Schwertwal | Foto: Caitriana Nicholson, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Orca Baby Toa unter der Pflege von Aktivisten gestorben

Exklusiv für zoos.media – 8. August 2021. Autor: Philipp J. Kroiss

Nach Bob ist nun ein weiterer Orca namens Toa unter der Pflege von Zoogegnern gestorben – der Artikel erörtert Ausgang und Fehler des Projektes sowie Strategien, um es in Zukunft besser zu machen.

Orca Baby Toa unter der Pflege von Aktivisten gestorben

Das in Neuseeland nahe dem Tod gefundene Orca Baby hatte nicht nur das Pech in diese missliche Lage zu geraten, sondern noch dazu das Pech, in die Hände von Aktivisten zu gelangen. Diese haben bereits bei dem Orca Bob bewiesen, dass sie nicht in der Lage sind, sich professionell um gestrandete und menschliche Pflege benötigende Orcas zu kümmern. Sein Glück schien sich zu wenden als der Wellington Zoo, der Loro Parque und SeaWorld dem unerfahrenen Team von Laien, das bereits damit begonnen hatte den Orca zu streicheln, ihre Unterstützung anboten – die Aktivisten hatten das Tier behandelt, als wäre es ein Hund aus einem Tierheim und kein wilder Orca, der möglichst in den Ozean zurückkehren sollte. Hier ist ein Instagram-Carousel, welches das Geschehen sehr gut zusammenfasst. Leider starb Toa kurz darauf, nachdem das Team vor Ort beschlossen hatte, ihn wieder in einen Bucht-Käfig zu sperren.

War es bereits zu spät?

Die Schilderung der obigen Situation durch The Guardian ist erschütternd:

“When Toa, the orphaned baby orca, sees food coming he sticks his large pink tongue out of his wide gummy mouth in happy anticipation. He gurgles and belches as he hungrily tugs at the specially designed latex teat. Four volunteers in wetsuits and beanies cradle him and coo that he is “a good boy” as he feeds. When he is done, he rolls over, revealing his cream white skin, and nudges a volunteer for a belly rub. If they dare stop, he nudges them again. When he is excited he zooms about his holding pool, playing with the volunteers, and when a large tentacle-like piece of kelp is heaved into the water, he snuggles under it, as though it were a blanket, or the protective weight of his missing mother.” –  Eva Corlett (Guardian) in Wellington

(Übersetzung: “Wenn Toa, das verweiste Orca Baby, sieht, dass es Essen gibt, streckt er in freudiger Erwartung seine große rosafarbene Zunge aus seinem breiten gummiartigen Maul. Er gluckst und rülpst während er hungrig an dem speziell entwickelten Latex-Sauger nuckelt. Vier Freiwillige in Neoprenanzügen und Beanies streicheln ihn und loben ihn einen “guten Jungen”, während er frisst. Wenn er fertig ist, dreht er sich um und stubst einen der Freiwilligen an, damit der ihn am Bauch krault. Wenn sie aufhören, stubst er sie erneut an. Wenn er aufgeregt ist, tobt er in seinem Becken herum und spielt mit den Freiwilligen, und wenn ein großes tentakelartiges Stück Seetang ins Wasser gegeben wird, kuschelt er sich da hinein wie in eine Decke oder unter das schützende Gewicht seiner fehlenden Mutter.” –  Eva Corlett (Guardian) in Wellington)

Das war weit von dem entfernt, wie es sein sollte. Toa verhielt sich bereits wie ein Orca, der sich an menschliche Fürsorge gewöhnt hatte, falls die obige Beschreibung stimmen sollte. Professionelle und vertrauenswürdige Rettungszentren legen immer großen Wert darauf, genau das zu verhindern. Denn gerettete Wale sollen sich nicht an menschlige Fürsorge gewöhnen. Wenn sie es doch einmal tun, gibt es kein Zurück – zumindest nach den bisherigen Erkenntnissen erfahrener Rettungskräfte. Selbst wenn man Tiere, die sich an den Menschen gewöhnt haben, wieder in die Natur zurückführt, suchen sie stets die Aufmerksamkeit der Menschen, da sie gelernt haben, dass diese etwas Positives ist – wie es bei Keiko beobachtet wurde.

Ein Tier in diesem Zustand braucht Spezialisten und keine Aktivisten, die bewiesen haben, dass sie so gut wie keine Ahnung von der Pflege von Schwertwalen haben, aber dennoch ständig dumme Anschuldigungen gegen Fachleute erheben, die dieses Wissen tatsächlich haben: Zoos und Aquarien, die diese Tiere erfolgreich pflegen. Hätten sich echte Experten um Toa kümmern dürfen, sähe die Lage vielleicht ganz anders aus.

