Zimtkopfliest (Todiramphus cinnamominus) im Bronx Zoo | Foto: Eric Savage, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Corona-Lockdown bedroht das Überleben von Arten

Exklusiv für zoos.media – 01.08.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Die Weltnaturschutzunion findet deutliche Worte: das Überleben zahlreicher Arten steht auf dem Spiel, wenn Zoos und Aquarien während des Lockdowns nicht besser unterstützt werden.

Corona-Lockdown bedroht das Überleben von Arten

Aufgrund des Lockdowns gab und gibt es massive Einbußen für Zoos und Aquarien – das ist für das Überleben zahlreicher Arten problematisch, weil es Artenschutz nicht zum Nulltarif gibt, sondern auch der finanziert werden muss. Dabei spricht man über Millionenbeträge, weshalb Zoologische Institutionen sich auch zusammenschließen, um diese Kosten gemeinsam zu stemmen. Nun hat der Lockdown allerdings die Zoologische Gemeinschaft hart getroffen: monatelang nur Kosten und gar keine Einnahmen, danach viele Wochen eine eingeschränkte Öffnung, die auch vielerorts mehr Kosten als Einnahmen produzierten. Das Finanzloch wächst und wächst und staatliche Hilfen kommen, wenn überhaupt, zögerlich und in viel zu geringem Maß.

Nun schlägt die Weltnaturschutzunion (IUCN) Alarm:


Das Überleben von mindestens 77 Arten steht auf dem Spiel. Das ist eine sehr konservative Schätzung, da es “nur” die Arten umfasst, die in der Natur ausgestorben, aber in Zoos noch vorhanden sind. Nicht einbezogen wurden dabei die vielen Arten für die keine Schutzprojekte für die letzten Vertreter ihrer Art in der Natur existieren würden, wenn es Zoos und Aquarien nicht geben würde.

77 Arten stehen auf dem Spiel

Der Zimtkopfliest (Todiramphus cinnamominus) hat nur durch Haltung in Menschenobhut überlebt. | Foto: dw_ross, Lizenz: CC BY 2.0

Aber schon die genannten 77 Arten sind sehr viel, wenn man bedenkt, dass sie ja auch nicht isoliert geschützt werden. Arten lassen sich nämlich nicht isoliert schützen, da man ihren gesamten Lebensraum auch schützen muss. Diesen Lebensraum bewohnen viele andere Tier- und Pflanzenarten genauso und auch die profitieren von dem Schutz des Lebensraumes. Man sieht also, wie viel an diesen 77 Arten tatsächlich noch dran hängt. In ihrer Einschätzung bezieht sich die IUCN auf einem Brief, den das Magazin “Science” veröffentlicht hat.

“For example, the sihek (Todiramphus cinnamominus), a kingfisher endemic to Guam, was extirpated by 1988 as a result of predation by introduced brown tree snakes (Boiga irregularis). Only 29 individuals were rescued, and they have subsequently been managed in Association of Zoos and Aquariums institutions across the United States, in addition to a facility on Guam. However, because not all of the captured birds bred successfully, the current sihek population of fewer than 140 individuals descends from only 16 genetic founders. It also suffers sex-ratio imbalances. The population therefore remains at risk, and further declines through loss of zoological institution support would hamper recovery efforts.” – Amanda Trask un ihre Kollegen in “Science
[Deutsche Übersetzung: Zum Beispiel wurde der Zimtkopfliest (Todiramphus cinnamominus), ein in Guam endemischer Eisvogel, 1988 als Folge der Prädation eingeführter Brauner Nachtbaumnattern (Boiga irregularis) ausgerottet. Nur 29 Individuen wurden gerettet und anschließend in Einrichtungen der Vereinigung der Zoos und Aquarien in den Vereinigten Staaten sowie in einer Einrichtung in Guam gehalten. Da jedoch nicht alle gefangenen Vögel erfolgreich gezüchtet wurden, stammt die derzeitige Zimtkopfliest-Population (von weniger als 140 Individuen) von nur 16 genetischen Gründern ab. Es leidet auch unter Ungleichgewichten im Geschlechterverhältnis. Die Population ist daher weiterhin gefährdet, und ein weiterer Rückgang durch den Verlust der Unterstützung durch zoologische Einrichtungen würde die Auswilderungsbemühungen behindern.]

