Bolivianischer Totenkopfaffe im Yacuma-Park | Foto: Said Ale / Said Yasser Ale Salinas, Lizenz: CC BY-SA 4.0 DEED

Pro Wildlife: Ist Bildung im Zoo ersetzbar?

Exklusiv für zoos.media – 05.03.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

Die wissenschaftliche Studienlage zeigt sehr deutlich, dass Bildung im Zoo funktioniert. Pro Wildlife behauptet trotzdem das Gegenteil. Wie manipuliert die Organisation, die Teil der Tierrechtsindustrie und ihrer Kollaborateure ist, ihre Follower?

Pro Wildlife: Ist Bildung im Zoo ersetzbar?

Die Organisationen im Dunstkreis der Tierrechtsindustrie setzen vor allem auf eines: die Uninformiertheit ihrer Rezipienten. Das wird garniert mit pseudo-wissenschaftlichem, gefühligem Populismus und fertig ist die Desinformation. So macht das Pro Wildlife auch bei dem Text “Bildung im Zoo ist ersetzbar”, den die Organisation über Social Media verbreitet. Schon ein einfache Recherche widerlegt die Ausführungen von Pro Wildlife eigentlich immer und daher exemplifizieren wir das mal an diesem Beitrag.

Einziger “Beleg” widerspricht Pro Wildlife

Es wird in dem Post viel pseudo-wissenschaftliches Zeug unbelegt behauptet. Die einzige Passage, die so etwas wie einen Beleg hat, ist, als man über eine “2017 im Zoo Zürich durchgeführte Studie” spricht, die angeblich belege, dass es zwar “Name, Aussehen & Verbreitungsgebiet der Tiere vermittelt [wurden], jedoch stellte die Studie keinen Bildungseffekt bzgl. Verhaltensweisen, Bedrohungsstatus oder Lebensräumen der Tiere fest”. Die Studie ist nicht verlinkt. Warum wohl? Das merkt man, wenn man die Studie sucht.

Anscheinend bezieht sich Pro Wildlife auf die Masterarbeit von Marc Dür unter Betreuung von Finanz-Professor Karl Schmedders. Der Autor selbst zieht aus seiner Studie ganz andere Schlüsse als die Anti-Zoo-Organisation und schreibt: “In den vorgenommenen Auswertungen wurde sichtbar, dass ein einzelner Besuch im Zoo Zürich einen signifikant positiven Bildungseffekt aufweist.” Somit widerlegt schon das Resultat der Studie den gesamten Post von Pro Wildlife. Das wäre in jeder schulischen oder universitären Arbeit schon die Disqualifikation für eine gute Note.

Studienergebnis falsch dargestellt

Grevyzebra auf der Lewa-Anlage im Zoo Zürich | Foto: Albinfo, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Pro Wildlife nutzt aber nicht nur eine Studie als Beleg, die die Ausführungen in Wahrheit widerlegt, sondern stellt die Ergebnisse auch noch falsch dar. Die fragliche Stelle, die Pro Wildlife indirekt zitiert, sagt in Wirklichkeit etwas ganz anderes aus. Sie heißt (vom Englischen ins Deutsche übersetzt): “Für die übrigen Wissensbereiche wie Biotope, Verhalten & Merkmale sowie Bedrohungen & Schutz führte ein Besuch im Zoo Zürich zu keiner Wissensänderung.”

Was ist der Unterschied? Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: Wenn ein Besucher schon – etwa aus den Schweizer Medien – weiß, dass sich der Zoo Zürich intensiv im Bereich Lewa in den Artenschutz einbringt, dann kann auch ein Zoobesuch keine “Wissensänderung” bringen. Das bedeutet aber nicht, dass der Zoo keinen Bildungseffekt in diesem Bereich erbringt. Er erbringt ihn nur eben woanders – in diesem Fall in den Medien.