Zum Glück erhoben Zoos und Aquarien die Stimme und äußerten ihr Besorgnis. Wenigsten tragen die Aktivisten seitdem Masken und Handschuhe, was sie vorher nicht taten. Außerdem befanden sich seitdem nicht mehr so viele Menschen im Wasser und die Zahl der Fotos von Menschen, die den orca streichelten, nahm ebenfalls ab. Das war positiv für das Tier, doch es könnte schon zu spät und der durch die Aktivisten verursachte Schaden zu groß gewesen sein, bevor diese dem Rat der Experten folgten – den sie im Falle von Bob nicht beachteten.

Besser tot als gefüttert

Ingrid Visser jagt Orcas mit Unterwasserkamera – die Tiere schwimmen vor ihr weg. | Foto: Screenshot des Films “Woman swims with killer whales in the wild.webm” von Fair Projects (Lizenz: CC BY 3.0)

Aktivisten rund um Ingrid Visser drängten zur Suche nach Toas Gruppe. Visser unterstützt die Tierrechtsindustrie gegen moderne zoologische Einrichtungen, während sie persönlich weiterhin wilde Orcas streichelt, was gegen wissenschaftliche Standards verstößt. Sie ist außersdem Mitglied eines Netzkäfig-Projektes für Orcas, das Orcas in seine Obhut nehmen möchte. Die von Visser unterstützte Tierrechtsindustrie verfolgt ein simples Prinzip: Besser tot als gefüttert. Diese Aktivisten sind der Meinung, es sei besser für ein Tier zu sterben als in menschlicher Obhut zu leben. Es ist also kein Geheimnis, dass Visser und ihre Anhänger gegen die Alternative eines langfristiges Unterkommen in menschlicher Obhut, bei Fachleuten anstelle von Aktivisten, gekämpft haben.

Zoogegner scheinen sich damit abzufinden, Tiere in eigener Obhut in Netzkäfigen zu halten – andernfalls würden sie eine solche Einrichtung, die unter dem Niveau professioneller Haltungen liegt, nicht planen. Dennoch lehnen sie die professionelle Pflege von Walen in menschlicher Obhut entschieden ab.

Jeder Tag, den das Tier unter dieser intensiven Pflege verbrachte, war ein Problem, denn ein junger Orca braucht Gesellschaft. Darüber hinaus schien sich die Geschichte zu wiederholen: Ingrid Visser behauptete, die Gruppe von Morgan gefunden zu haben – dem 2010 von Experten im Wattenmeer geretteten Orca, der nun im Loro Parque auf Teneriffa lebt und von Experten betreut wird. In Wirklichkeit, gelang es jedoch weder Visser noch anderen Aktivisten, Morgans Gruppe zu finden. Es wurden nur einzelne Mitglieder gesichtet und Visser war nicht in der Lage, die Gruppe ausfindig zu machen, von der sie behauptete, dass es sich um Morgans Familie handelte. Ginge es nach Visser, wäre Morgan wahrscheinlich immer noch alleine und würde darauf warten, dass die Aktivistin ihre Gruppe findet. Nun suchte diese selbsternannte “Orca-Expertin” nach einer Gruppe für Toa in der Region, für die sie sich als Expertin ausgibt, und scheiterte erneut. Sie brauchte wieder einmal viel zu lange. Doch leider befand sich Toa nicht unter der Kontrolle von Fachleuten; Morgan zum Glück schon.

Neuseeland braucht ein professionelles Rettungszentrum

Wilde Orcas in der Region Süd-Georgiens – die Hautunreinheiten sind leicht zu erkennen. | Foto: Christopher P. Michel, Lizenz: CC BY 2.0

Es ist bereits das zweite in Not geratene Orca-Kalb, das in Ingrid Vissers Hände gerät – beide Tiere starben schnell. Das überrascht nicht, wenn die Kontrolle über die Rettungsaktion bei einem Haufen Laien liegt, die einen wilden Orca streicheln, in einen Swimmingpool stecken und andere mehr als fragwürdige und unprofessionelle Dinge tun. Es müsste ein Rettungszentrum geben, das von Experten aus der zoologischen Gemeinschaft mit jahrzehntelanger Erfahrung geführt wird.

Zoos und Aquarien können überall auf der Welt helfen und tun dies auch. Sie sind nicht nur in der Lage, Tiere zu retten, sondern können sie wenn nötig auch langfristig versorgen. Es ist absurd, dass ein Land wie Neuseeland auf Laien zurückgreift, die nicht einmal in der Lage sind die Rettungsaktionen zu finanzieren. Toas “Rettung” kostete die Steuerzahler $10,000. Für so viel Geld verdienten in Not geratenen Tiere eine bessere Pflege.

