Die edukative Orca Show im Loro Parque begeistert pro Tag mehrere tausend Menschen. | Foto: zoos.media

ntv über Loro Parque: Alte Lügen, alte Geschichten, keine Experten

Exklusiv für zoos.media – 26.02.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

Der jüngste Bericht von ntv über die Orcahaltung des Loro Parque ist von vorne bis hinten eine Bankrotterklärung der angeblich seriösen Berichterstattung des Senders.

ntv über Loro Parque: Alte Lügen, alte Geschichten, keine Experten

RTL Deutschland hat die Mehrheit am Sender ntv und war vor ein paar Monaten noch sehr froh, für VOX+ ein australisches Format über den Loro Parque auszustrahlen, in dem es auch um die Orcas ging. An dieser Stelle kann sich also niemand damit rausreden die Wahrheit nicht zu kennen, weil dieses Format, im Gegensatz zu ntv, seriös berichtet hat. Umso erstaunlicher ist es wie ntv dann einen Beitrag veröffentlichen kann, der wirkt, als wäre er von der fragwürdigen und als unseriös geltenden Anti-Delfinarien-Organisation WDC verfasst und nicht von einer seriösen und sauber recherchierenden Redaktion.

Auftakt mit lächerlichen Lügen

Sonographie im Med Pool durch eine unabhängige Expertin im Orca Ocean des Loro Parque – stressfrei durch Medical Training. | Foto: Philipp J. Kroiß

“Es ist ein kleines Becken, in dem der tonnenschwere Orca warten muss”, hört man eine offensichtlich kolossal fehlinformierte Sprecherin über Bilder fabulieren, die einen Orca im so genannten Medical Pool der Mehrbeckeninstallation Orca Ocean im Loro Parque zeigt. Das allein ist schon eine Lächerlichkeit, weil man offenbar nicht weiß, was ein Medical Pool ist. Es folgt ein kleiner Bildausschnitt von einem Orca in einem der riesigen, rückwärtigen Holding Pools mit der Bemerkung, dass direkt nebenan ebenfalls ein Orca “eingesperrt” wäre.

Schon direkt hier merkt man, wie schlecht und einseitig dieser Bericht ist, aber ntv setzt noch einen drauf: “Kurz vorher mussten die Tiere noch Kunststücke zeigen und in einer Show für gute Laune sorgen.” So etwas kann nur jemand schreiben, der entweder nie selbst vor Ort war oder schlicht nichts vor Ort verstanden hat. Es ist eine journalistische Bankrotterklärung und das nicht mal nach einer Viertelminute.

Tiere in Menschenobhut sind nicht eingesperrt – das ist ein völlig falsches Bild. Der Medical Pool ist auch kein “Warteraum”, sondern ein Becken, dass für die Tiere positiv besetzt ist, weil es dort – neben den routinemäßigen tiermedizinischen Untersuchungen durch die Experten des Loro Parque– auch Enrichment gibt. Das ist wichtig, damit die Tiere dieses Becken des 23 Millionen Liter Atlantikwasser fassenden Orca Ocean nicht negativ besetzen. Die Dimensionen der modernen Installationen im Loro Parque sind enorm und bieten mehr als genug Platz für die fünf Schwertwale, die sie aktuell bewohnen.

Die Shows sind edukative Präsentationen, in denen explizit darauf hingewiesen wird, dass natürliche Verhaltensweisen gezeigt werden, beziehungsweise Verhalten, die auf natürlichen Bewegungen der Tiere beruhen. Das sind keine “Kunststücke” – was man hier aus dem Off über die Bilder eines Sprungs legt, hat die Qualität der Behauptung, dass ein laufender Mensch ein Kunststück vollführen würde. Zudem wird kein Orca zu irgendwas gezwungen. So abstrus geht es aber auch weiter.

Aktivistin als Experte

Passend dazu, dass nahezu sämtliches Bildmaterial des Beitrags aus dem Orca Ocean von der fragwürdigen Organisation WDC stammt, kommt auch – via Video Call – eine Mitarbeiterin dieser Organisation zu Wort. WDC ist dafür bekannt über Delfinarien dreist zu lügen und Fehlinformationen zu verbreiten. Wir haben das auf zoos.media schon häufig aufdecken können. Aktuell greenwasht die Organisation die fragwürdige Walhaltung eines Freizeitparkbetreibers.