Außerdem kommt ein Zoobesucher auch nicht ungebildet in den Zoo und dass Tiger bedroht sind, weiß jedes Kind. Dass der Zoo Zürich Waldrappen auswildert, ist auch den meisten Leuten bekannt. Da kommt es dann zu keiner Wissensänderung beim Zoobesuch, weil der Bildungsinhalt bekannt ist. Die Studie gibt aber keinerlei seriösen Anlass, dem Zoo Zürich auf dessen Basis zu unterstellen, dass es “nur eingeschränkt zu einem Wissenstransfer” käme. Tatsächlich belegt die Studie einen “signifikant positiven Bildungseffekt”. Hier sieht man gut wie Pro Wildlife manipuliert.

Lächerliche Beschreibungen

Für wie dumm Pro Wildlife seine Rezipienten offenbar hält, sieht man, wenn die Anti-Zoo-Organisation schreibt: “selbst bei Zebra & Giraffe sehen die Gehege nicht aus wie die afrikanische Savanne”. Da spricht man besser dann nicht über Zoo Zürich, wo die eben genau solche Tiere auf der Lewa-Savanne leben. Das ist aber nicht nur dort der Fall. Auch die Giraffen in der ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen zum Beispiel leben auf einer großen Savanne in einer WG mit mehreren anderen Arten.

Die Liste ließe sich nun weiter fortführen, aber es ist ja müßig: die Leute, die sich wirklich für Zoologische Gärten interessieren, wissen ja, dass es falsch ist. Auch bei aus der Zeit gefallenen Aussagen wie “bemalter Beton statt Dschungel bei Affen” und “Plastik & Pflaster statt Schnee bei Eisbären” lassen sich ja durch zahlreiche Beispiele widerlegen. Prominent ist hier zum Beispiel die Installation für Eisbären im Erlebnis-Zoo Hannover, eine Haltung, die auch von echten Artenschützern gelobt wird.

Natürliche Verhaltensweisen im Zoo

Asiatischer Löwe (Panthera leo persica) im Zoo Zürich | Foto: albinfo, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Man sieht also, Pro Wildlife tischt den Rezipienten eine Lüge nach der anderen auf. So wird den Lesern auch in Bezug auf Zootiere vermittelt: “Sie können ihre natürlichen Verhaltensweisen im Zoo nicht vollständig ausleben.” Tiere sind in der Natur massiven Zwängen unterworfen, das sie zu bestimmten Verhalten zwingt: etwa dem Ausweichen vor Feinden, weiten Wanderungen dem Essen hinterher und vieles mehr. Das ist aber kein Verhalten, dass Tiere in der Natur freiwillig zeigen und die Zootierhaltung befreit die Tiere von einigen Zwängen.

So bleibt einzig die Jagd, die manche Tiere nicht so zeigen können, wie in der Natur. Das stimmt aber auch nur für die Tiere, bei denen die Verfütterung von lebenden Tieren aus Tierschutzgründen verboten ist. Das gilt für alle Tiere, die in der Natur Jagd auf Wirbeltiere machen würden. Insektenfresser, Aasfresser und Pflanzenfresser betrifft das zum Beispiel gar nicht. Bei sämtlichen Wirbeltierfressern zeigt sich aber, dass das Wegfallen der Jagd lebender Tiere für sie überhaupt keine Probleme mit sich bringt.

Wie viele Menschen es sich überhaupt ansehen würden, wenn ein Löwe ein Zebra durch das Gehege hetzt, steht dann auch nochmal auf einem anderen Blatt. Dieses Ansehen wäre dann ja aber die Grundvoraussetzung für einen Bildungseffekt. Man hat aber unter Tierschutzgesichtspunkten entschieden, so etwas den Zoologischen Gärten zu verbieten. Man hat gemerkt, dass das Leid und die Qualen des bejagten Wirbeltieres – für das Zebra wäre das nämlich kein Spaß – es schlicht nicht wert sind. Der Löwe ist auch glücklich mit einen Stück Fleisch, das er im Rahmen von zum Beispiel Enrichment erhält.

Unterhaltung in modernen Zoos & Aquarien

“In erster Linie geht es in Zoos um Unterhaltung”, behauptet Pro Wildlife. Die Organisation kennt offenbar nicht das Einmaleins der Tiergartenbiologie und die vier Säulen des modernen Zoologischen Gartens: Erholung, Bildung, Forschung und Naturschutz. Unterhaltung ist lediglich ein Vehikel, um diese vier Säulen zu vermitteln. Das funktioniert auch gerade im Bildungsbereich gut.

