Gynander des Hauhechel-Bläulings (Polyommatus icarus) | Foto: Burkhard Hinnersmann, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Böhmermann & biologische Geschlechter

Exklusiv für zoos.media – 03.12.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

Der Satiriker Jan Böhmermann inszenierte einen nicht vorhandenen Dissens zwischen zwei Biologinnen mit zoologischem Schwerpunkt über biologische Geschlechter.

Böhmermann & biologische Geschlechter

ZDF-Satiriker Böhmermann stellte in seiner jüngsten Sendung eine renommierte Wissenschaftlerin in eine Reihe mit Menschen, die transfeindliche Thesen vertreten, nur, weil sie den biologischen Fakt vertritt, dass es zwei biologische Geschlechter gibt. Allerdings ist wohl der Redaktion beim Beleg der Ausführungen Böhmermanns gegen die Biologin ein schwerwiegender Fehler unterlaufen.

Kronzeugin sieht es gar nicht anders

Komodowaran im Memphis Zoo | Foto: Unicurse at English Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 1.0

In seiner Hetze gegen die Biologin Marie-Luise Vollbrecht von der Humboldt-Universität zu Berlin führt er einzig einen Bericht des Tagesspiegels über eine veröffentlichte Arbeit von Claire Ainsworth ins Feld. Sie ist Wissenschaftsjounalistin und hat zum Beispiel eine sehr beachtete Story über das Training von Komodowaranen im Zoo von London veröffentlicht. Ihre Arbeit “Geschlecht neu definiert” solle belegen, dass es mehr als zwei Geschlechter geben würde und dies in der Biologie anerkannt sei. Darauf wurde sie ziemlich schnell nach der Veröffentlichung der Arbeit auch angesprochen und tweetete dazu:

Sie bestätigt also am Ende das, was Böhmermann Marie-Luise Vollbrecht zum Vorwurf macht. Der Tagesspiegel hatte anscheinend die Arbeit der Forscherin gar nicht verstanden und falsch dargestellt. Eigenartig ist auch, dass Böhmermann sowohl den Namen der Forscherin als auch ihre ebenfalls gegebene Spezialisierung im Bereich der Zoologie, die er Vollbrecht wiederum indirekt vorwirft, unerwähnt lässt. Vielleicht war den Verantwortlichen klar, dass eine simple Recherche diese Rede gegen Vollbrecht dann schnell widerlegen könnte.

Dissens, wo es keinen gibt

Im Vorhinein hatte Marie-Luise Vollbrecht der sie anfragenden Redaktion von Böhmermanns Sendung auch dies bereits erklärt: “Es gibt nur männliche und weibliche Individuen, daran können auch Chromosomenaberrationen oder Menschen, deren Phänotyp geschlechtsuntypische Abweichungen aufweist, nichts ändern.” Das ist exakt das, was Ainsworth auch in ihrem Tweet schrieb. Transfeindlichkeit kann man aus Vollbrechts Antwort auch nicht ableiten, schrieb sie doch: “Jeder möge sich fühlen, als was er will, aber biologische Fakten bleiben biologische Fakten.

Das bedeutet schlicht, dass die Wissenschaft das Phänomen sehr wohl kennt, dass die Geschlechtsidentität und das biologische Geschlecht in der Empfindungswelt des betreffenden Menschen als abweichend wahrgenommen werden können. Eine transsexuelle Person leugnet ja aber auch nicht die Existenz der beiden biologischen Geschlechter, verfolgt sie doch den Wunsch als dem jeweils anderen Geschlecht angehörige Person wahrgenommen zu werden. Auch hier geht es also um zwei Geschlechter.

Was sagt die Biologie tatsächlich?

Falscher Clownfisch (Amphiprion ocellaris) im Tropen-Aquarium Hagenbeck | Foto: Malte Jörn Krafft, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die Biologie hat als Grundlage das Gesetz der allgemein bipolaren Zweigeschlechtlichkeit. Die naturwissenschaftliche Disziplin schaut dabei auf die Gameten, also die Geschlechtszellen. Besitzer der Mikrogameten gelten als männlich, Besitzer der Makrogameten gelten als weiblich. Biologen beobachten natürlich auch Zwitter, die beide Gametensorten gleichzeitig oder nacheinander produzieren. Ebenfalls beobachten Biologen Tiere, die ihr Geschlecht wechseln. All diese Phänomene belegen allerdings die Zweigeschlechtlichkeit, weil sie immer auf zwei Geschlechter zurückzuführen sind.

Gynandromorphismus, wie zum Beispiel Halbseiten-Hermaphroditen, was man bei Insekten sehr gut kennt, belegt schon optisch hervorragend die bipolare Zweigeschlechtlichkeit. Solche Gynander sind halb männlich und halb weiblich. Ein das Geschlecht wechselnder Clownfisch wechselt auch immer zwischen zwei Geschlechtern: erst männlich, dann weiblich. In jedem dieser Fälle sind diese Tiere in der Biologie immer in dem binären Modell zu fassen. Das gehört zum absoluten Grundlagen-Wissen und steht so etwa im Lexikon der Biologie auch erklärt. Biologin und Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard hat das auch in einem starken Interview deutlich erläutert.

