Berlin: Das Reichstagsgebäude von Westen aus gesehen | Foto: Jörg Braukmann, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Neues Infektionsschutzgesetz: Was ändert sich überhaupt?

Exklusiv für zoos.media – 19.03.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

Nichts Genaues weiß man nicht, könnte man nach dem Beschluss des Bundestags sagen. Dieser Artikel blickt auf verschiedene Ebenen des nun geltenden Infektionsschutzgesetzes – besonders im Hinblick auf Zoos und Aquarien.

Neues Infektionsschutzgesetz: Was ändert sich überhaupt?

Wenn man sich die beiden Threads der Politiker durchliest, die das neue Infektionsgesetz federführend verhandelt haben, kann man den Eindruck bekommen, sie sprechen von zwei völlig unterschiedlichen Gesetzen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) selbst hatte bei der letzten großen Änderung des Infektionsschutzgesetzes im November 2021 noch verlauten lassen: “Alle Maßnahmen enden spätestens mit dem Frühlingsbeginn am 20. März 2022.” Das hat er nicht halten können und spricht nun nur noch von “so gut wie keine[n] Einschränkungen” mehr, während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch “[v]olle Massnahmen in Hotspots” verspricht.

Was ist eigentlich passiert?

Will man das neue Infektionsschutzgesetz (IfSG) im Groben auf den Punkt bringen, geht das eigentlich ganz einfach und Gitta Connemann (CDU) hat dies auch in ihrem Beitrag zur Abstimmung getan: “die Ampel hat den Ländern den Spielball ins Feld gelegt”. Das heißt, es kann alles quasi netto zu 100% bleiben wie es ist, der Bund hat nur seine Verantwortung darüber an die Länder übertragen. Wie das geht? In einem Land, das sich zum Hotspot erklärt, kann sich, je nach Beschlusslage des Landtags gar nicht ändern. Mecklenburg-Vorpommern macht es vor: das Land will sich einfach zum Hotspot-Gebiet erklären und zieht zum Beispiel die Maskenpflicht einfach weiter durch – und “dies sei nach Rücksprache mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und allen Experten rechtlich auch möglich”, berichtet der Nordkurier.

So werden aus bundesweiten Auflagen dann landesweite Auflagen und unterm Strich bleibt es wie es ist, wenn die Länder das selbst so wollen. Hotspot kann man sehr leicht werden: es reicht eine so genannte “bedrohliche Infektionslage” oder eine “drohende Überlastung der Krankenhauskapazitäten”. Wovon man sich bedroht fühlt, ist sehr individuell und somit völlig undefiniert – letztendlich also, hart gesagt, willkürlich, weil subjektiv. Wenn sich also eine Landesregierung einig ist, dass sie sich gerade bedroht fühlt, kann sie sehr leicht jede Maßnahme wieder einführen, die ihr so vorschwebt. Der Bund hat somit letztendlich einfach nur seine Verantwortung abgestreift und diese in die Hände teils Wahlkämpfe führender Politiker gelegt. Das ist keine Erleichterung, sondern vor allem eine Verunsicherung.

Was ändert sich?

Bogenstirn-Hammerhai im Burgers’ Zoo in Arnhem | Foto: ErikvanB, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Letztendlich ändert sich damit erstmal gar nichts – über die Ausübung von Grund- und Freiheitsrechten wird einfach nur auf einer anderen Ebene bestimmt. Schon bereits vorher hatten aber die Landeschefs ohnehin die Möglichkeit, die Vorgaben des Bundes auch mal kreativ auszulegen. Somit war am Ende viel Lärm um nichts in Berlin. Werden die Zoos und Aquarien also bald für jeden ohne Corona-Beschränkung offen sein? Das hängt letztendlich vom Gutdünken der Landeschefs ab. Während also viele Länder in Europa entweder in den nächsten Tagen ihre Maßnahmen komplett fallen lassen oder sogar schon fallen gelassen haben, geht es in Deutschland einfach weiter.

Daher könnte sich das neue IfSG als Förderprogramm grenznaher Zoologischer Gärten herausstellen: unweit des Gebiets mit der höchsten Zoodichte in Deutschland, in NRW, liegen die Niederlande. Am 23. März 2022 fallen dort alle Maßnahmen. Das Bundesland will hingegen die Übergangsfrist bis zum 2. April 2022, die das Infektionsschutzgesetz vorsieht, voll ausnutzen und was danach passiert, ist noch unklar, aber auch hier strebt man wohl einen Landtagsbeschluss an, da man diesen in der aktuellen Verlautbarung ausdrücklich erwähnt. Laut WDR gilt für den Zoobesuch aktuell weiterhin die 3G-Regel.