Studie zu theaterbasierter Edukation in Zoos

Solche Studien aber zeigt Pro Wildlife seinen Rezipienten natürlich nicht. Dabei ist “Edutainment”, also die Kombination von Unterhaltung und Bildung, sehr gut erforscht. Es funktioniert und das weiß auch jedes Kind. Wenn der Lehrer in der Schule Inhalte unterhaltsam vermittelt, ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass davon auch etwas hängen bleibt. Die Anti-Zoo-Organisation echauffiert sich schlicht “manche Zoos bieten sogar direkten Kontakt zu Tieren wie Giraffen & Erdmännchen an”. Sie verschweigt, dass diese Interaktionen von Zoo-Pädagogen vorbereitet und begleitet werden und Teil des Bildungsprogramms sind.

Emotionale Edukation

Giraffenfütterung im Miami Metrozoo | Foto: NancyHeise, Lizenz: public domain

“Bildung im Zoo ist in keinem Fall ersetzbar”, erklärte auch Dr. med. vet. K. Alexandra Dörnath, die Mitglied im zoos.media-Beirat ist. “Bildung besteht ja nicht nur in der Aufnahme von Fakten, sondern auch in der Entwicklung von Emotionen und dem “Mit-Fühlen”. Diese emotionale Bildung, das Hineinversetzen in das Gegenüber und das Entwickeln von Mitgefühl, findet im Zoo statt. Denn nur das, was wir kennen, lieben wir. Und nur das, was wir lieben, schützen wir.”

Kein Foto, Video oder sonstiges Medium schafft es, das Live-Erlebnis der Tiere zu ersetzen. Dazu entstehen im Zoo auch Interaktionen zwischen Besuchern, die auch eine emotionale Verbindung schaffen. Wer etwa eine Giraffe füttert, lernt nicht im Rahmen des damit verbundenen Bildungsprogramm etwas über die Ernährung und das Ess-Verhalten der Tiere, sondern lernt auch die Tiere auf einer nicht so faktenbasierten Ebene kennen.

Auch solche, nicht faktengebundene, aber emotionale Bildung ist wichtig für den Natur- und Artenschutz. Allein über Medien kann man sich nicht so emotional an ein Lebewesen binden, wie als wenn man es mal live erlebt, sogar gefüttert oder gestreichelt hat. Diese emotionale Bildung und Bindung ist aber die Grundlage dafür, dass Menschen die Zoologischen Gärten bei der Rettung der Arten unterstützen.

Wie sieht es wirklich aus?

Durch Weglassung wichtiger Fakten manipuliert Pro Wildlife also auch hier. Es geht in Zoos nicht um Unterhaltung. Unterhaltung ist ein erprobtes Mittel, um Bildung sowie Naturschutz zu vermitteln. Davon, dass Bildung im Zoo auch funktioniert, zeugen zahlreiche Studien. Die lässt Pro Wildlife aber einfach weg. Für jemanden, der auch nur etwas in die Forschung zum Thema eingetaucht ist, ist dieser Post von Pro Wildlife schlicht lächerlich.

Zoo-Edukation funktioniert!

2019 wurde erhoben, dass allein die 71 VdZ-Zoos 171.426 Bildungsangebote hatte. Das sind pro Zoo rund 2.515, was bedeutet, dass jeder Zoo pro Tag im Durchschnitt fast 7 Angebote offeriert. Über eine Millionen Menschen nutzen solche Angebote. Darin sind aber die kommentierten Fütterungen und sonstige edukative Präsentationen noch gar nicht enthalten. Das sind dann nochmal rund 100.000 Angebote pro Jahr mehr.

Mehr als einer Viertelmillion Angebote allein der VdZ-Zoos im Jahr zu ignorieren, ist schon ein starkes Stück. Seit 2019 wird die Zahl ohnehin nochmal gestiegen sein. Pro Wildlife ist das einfach egal. Es geht bei solchen Post der Organisation offensichtlich nicht um Wahrheit oder gar Bildung. Es geht um Lügen, Manipulation und Desinformation. So will Pro Wildlife an Spenden kommen. Das ist ja auch nicht das erste Mal, dass eine Realität von Pro Wildlife ersonnen wird, die es gar nicht gibt.