Transfeindlichkeit & Biologie

Ein Mensch mit Mikrogameten kann sich – dank ästhetischer Chirurgie – phänotypisch so verändern, dass er von der Gesellschaft nicht mehr als männlich wahrgenommen wird. Das macht diese Person, weil das neue Äußere ihrer wahrgenommenen Geschlechtsidentität entspricht. Dieser Vorgang widerlegt weder das Gesetz der allgemein bipolaren Zweigeschlechtlichkeit, noch greift das Gesetz diese Person in irgendeiner Weise an. Jemand, der also über die biologische Realität referiert, ist nicht transfeindlich.

Transfeindlichkeit bedeutet, transsexuellen Menschen feindlich zu begegnen. Dass ästhetische Chirurgie das biologische Geschlecht nicht verändert, ist aber jedem Menschen, der diesen Weg beschreitet und biologische Grundkenntnisse besitzt, klar. Es ist auch Gegenstand der Aufklärung vor solchen Eingriffen. Das zu wiederholen, ist keine Beleidigung oder Feindlichkeit. Man erkennt ja auch an, dass es zwei Geschlechter gibt, wenn man phänotypisch sich vom einen ins andere verändern will.

Gefahr für die Wissenschaft

Hyäne im Seneca Park Zoo | Foto: Becker1999, Lizenz: CC BY 2.0

Das Gesetz der allgemein bipolaren Zweigeschlechtlichkeit nicht wissenschaftlich anzuerkennen, hat so ein etwa das Niveau, als wolle man das Einmaleins umschreiben, weil man fühlt, dass 2 mal 3 doch eher 5 statt 6 ergeben sollte: man wird damit nicht weit kommen. Wissenschaft bedeutet eine Weiterentwicklung des Forschungsstandes durch den Umgang mit Thesen. Das bedeutet, wenn man meint, es gäbe mehr als zwei Geschlechter, muss man einfach nur eine dritte Art von Gameten finden und deren Existenz belegen können.

Solange dies aber nicht gelingt, ist es unwissenschaftlich, von mehr als zwei Geschlechtern zu reden. Gleichzeitig wäre es aber auch unwissenschaftlich von nur zwei Geschlechtsidentitäten zu reden. Im selben Moment ist es aber unwissenschaftlich, das biologische Geschlecht mit der Geschlechtsidentität zu verwechseln. Man muss in der Wissenschaft sauber differenzieren. Ebenso ist es geboten im zwischenmenschlichen Bereich einander zu respektieren. Wer die Biologie heranzieht, um Menschen bei diesem Themen zu diffamieren, liegt immer falsch.

Wissenschaftler versuchen ins Verächtliche zu ziehen, nur, weil die eigene kognitive Leistungsfähigkeit wohl nicht für das Erfassen des Forschungsstandes ausreicht, ist weder ein Ersatz für wissenschaftliche Arbeit, noch eine Form der Unterhaltung. Es ist schlicht und ergreifend Hetze. Solche Hetze ist eine Gefahr für die Wissenschaft und auch für die Wissenschaftler, die unverschuldet ins Fadenkreuz geraten. Es hält Menschen außerdem davon ab, in die Wissenschaft zu gehen und sorgt so für große Verluste.

Böhmermann der neue Barth?

Gegen Marie-Luise Vollbrecht wird seit Monaten gehetzt und ein Gipfel der Niveaulosigkeit ist, dass ihr das Erwehren gegen diese Hetze noch versucht wird, negativ auszulegen. Dass Böhmermann probiert sie wegen dem Referieren über ein biologisches Gesetz in eine Reihe mit Menschen stellen, die sich tatsächlich transfeindlich äußern, ist ein Angriff auf alle Biologen. Fortan muss wohl dann jeder Biologe fürchten an einen durch GEZ-Gebühren finanzierten Pranger gestellt werden, wenn er Grundlagen seinen Studiums referiert.

Dieser Fall erinnert doch sehr stark an das Vorgehen von Mario Barth und der Hetze in seiner Sendung zum Beispiel gegen Delfinarien. Die Frage ist sicherlich, ob das ZDF auf so einem Niveau Fernsehen machen will. Einerseits in Formaten Interesse an Wissenschaft zu heucheln und sie sogar als Beleg für die Berichterstattung heranzuziehen, aber anderseits gegen Wissenschaftler zu hetzen, passt nicht zusammen. Wissenschaft ist kein Selbstbedienungsladen, von dem man sich das nehmen kann, was einem passt. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind nämlich auch dann gültig, wenn sie einem nicht gefallen.

Diesen Beitrag teilen