Bei der Mitarbeiterin handelt es sich bei um die “Referentin Delfinarien schließen” vom WDC, Tamara Narganes Homfeldt, die 2020 als Praktikantin zur Organisation stieß und inzwischen im Lobbyregister des Bundestags im Zusammenhang mit dem WDC zu finden ist. Eine unabhängige Expertin sieht wahrlich anders aus. Angeblich soll sie das “Verhalten von Schweinswalen, Flussdelfinen und Buckelwalen studiert haben”. Beim Max-Planck-Institut ist sie als “Gastwissenschaftlerin” in der “Abteilung Tierwanderungen” gelistet. Vielleicht hätte ntv besser mal die Wissenschaftler des Instituts gefragt, die auch mit Orcas arbeiten, denn ihre Aussagen beweisen, dass Narganes Homfeldt schlicht Ideologien verbreitet und nicht an der Wahrheit interessiert zu sein scheint.

Die Orcadame Morgan auf der Waage im Orca Ocean des Loro Parque | Foto: zoos.media

Keines der Tiere im Loro Parque wurde der Familie entzogen. Drei Tiere stammen ursprünglich aus der so genannten SeaWorld-Familie, die genetisch sehr divers aufgestellt und weit verzweigt ist, und kamen als Tiere in den Loro Parque, die sich bereits von der Mutter entwöhnt waren. Ein weiteres Tier wurde vor Ort geboren und das einzige Tier, was außerhalb der Menschenobhut geboren wurde, ist das Orca Weibchen Morgan, das 2010 an der niederländischen Küste vor dem sicheren Tod bewahrt worden war, nicht auswilderungsfähig ist, und auf Anfrage der niederländischen Regierungsbehörden im Loro Parque aufgenommen wurde, um ihr Leben zu retten.

Narganes Homfeldt behauptet weiter: “Sie sind da ja eigentlich nur im Becken und … ähhh … schwimmen entweder im Kreis oder schwimmen auch gar nicht und lassen sich einfach nur an der Oberfläche treiben, was man so bei Orcas in freier Wildbahn eigentlich nie beobachten würde.” Schwertwale lassen sich immer dann an der Oberfläche treiben, wenn sie ruhen: in der Natur, sowie in Menschenobhut. So etwas wie eine “freie Wildbahn” existiert im Übrigen leider nicht mehr wirklich – besonders nicht für Orcas, die massiven Bedrohungen durch menschliche Einflüsse ausgesetzt sind, gegen die die Loro Parque Stiftung übrigens – im Gegensatz zum WDC – engagiert und wirkungsvoll kämpft.

Dann kommt die nächste Aussage aus dem Off, die einer Bankrotterklärung gleichkommt: “Bis zu 160 Kilometer schwimmt ein Orca normalerweise pro Tag.” Das ist einfach falsch und merkt man übrigens auch schon an der Formulierung, weil “bis zu” nicht zu “normalerweise” passt: letzteres würde einen Durchschnittswert erfordern und keinen angeblichen Spitzenwert. Orcas, wie wir sie im Loro Parque sehen, die also residenten Ökotypen zuzuordnen sind, bleiben in der Natur ortstreu und bewegen sich nur über größere Strecken, wenn sie durch Nahrungsmangel dazu gezwungen werden.

Wie schnell schwimmen Delfine wirklich?

Dies konnte zum Beispiel bei Orcas nachgewiesen werden, die an der Straße von Gibraltar per Satellitenortung beobachtet wurden. Weil die Orcas dort in einem kleinen Bereich eine große Nahrungsvielfalt vorfinden, haben sie sich während der dreiwöchigen Dauer der Untersuchung nicht mehr als zehn Meilen pro Tag bewegt. Wenn eine Nahrungsquelle vorhanden war, bewegten sich die Orcas 5-8 Kilometer am Tag, was sie auch im Orca Ocean sehr einfach tun können.

Natürlich haben die ausgewogen ernährten Orcas im Loro Parque auch kein Bedürfnis, täglich größere Strecken zurückzulegen. Deswegen werden die Tiere durch ihre Trainer dazu motiviert sich hinreichend zu bewegen. Dies geschieht in einem modernen Zoologischen Garten selbstverständlich auf der Grundlage positiver Verstärkung. Die Tiere nehmen also an diesen Programmen völlig freiwillig teil. Dies gilt sowohl für die über den ganzen Tag verteilten Trainingseinheiten der Tiere oder eben in den dreimal täglich stattfindenden edukativen Shows vor Publikum.