Pro Wildlife erfindet Horror-Statistik

Staatlich geförderte Fake News?

Berlin: Das Reichstagsgebäude von Westen aus gesehen | Foto: Jörg Braukmann, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Pro Wildlife hat neun so genannte hauptamtliche Mitarbeiterinnen und sechs davon stehen im Lobbyregister des Bundestages als “Beschäftigte, die Interessenvertretung unmittelbar ausüben”. Mindestens 10.000€ wendet Pro Wildlife für den Lobbyismus auf, verschleiert das aber im Jahresbericht, weshalb nicht klar nachvollziehbar ist, wie viel Geld es wirklich ist. Dieses Engagement zahlt ich für Pro Wildlife auch geldlich aus.

So bekam die Organisation 2022 einen mittleren fünftstelligen Betrag von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Das ist eine Organisation, die im Auftrag verschiedener Ministerien der Bundesrepublik Deutschland tätig ist. Dieses Unternehmen ist eines von vielen Wegen, durch die der Staat angebliche “Nichtregierungsorganisationen” wie Pro Wildlife finanzieren kann.

Offiziell gab es diese “Schenkung” für ein “Aufklärungsprojekt zu Zoonosen im Zusammenhang mit Wildtierhandel in fünf Ländern Afrikas”. Zoonosen und Pro Wildlife? Da wird bei einigen Zoo-Freunden was klingeln. Denn schon während der Coronakrise 2020 hatte Pro Wildlife da gegenüber Zoos eigentlich schon genug Inkompetenz gezeigt, ums sich für so eine Förderung zu disqualifizieren. Wo das Geld letztendlich gelandet ist, lässt sich bei den intransparenten Angaben, die Pro Wildlife so rausgibt, nicht wirklich nachvollziehen. Über die GIZ lassen sich politische Vorhof-Organisationen aber eben diskret entlohnen.

Pro Wildlife ist unglaubwürdig

Schwarzfußiltis – dank Zoos vor dem Aussterben bewahrt | Foto: Ryan Hagerty (U.S. Fish and Wildlife Service), Lizenz: public domain

Ob fragwürdige Spenden vom Staat, große Intransparenz bei der Verwendung von Spendengelder, massive Manipulation bei der Widergabe von Wissenschaft oder schlichtes Verbreiten von Fake News über Zoos – worüber auch immer man sich am meisten aufregen will, all das zeigt doch, dass man Pro Wildlife nichts wirklich glauben kann. Was die Organisation über Zoologische Gärten verbreitet, rangiert zwischen Desinformation, Fehlinformation und Manipulation. Das gilt aber eben auch für andere Bereiche, in denen sie die Organisation tätig ist.

Selbst bei den Zootieren werden aber die Tierrechtsindustrie und ihre Kollaborateure nicht aufhören. Schon jetzt haben sie ja auch schon bestimmte Haustiere auf der Abschussliste. Ist so eine “Positivliste” erstmal durch Fake News und Lügen erstellt, lässt sie sich mit den gleichen Mitteln beliebig ausweiten. Was mit dem Tiger im Zoo also beginnt, endet irgendwann mit der Katze auf dem Schoß, wenn sich nicht ausreichend Gegenwehr gegen diese Industrie formiert. Haltung rettet Arten, aber wenn die Haltung verboten ist, kann man auch keine Arten mehr retten.

Daher will es Pro Wildlife natürlich so erscheinen lassen, als sei Bildung im Zoo ersetzbar. Sie ist es aber eben nicht, weil die Haltung von Tieren besondere Bildungskonzepte erst ermöglichen. Dass sie funktionieren, sieht man auch an zahlreichen Studien, von denen auch einige schon auf zoos.media veröffentlich wurden. Jeder, der mit offenen Augen durch Zoos und Aquarien geht, wird Bildungsangebote finden und kann dann selbst live erfahren wie zoologische Institutionen jeden Tag unseriöse Organisationen wie Pro Wildlife widerlegen.

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