Lolita ist darauf angewiesen von Menschen mit gesundem Fisch gefüttert zu werden. | Foto: Katie Mortus (Orzechowski), Lizenz: Erlaubnis der Fotografin

Wurde Lolita zu Tode gehungert?

Exklusiv für zoos.media – 26.08.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

Neue Enthüllungen sorgen für Aufregung: Lolita soll in letzter Zeit 25% weniger Fisch bekommen haben. Im Miami Seaquarium sind große Fehler gemacht worden.

Wurde Lolita zu Tode gehungert?

Im Fall der Orca-Dame Lolita, die auch Toki oder Tokitae bekannt ist, überschlagen sich die Meldungen. Während die deutsche Presse weitestgehend das Interesse an dem von ihr sowieso nur defizitär aufgearbeiteten Fall verloren zu haben scheint, verpasst man wohl das Wesentliche. Marni Wood, ehemalige Chef-Trainerin im Miami Seaquarium, sowie die ehemalige Tierärzte von Lolita, Dr. Magdalena Rodriguez und Dr. Jenna Wallace, haben sich mit beunruhigenden Informationen an die Öffentlichkeit gewandt.

Tägliche Fischdosis drastisch reduziert

Lolita im Miami Seaquarium | Foto: Leonardo Dasilva, Lizenz: CC BY 2.0

Von 160-165 runter auf 115-120 Pfund Fisch – das war die Reduktion, die Lolita verordnet bekam. Das bedeutete für sie rund 25% weniger Fisch. Warum ist das so bemerkenswert? Dr. Wallace bestätigte eine bestehende Nierenerkrankung bei ihr. Die Nierenenzyme seien schon 2021 erhöht gewesen, was sich durch die verordnete Diät verschlimmerte. Sie vermutet, dass Lolita in ihren letzten zwei Jahren chronisch unterernährt und dehydriert war.

Warum hat man Lolita überhaupt auf eine Diät gesetzt? Der neue Kurator und Chef-Trainer befand wohl, dass sie wie ein Mastschwein ausgesehen habe. In einem modernen Zoo oder Aquarium ist es als mehr als ungewöhnlich anzusehen, ein Tier aus optischen Gründen auf Diät zu setzen. Bei Orca-Haltungen passiert die Ernährungsabsprache in enger Zusammenarbeit von Trainern und Veterinärmediziner. So arbeitet man daran, dass die Tiere ihr gesundes Idealgewicht behalten.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Miami Seaquarium mit rätselhaften Diäten auffällt. 2022 hieß es in einem Inspektionsbericht des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten (USDA), dass auch die anderen Delfine bis zu 60% weniger Fisch bekamen, um angeblich ihre Performance zu verbessern. Delfin-Experten wissen, dass das nicht funktioniert: Hunger steht der Trainingsleistung im Wege und fördert sie nicht. Das ist schon seit den 1960er Jahren sehr genau bekannt.

Neuer Inhaber brachte Probleme

Lolita mit anderen Delfinen während einer Show im Miami Seaquarium 2010 | Foto: Katie Mortus (Orzechowski), Lizenz: Erlaubnis der Fotografin

Der neue General Manager vom Miami Seaquarium behauptete, als dies öffentlich wurde, diese Tiere wären übergewichtig gewesen. Zu wenig Futter machte die Delfine allerdings aggressiv – auch Lolita. Diese Reaktion ist normal. Es ist auch ein Grund, warum verantwortungsvolle Delfinhalter, die Tiere nicht hungern lassen. Lolita tötete sogar ihre “Freundin”, wenn man das so bezeichnen will. Catalina, ein Weißstreifendelfin, lebte viele Jahre lang an ihrer Seite. Die hungernde Orca-Dame rammte sie, was ihren Tod bedeutete.

Die Dolphin Company aber wachte selbst nach diesem Vorfall nicht auf. Jeder verantwortliche Delfinhalter hätte spätestens jetzt evaluieren müssen, wie es zu dem Vorfall kam. Stattdessen freut man sich noch im letzten Statement darüber, dass sie nur 115 Pfund Fisch am Tag aß. Orcas nehmen ihren Bedarf an Süßwasser über den Fisch auf. Jeder Mensch weiß, dass viel trinken die Nieren gesund hält. Lolita auf Diät zu setzen, war also genau das Falscheste, was man machen konnte.