Desinformationen zum Unfall

Nach einem Unfall im Loro Parque, so wird aus dem Off behauptet, habe die Parkleitung an den Shows festgehalten. Dies stimmt nicht! Denn selbstverständlich hatte die Leitung des Loro Parque im Jahre 2009 sogleich die die Orca-Shows gestoppt, und auch langfristige Konsequenzen aus diesem tragischen Unfall gezogen, indem das Konzept dahingehen umgestellt wurde, dass keine Wasserarbeit mehr stattfindet. Hinzu kommt, dass der Charakter der Orca-Präsentationen im Loro Parque wesentlich edukativer geworden ist.

Loro Parque: Orca Keto zeigt seinem Trainer seinen Bauch – ein Vertrauensbeweis. | Foto: zoos.media

Grundsätzlich ist zudem ist festzuhalten, dass Arbeitsunfälle mit großen und wehrhaften Tieren leider niemals vollkommen ausgeschlossen werden können, ähnlich wie dies in anderen praktischen Arbeitsbereichen, wie zum Beispiel auf dem Bau, im Elektrohandwerk, im Berufsverkehr oder auch in der Landwirtschaft immer wieder vorkommt. So ereigneten sich in Deutschland nach der Unfallstatistik der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) im Jahr 2020 die meisten Unfälle in der Tierhaltung bei der Arbeit mit Rindern: Neben sechs Todesfällen verzeichnete sie 5.083 meldepflichtige Unfälle durch direkten Tierkontakt. Dass dies immer wieder mal vorkommt, ist dies natürlich für die Medien nicht so schlagzeilenträchtig wie ein tödlicher Arbeitsunfall mit einem Orca oder einem Tiger.

Bezogen auf den Orca Keto, mit dem sich 2009 der tragische tödliche Unfall im Loro Parque ereignet hatte, ist überdies festzuhalten, dass die Trainer dort sehr gerne mit diesem Orca arbeiten, weil Keto grundsätzlich ein sehr umgängliches Tier ist. Wenn der im ntv-Beitrag als angeblicher ehemaliger Orca-Trainer interviewte Mann, der sich nur von hinten filmen ließ, um anonym zu bleiben, wirklich als Orca-Trainer im Loro Parque gearbeitet hat, so hätte er dies wissen müssen. Insofern ist es durchaus fragwürdig, ob dieser Mann tatsächlich jemals im Loro Parque als Orca-Trainer tätig war.

Leider trägt es auch nicht zur Versachlichung dieses Beitrags bei, dass die auch nach mehr als 12 Jahren natürlich sehr betroffene Mutter des bei diesem tragischen Unfall ums Leben gekommenen Trainers zu Wort kommt. Denn sie hetzt in ihrer emotionalen Betroffenheit leider schon seit Jahren mit Fehlinformationen gegen die Orcahaltung. Sie darf gefühlt einfach bei keinem der von einigen offenkundig sensationsgierigen Medien immer mal wieder aufgetischten unwahren Beiträgen über die Orca-Haltung im Loro Parque fehlen. Zwar hat sie keinerlei Expertise im Bereich der Tierhaltung, hat aber wohl dennoch eine Vorliebe entwickelt, bedeutungsschwanger in sämtliche Kameras zu reden, die sich ihr so bieten.

Trainerin Dawn Brancheau mit Katina bei SeaWorld | Foto: Mariomassone; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Somit ist auch nicht beachtenswert, welche Plattitüden sie von sich gibt, sondern vielmehr die nächste Lüge aus dem Off: nicht nur auf Teneriffa wären “Trainer” (Plural) ums Leben gekommen, sondern auch “in anderen Parks auf der Welt” sei es “immer wieder” zu tödlichen Unfällen gekommen. Auf Teneriffa gab es nur den einen tödlichen Unfall mit einem Orca, und in der gesamten Geschichte der Orcahaltung gab es zudem drei weitere Unfälle mit Todesfolge: einer betraf eine SeaWorld-Trainerin, ein anderer entstand in einer Substandard-Haltung und bei einem dritten hatte sich jemand illegal einschließen lassen und ist ins Becken gesprungen. Das sind alle bekannten tödlichen Unfälle in mehr als einem halben Jahrhundert Orcahaltung. Der letzte dieser Unfälle ereignete sich vor etwa 12 Jahren, und alle vier tödlichen Unfälle passierten zu den Zeiten, als die Trainer noch mit den Orcas im Wasser waren.