Deutschland beschreitet also weiter einen absoluten Sonderweg, denn so tiefgreifende Einschränkungen wie in Deutschland gelten selten. Schaut man sich schon jetzt den Strenge-Index von Deutschland und seinen Nachbarländern, sowie Spanien und dem Vereinigte Königreich an, sieht man sehr deutlich.

Wenn man sich jetzt fragt, ob dieser außergewöhnlich harte Kurs denn wenigstens den erhofften Erfolg bringt und die Intensivstationen entlastet, indem es auch signifikant weniger Patienten mit einer Positivtestung in Bezug auf SARS-CoV-2 gibt, wird man enttäuscht feststellen müssen, dass dem nicht so ist.

Länder, die bereits ihren Freedom Day feiern konnten, schneiden im Vergleich deutlich besser ab als Deutschland. Luxemburg hatten vergangenen Samstag quasi alle Maßnahmen aufgehoben, Dänemark hat bereits zum ersten Februar die Beschränkungen für ungültig erklärt und das Vereinigte Königreich hat Ende desselben Monats nachgezogen. Mit seinem strengen Kurs hat die Ampel-Koalition zusammen mit der Ministerpräsidentenkonferenz also sehr deutlich versagt, führt ihn aber nun trotzdem weiter fort. Also auch an diesem grundsätzlichen Vorgehen, dass offensichtlich unbrauchbare Maßnahmen gegen jede Evidenz fortgeführt werden, ändert sich nichts.

Wird das je enden?

Kolorierte Aufnahme einer mit dem Coronavirus (rot) infizierten Zelle | Foto: NIAID, Lizenz: CC BY 2.0

Für Zoos und Aquarien stellt sich nun die Frage, auf welche Zukunft sie sich in Deutschland einstellen müssen. Dabei ist offensichtlich wenig relevant wie sich das Virus selbst entwickelt. Das Coronavirus hat sich massiv abgeschwächt. Daten aus Großbritannien zeigen, dass die Omikron-Variante zu weniger Todesfällen führt als eine normale Grippe. Das ist keine Überraschung, denn bereits zum Beginn des vergangenen Jahres hatten Lavine et al. deutlich gemacht, dass sich das Virus auf Dauer zur Erkältung entwickelt wird – es würde sich damit den anderen vier Coronaviren anschließen, mit denen man seit etlichen Jahren ganz natürlich in Deutschland lebt.

Dass dies so kommt, liegt in der Art und Weise, wie sich Coronaviren seit jeher entwickeln: damit eine Variante, wie aktuell Omikron, dominant wird, muss sie – im Vergleich zu den anderen existieren Varianten – maximal ansteckend sein. Damit sie maximal ansteckend ist, muss das Virus ungefährlicher werden – wie das funktioniert, erklärte auch Prof. Streeck sehr deutlich zur gleichen Zeit, als die oben erwähnte Studie veröffentlicht wurde. Dadurch werden die dominanten Varianten auch gleichzeitig immer milder. Das hat man bisher auch immer in den entsprechenden Daten sehen können. Delta war schon deutlich milder und Omikron hat das nochmal getoppt.

Die Politik hat sich aber weitestgehend von dieser Realität entfernt und dieses Grundwissen zur Entwicklung von Coronaviren spielt nicht nur in den Debatten, sondern auch in den Beschlüssen keine Rolle. Die Politik in Deutschland hat sich von diesen Fakten längst emanzipiert. Der wirtschaftliche Preis dafür ist hoch und damit auch der, den der Natur- und Artenschutz zahlen muss. Gleichzeitig heißt das aber auch: die Maßnahmen enden, wenn der politische Wille dafür da ist. In anderen Ländern war er das, in Deutschland aber ist er das nicht. Deshalb gibt es diese Neufassung des Infektionsschutzgesetzes, bei dem, für den Preis kleiner Erfolge einzelner Interessensgruppen, letztendlich alle verlieren. Fest steht aber auch: Wenn nun das wichtige Ostergeschäft für die Zoos und Aquarien wegen der Corona-Geisterfahrt der deutschen Regierung erneut geschwächt würde, so würde sich der Berg finanzieller Probleme, die die Maßnahmen der beiden Regierungen bereits zur Genüge angehäuft haben, weiter vergrößern.

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