Lolita war kein gesunder Wal

Auch im fortgeschrittenen Alter genoss Lolita die Shows im Miami Seaquarium. | Foto: Joyous King, Lizenz: Erlaubnis der Fotografin

Marni Wood, die auch eine der Initiatorinnen von Truth4Toki war, erklärte, dass Lolita nie die gesunde, rüstige Orca-Dame gewesen sei, von der das Miami Seaquarium, Friends of Toki und weitere Kollaborateure in den Pressemitteilungen sprachen. Daher war man auch gegen diesen Plan vorgegangen. Sie vermutet aber, es habe niemals die echte Intention gegeben, die Pläne Wirklichkeit werden zu lassen. Zu viele Fragen wären ungeklärt gewesen und ein Antrag auf Erlaubnis war auch nicht mal gestellt worden.

Schon kurz nach ihrem Tod war das vielfach vermutet worden, wie wir berichteten. Diese neuen Enthüllungen zeigen nun, dass man sogar darauf hinarbeitete – ob bewusst oder aus purer Inkompetenz, wird man vielleicht auch noch klären können. In jedem Fall zeigt sich nun erneut wie gefährlich der Einfluss von Tierrechtsorganisationen auf die Haltung vor Orcas für die Tiere selbst ist.

Lolita starb umgeben von Fremden. Nicht die Menschen, die rund fünf Jahrzehnte ihr Bestes gegeben haben, die Orca-Dame bestmöglich zu versorgen, haben diese fatalen Entscheidungen getroffen. Wer das Beste für den alten Wal gewollt hätte, hätte sie nicht auf so eine Diät gesetzt – wohl wissend, was an deren Ende stünde. Es ist für viele Mitglieder der früheren Teams, die für das Wohl von Lolita gesorgt haben, bis heute unverständlich, warum solche Menschen jemals Einfluss auf die Pflege des Tieres erhalten haben.

Konstruktive Kritik wichtig und richtig

Lolita, auch Toki oder Tokitae genannt, im Miami Seaquarium in Florida | Foto: Katie Mortus (Orzechowski), Lizenz: Erlaubnis der Fotografin

Die Dolphin Company, die als neuer Besitzer diese Misere zu verantworten hat, hatte nie einen guten Ruf für ihren Umgang mit den Tieren in ihrer Obhut – ähnlich wie Merlin Entertainments. Beider Strategie ist das Greenwashing durch die Tierrechtsindustrie. Das beobachtet man immer wieder und besonders in den USA: schlechte Tierhalter suchen die Nähe der Tierrechtsindustrie, um sich an deren Propaganda rein zu waschen. Vielen Tieren brachte das den Tod und Lolita wird vermutlich nicht das letzte Opfer sein.

Daher ist die konstruktive Kritik der “Whistleblower” in diesem Fall von enorm großer Bedeutung. Es ist auch eine Form der Kritik, an der die Zoowelt im Gesamten wachsen kann. Diese Kritik will nicht zerstören oder lehnt gar die Haltung von Meeressäugern ab. Eine solche Kritik will erhalten und verbessern. Die Dolphin Company hat große Fehler gemacht, denen sie sich so nicht nur stellen kann, sondern eigentlich stellen muss.

Die Haltung von Orcas in Menschenobhut ist wichtig, weil sie den Erhalt der Art und ihres Lebensraums ermöglich. So aber wie sie im Miami Seaquarium unter der Regie der Dolphin Company passierte, funktioniert sie nicht. Beides ist richtig und gehört zur Realität. Genau so funktioniert eine Zookritik, die man nicht nur ernst nehmen kann, sondern auch ernst nehmen muss. Orcahaltung ist zu wichtig, als dass man zulassen sollte, dass verantwortungslose Akteure sie von innen oder außen zerstören.

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