Weitere Lächerlichkeiten

“Oft sind die bis zu 3.800 Kilogramm schweren Wale gestresst”, wird behauptet. Eine klassische Lüge, denn es gibt nicht eine Studie, die sich mit dem Stress von Orcas beschäftigt hätte und das belegt hat. Solche und andere Mythen zerstört der Loro Parque in seiner Enzyklopädie – nota bene mit wissenschaftlichen Belegen.

Robin Ganzert (Präsidentin von American Humane) und Wolfgang Kiessling (Präsident des Loro Parque) bei der Verleihung des Zertifkats. | Foto: Loro Parque

Aber es wird nicht besser: “Tierschützer” würden eine Abschaffung der Shows fordern, behauptet man. Warum zertifiziert dann die renommierteste Tierschutzorganisation der Welt, American Humane, der Millionen Menschen zum Beispiel in Bezug auf die Entertainment-Industrie vertrauen, zahlreiche moderne Zoos und Aquarien mit solchen Shows? Das passt ja nicht zusammen, zeigt aber die Gegenstandslosigkeit einer solchen Behauptung.

Wie als Beleg für die im letzten Absatz beschriebene Behauptung, lässt ntv dann wieder Narganes Homfeldt zu Wort kommen, also eine Angestellte einer Organisation, die Delfinarien aus ideologischen Gründen abschaffen will. Das WDC ist, wie andere Anti-Zoo-Organisationen, bereits häufig durch Lügen, sowie Fehl- und Desinformationen auffällig geworden. Viel unseriösere Quellen gibt es nicht und warum, das stellt Narganes Homfeldt auch gleich erneut unter Beweis, indem sie behauptet, das “Rumplatschen mit der Flosse auf dem Wasser” wäre ein Aggressionsverhalten. In der Realität ist es eine Jagdtechnik.

Aber mit der realen Welt hat dieser Beitrag eben nicht wirklich etwas gemein. Er wirkt wie aus einem Paralleluniversum, in dem es zum Beispiel die über 150 seriösen Experten und Wissenschaftler gar nicht gibt, die sich für eine Fortsetzung der Meeressäugerhaltung stark machen, sondern die Wahrheit aus dem Mund von Angestellten und Lobbyisten von Anti-Delfinarien-Organisationen kommen, die bekannt für Lügen, Fehl- und Desinformationen sind. Man könnte lachen, wenn hier nicht auf populistische Weise versucht würde, ein respektables Zentrum für Tier- und Artenschutz, sowie Forschung und Bildung in Verruf zu bringen.

Lächerliche Behauptung zur Anfrage

Der junge Orca Adán im Loro Parque | Foto: zoos.media

Um dieser Einfältigkeit und Einseitigkeit vermutlich im Nachhinein zu legitimieren, bemerkt man im Bericht, der Loro Parque hätte auf eine Anfrage zum Unfall nicht reagiert. Zum Unfall liegen die Fakten auf den Tisch und ein Zoo ist nicht dazu da, seine Zeit darauf aufzuwenden, Journalisten den Job abzunehmen. Hätte es von ntv irgendein Interesse gegeben, seriös zu berichten, hätten sie die Fakten einfach recherchieren können.

Auf Anfrage aber bestätigte der Loro Parque hingegen, dass es keine Anfrage von ntv zu diesem Thema gab. Man habe die Eingangspost geprüft und nichts dergleichen vom Sender finden können. So ein Vorgehen ist zwar unseriös, aber nicht unüblich. Viele fragwürdige Journalisten verschicken solche dann später im Beitrag erwähnten, angeblichen Anfangen gar nicht oder mit einer Fristsetzung, die eine ordentliche Antwort unmöglich macht. Solche Menschen haben kein Interesse an der Wahrheit.

Zu dieser falschen Aussage auf dem Off laufen Privataufnahmen. Es ist schlicht nicht erlaubt, Privataufnahmen aus dem Park für kommerzielle Zwecke zu verwenden. Auch hier sieht man wieder die Unseriosität der Machart dieses NTV-Beitrags. So passen diese abschließenden Bilder sehr gut zu dieser völligen journalistischen Bankrotterklärung, die diese drei Minuten darstellen. Es ist völlig unverständlich wie so etwas im Einklang zu bringen sein soll mit der Seriositätsoffensive, mit der die RTL-Gruppe von sich reden machen will.

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