Guamralle im Cincinnati Zoo | Foto: Greg Hume, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Das ist nur ein Beispiel für die 77 Arten und es wird genau erklärt, warum man Zoologische Gärten so sehr braucht, um an alte Erfolge anknüpfen zu können:

“Ideally, extinct-in-the-wild populations can increase in captivity to the point that it is safe to release them back into their natural habitat. The successful reintroduction of the ko’ko’ (Guam rail, Hypotaenidia owstoni) onto a small island near Guam has been heralded as a major conservation success. In 2019, the ko’ko’ was reclassified from extinct in the wild to critically endangered. Such successes depend on full support for the zoos, aquariums, and gardens that struggle to maintain these collections. Further population declines will jeopardize recovery and increase extinction risks. We call for urgent funding to ensure that breeding, propagation, and holding facilities have the resources to care for extinct-in-the-wild species during the COVID-19 pandemic and beyond.” – Amanda Trask un ihre Kollegen in “Science
[Deutsche Übersetzung: Im Idealfall können in der Natur ausgestorbene Populationen so lange in Menschenobhut leben bis es sicher ist, sie wieder in ihren natürlichen Lebensraum auszuwildern. Die erfolgreiche Wiedereinführung der Ko’ko’ (Guamralle, Hypotaenidia owstoni) auf einer kleinen Insel in der Nähe von Guam wurde als großer Artenschutz-Erfolg gefeiert. Im Jahr 2019 wurde die Ko’ko’ von EW zu CR in ihrem Bedrohungsstatus heruntergestuft. Solche Erfolge hängen von der vollen Unterstützung der Zoos, Aquarien und Gärten ab, die nun Schwierigkeiten haben, diese Sammlungen zu erhalten. Weitere Populationsrückgänge gefährden die Erholung der Bestände und erhöhen das Risiko für das Aussterben der Arten. Wir fordern dringend finanzielle Mittel, um sicherzustellen, dass Zucht- und und Haltungseinrichtungen über die Ressourcen verfügen, um in der Natur ausgestorbene Arten während der COVID-19-Pandemie und darüber hinaus zu versorgen.]

Brandbrief betont die Bedeutung moderner Zoos und Aquarien

Seit Wochen und Monaten kämpfen Zoos und Aquarien auf der ganzen Welt um dringend benötigte Unterstützung, die sie viel zu selten bis gar nicht bekommen. Selbst eine sofortige Aufhebung des Lockdown, den es in vielen Ländern nach wie vor, wenn auch in abgeschwächter Form, gibt, würde nicht reichen. Viele Menschen haben in dieser schweren Zeit wirtschaftlicher Unsicherheit das ohnehin immer schlanker werdende Portemonnaie gezückt und für Zoos und Aquarien in bewundernswerter Art und Weise gespendet. Viel klarer kann die Öffentlichkeit nicht kommunizieren, dass sie sich den Erhalt zoologischer Institutionen wünscht. Gleichwohl kam von der Politik, die Lockdown-Maßnahmen beschlossen hat, erschreckend wenig Unterstützung für die Folgen ihrer Entscheidung aufzukommen – ganz so, als sei das nicht von Beginn an mitgedacht worden.

Wenn diese Strategie fortgesetzt wird, bedeutet das nichts weniger als das Aussterben von Arten. Ganz unmittelbar bedeutet es den Komplettverlust dieser so wichtigen genetischen Reserven der 77 Arten, langfristig wird es aber auch Arten treffen, die jedes Kind kennt – wie die Elefanten, die massiv darunter leider, dass einmal Zoologische Gärten Umsatzeinbußen haben, aber eben auch dadurch leiden, dass der Tourismus so massiv blockiert wird. Aus dem Tourismus heraus finanzieren sich nämlich wichtige Rückzugsorte der letzten Elefanten dieser Welt: die Nationalparks und weitere Schutzgebiete. Für sie gilt das gleiche wie für Zoos: keine Gäste bedeuten keine Einnahmen, keine Einnahmen bedeuten kein Geld für den Artenschutz.

Coronavirus: Ohne Tourismus, keine Elefanten

Auch bei Elefanten sind Zoos und Aquarien aktiv und sie sind auch bei dieser, wie bei viele anderen Arten, Teil der Lösung, aber der Lockdown wird zu einem massiven Teil des Problems und das mit jedem Tag mehr, an dem die Auswirkungen spürbar sind. Daher muss auch die Politik nun handeln, um ebenfalls Teil der Lösung zu werden, denn auch in der Pandemie-Prävention sind Zoos und Aquarien Teil der Lösung.

Corona: Zoos können dazu beitragen, dass sich eine solche Epidemie nicht mehr wiederholt

Hilfe wird dringend benötigt

Dieses Video von zoos.media erklärt das Prinzip nochmal ganz klar:

Wie die IUCN nun nochmal bestätigt: für sehr viele Arten geht es um wirklich alles.

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