Nach dem Vorbild moderner Zoos und Aquarien sollte eine dauerhafte Rettungsstation eingerichtet werden, um die Tiere angemessen unterzubringen und von Fachleuten pflegen zu lassen, die über genügend Erfahrung und wissenschaftliche Expertise verfügen. So wie bisher kann es nicht weitergehen: Eine in der Pflege von Walen unerfahrene Person wie Ingrid Visser findet einen Orca, fängt das Tier, “pflegt” es und ruft nach Unterstützung. So etwas muss von erfahrenen Experten durchgeführt werden unter beständigen Strukturen und sinnvollen Maßnahmen. Andernfalls wird das Verhalten von Menschen wie Visser einem Orca-Baby nach dem anderen das Leben kosten. Wenn aber ein Zoo oder ein Aquarium als Rettungszentrum diente, könnte dort eine soziale Gruppe für Orcas bereitgehalten werden, die nicht wieder freigelassen werden können, und sich das Rettungszentrum außerdem an einem internationalen Zuchtprogramm beteiligen.

Verpasste Chancen

Ula “küsst” ihre Mutter Morgan | Foto: zoos.media

Jeder in Not geratene Orca bietet auch eine Chance: Durch die Rehabilitation und Rückführung der Tiere in die Natur kann man sehr viel lernen. Sollte aber eine Rückführung nicht möglich sein, könnte der Orca Teil der Population in menschlicher Obhut werden. Das wäre in vielerlei Hinsicht wichtig, denn so kann das Tier zum Beispiel bei Wissenschafts- und Bildungsprojekten mitwirken. Darüber hinaus können die Tiere an Zuchtprogrammen teilnehmen, um die Zahl der Wildfänge – die es leider immer noch gibt – für Meeres-Themenparks in Asien zu verringern.

Nördlich von Australien verlangt China Wildfänge für seine zahlreichen Meeresparks. Sie werden nicht aufhören und können auch nicht gesetzlich verhindert werden. Selbst wenn kein Land mehr Orcas für China finge, hätte es genug Orcas auf seinem eigenen Gebiet. Auch Japan füllte seine Becken mit Wildfängen – so gut wie jeder kennt die Vorgänge in Taiji. Aktivisten versuchten die Praxis zu beenden und scheiterten. Zoos und Aquarien scheiterten nicht.

Sie boten ihr Wissen über die Delfinzucht und ihre Kooperation an, falls das Land die Wildfänge beendete. Die akkreditierten Zoos und Aquarien in Japan nahmen das Angebot an und fragen seitdem keine Wildfänge mehr aus Taiji nach. Leider tun einige chinesische Zoos und Aquarien dies immer noch. Zuchtprogramme sind die einzige Antwort auf dieses Problem. Das Züchten rettet bereits viele verschiedene Tierarten auf der ganzen Welt – warum sollte das nicht auch bei Walen getan werden? Es gibt keinen Grund das auszuschließen!

Ein internationales Zuchtprogramm für Orcas könnte die Wildfänge in wenigen Jahren beenden. Toa hätte Teil davon sein können und hätte Zoos und Aquarien dabei helfen können, den Druck auf Schwertwal-Populationen zu verringern, die benutzt werden, um die Nachfrage aus China und anderen Ländern zu decken. Um das Tierwohl zu gewährleisten, hätte Toa ohnehin die Möglichkeit haben müssen sich zu vermehren. “Dank” der falschen Pflege durch die Aktivisten wurde eine weitere Chance verpasst. Hoffentlich wird Neuseeland solche Verluste in Zukunft verhindern, indem es aufhört radikalen Aktivisten und Laien zu vertrauen. Es bleibt zu hoffen, dass Toas Tod ein Weckruf ist, der bewirkt, dass in Zukunft echte Experten den Aktivisten vorgezogen werden.

Fehler vertuschen?

Wie zuvor bei Bob, soll auch bei Toa keine Nekropsie durchgeführt werden. Es ist schon ein kurioser Zufall, dass gerade diese Kälber nicht wissentschaftlich untersucht werden sollen. Ingrid Visser, ihre “Fans” und ihr Rettungsteam behaupten, dass eine Nekropsie die Traditionen der Maori nicht respektiere. Doch das stimmt nicht, denn Bob und Toa währen nicht die ersten Orca-Kälber gewesen, die in Neuseeland obduziert werden.

Das Projekt dolphinaria.truth veröffentlichte dazu einen bemerkenswerten Beitrag:

Das zeigt, dass es in der Vergangenheit möglich war und möglich ist, eine Nekropsie durchzuführen und die Traditionen der Maori zu respektieren. Es gibt auch Maori-Wissenschaftler, ihre Kultur ist weit davon entfernt rückständig und primitiv zu sein. Sie kümmern sich um das Meer und seine Bewohner und sorgen sich wie alle anderen um in Not geratene Orcas. Zufälligerweise werden die Orcas, für die Visser und ihr Laien-Team “sorgen”, sehr schnell begraben, noch bevor eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung möglich wäre.

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