochen ohne Sichtung auf das Gleiche hinauskommt. In einer seriösen Tierhaltung hingegen hätten sie alle besser und länger überleben können. Mit Tierschutz haben solche Projekte nichts zu tun und daher sucht sich die Tierrechtindustrie wohl auch immer Länder aus mit einem sehr schwachen Walschutzrecht – wie etwa Bali.

Kein Lernerfolg

Im oben erwähnten Live-Video spricht man in Gegenwart des offensichtlich an Boote gewöhnten Rambo, der allein im Bereich der Netzkäfighaltung herumlungert, davon, dass es Diskussionen darum geben würde, weitere Tiere in diese Haltung zu bringen. Nachdem also nun zwei Tiere tot sind, denn nach so einer langen Zeit ohne Sichtung kann man vom Tod Rockys ausgehen, gesteht man sich immer noch nicht ein, dass es nicht funktioniert.

Der Wahn vom Dolphin Project, das sonst empfindlich auf jeden Tod von Delfinen in Delfinarien reagiert, bricht also auch durch die nun inzwischen zahlreichen toten Delfine bei den Auswilderungsversuchen nicht. Für jeden Delfin, der irgendwie unter die Kontrolle des Projekts kommt, ist das lebensgefährlich. Jede andere Delfinhaltung mit solcher Bilanz könnte sich auf massive Kampagnen von Seiten der Tierrechtsindustrie einstellen. Entsprechende Selbstkritik findet man bei den Anti-Delfinarien-Aktivisten nicht.

Es geht auch schließlich für das Dolphin Project am Ende um weit mehr als Delfine: der Rubel muss schließlich rollen, um Patenschaften zu verkaufen, den eigenen Merch an den Mann oder die Frau zu bringen und Spenden zu generieren. Daher giert man wohl auch nach Nachschub an Tieren und verdümpelt das eigene Scheitern, denn wer will schon einer ständig versagenden Organisation sein Geld geben? Niemand.

Delfinen in seriösen Delfinarien geht es gut

Große Tümmler, die weltweit verbreitetste Delfin-Art in Zoos und Aquarien, sind gesünderweniger gestresst und leben auch länger als ihre wilden Artgenossen. Während des Trainings, das für die Tiere freiwillig ist, schütten sie Glückshormone aus und freuen sich auf die Interaktion mit den Trainern. Über 150 Experten betonen die Wichtigkeit von Meeressäuger-Haltung in seriös geführten Zoologischen Einrichtungen.

Auch seriöse Tierschutzorganisationen, wie American Humane, stellen sich auch deutlich auf die Seite der ordentlich geführten Delfinarien sowie der von Zoos und Aquarien generell, die diese und andere Wale beherbergen. Rückenwind erhielt diese Position auch durch die jüngste Tierwohl-Studie zum Thema:

Fragwürdige Rolle der Medien

Großer Tümmler mit zahlreichen Hautveränderungen am San Simeon Pier in Kalifornien | Foto: Alan Schmierer, Lizenz: CC0 1.0

Bemerkenswert ist das laute Schweigen der Medien, die ohne jede Prüfung oder Kritik die “Freilassung” der Tiere bejubelten. Nach wenigen Wochen will anscheinend keiner von denen, die in der Berichterstattung die Sektkorken knallen ließen, sich mit der desolaten Bilanz beschäftigen. Nur noch ein Tier lebt und das lungert nun alleine bei der Netzkäfighaltung herum – von Auswilderung keine Spur.

Das ist auch ein großes mediales Scheitern. Eine Berichterstattung, die sich nur an Pressemitteilungen heranhangelt und nicht auch an Themen bleibt, zeugt nicht nur von Oberflächlichkeit, sondern füttert auch noch den Wahn der mutmaßlichen Tierquäler, die solche Projekte fortsetzen oder imitieren wollen. Das ist ein Bärendienst für den Walschutz.

Für Auswilderung aus der Not geretteter Wale gibt es ein sehr enges Zeitfenster weniger Monate bevor die Gewöhnung an den Menschen zu groß ist, um reversibel zu sein. Hinreichend wissenschaftlich belegte Fälle von gelungener Auswilderung von Delfinen, die langfristig oder ihr ganzes Leben in Menschenobhut waren, existieren nicht. Das ist die Realität. Sie zu akzeptieren ist wichtig für das Überleben von Walen in Not.

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