Exklusiv für zoos.media – 27.01.2021. Autor: Philipp J. Kroiß
Viele fragen sich wie es den mit SARS-CoV-2 infizierten Gorillas im San Diego Zoo Safari Park geht – nun gaben die Experten vor Ort ein umfangreiches Update.
San Diego: Gorillas erholen sich gut
Die Gorillas des San Diego Zoo Safari Parks erholen sich weiterhin gut, nachdem sie sich mit SARS-CoV-2 infiziert hatten:
Great news: Our gorilla troop is eating, drinking, interacting and on their way to a full recovery after the diagnosis of SARS-CoV-2, the virus that causes COVID-19 in humans. Full update: https://t.co/jb9pKVirTq pic.twitter.com/TuVGmlNtjl
— San Diego Zoo Safari Park (@sdzsafaripark) January 25, 2021
Sie essen, trinken und interagieren und es gibt aktuell keinen Grund daran zu zweifeln, dass sie sich vollständig erholen. Man weiß nun auch mehr über das Virus selbst: die B.1.429-Linie hat die Familiengruppe erwischt. Diese wurde in Kalifornien in letzter Zeit immer häufiger festgestellt und steht unter dem Verdacht, infektiöser zu sein als andere. Damit folgt der Strang der zu erwartenden und historisch nachvollziehbaren, typischen Evolution von humanen Coronaviren (HCoVs): es setzen sich letztendlich in der Evolution der Viren immer die Stränge durch, die infektiöser, aber weniger gefährlich für den Menschen sind. Dadurch kann die Menschheit auch seit Jahren mit den HCoVs NL63, 229E, OC43 und HKU1 zusammen existieren. Lavine et al. (2021) gehen davon aus, dass, auf lange Sicht, SARS-CoV-2 die selbe Entwicklung nehmen wird.
Gorilla-Urgestein Winston
Da bekannt ist, dass Covid-19 besonders in hohen Altersgruppen bei Vorerkrankungen eine Gefahr für Wohlergehen und Überleben des Infizierten darstellt, achtete das Team natürlich besonders auf den betagten Gorilla Winston: “Aufgrund des fortgeschrittenen Alters, der Symptome wie Husten und Lethargie sowie der Besorgnis über die zugrunde liegenden Erkrankungen wurde der Silberrücken Winston in Narkose gelegt. Tierärzte bestätigten Lungenentzündung und Herzerkrankungen”, erklärte der Safari Park in seinem Update zum Zustand der Tiere. Um den Gesundungsprozess zu unterstützen, bekam er entsprechende Medikamente.
Bei Menschen ist es so, dass die meisten Infektionen mit nur milden oder auch gar keinen Symptomen verlaufen, aber es kann auch zu einer Lungenentzündung kommen, die sich von der klassischen, von Bakterien ausgelösten, Lungenentzündung unterscheidet, wie die Asklepios-Kliniken erklären. Daher nutzte man bei Winston zur Unterstützung der klassischen Therapie eine monoklonale Antikörpertherapie, die speziell auf die Bekämpfung des neuartigen Coronavirus ausgerichtet ist. Das Team glaubt nun, dass auch diese Therapie einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass Winston nun wieder fast der Alte ist, was im Zusammenhang mit ihm natürlich einen doppelten Sinn hat.
Impfungen für Tiere?
Den solidesten Schutz gegen das Virus bietet immer noch die “natürliche Immunisierung” durch das Virus selbst, genauso wie dies bei den anderen vier endemischen Coronaviren der Fall ist. Bei Risikogruppen, bei denen man die Befürchtung hat, dass sie diese Art der Immunisierung nicht überleben, macht allerdings eine Impfung zweifelsohne Sinn. Aus seinem Netzwerk der Unterstützer bekam der San Diego Zoo, zu dem auch der Safari Park gehört, nun einen Impfstoff für diesen Fall. Dieser ist ausdrücklich nicht für Menschen geeignet und so nehmen die Tiere auch keinem Menschen eine Dosis weg.
Nun arbeiten die Experten vor Ort daran, Tiere zu identifizieren, für die eine solche Impfung sinnvoll in Frage kommt. Die Impfung von Tieren ist nichts besonderes, denn das passiert natürlich generell auch in Zoos. Dabei wird immer natürlich abgewogen, für welche Tiere das in Frage kommt und für welche es wirklich wichtig ist, eine Impfung zu erhalten. Das ist ein ganz üblicher Prozess im Rahmen der modernen Zootierhaltung, die natürlich auch eine optimale Gesundheitsversorgung der Tiere anstrebt. Man darf also gespannt sein, was man auf dieser Ebene noch vom San Diego Zoo hört. Das Team vor Ort hat bewiesen, exzellent mit der Infektion umzugehen und besonnen zu handeln.
Infektion könnte Gorilla-Leben retten
Die genaue Erforschung dieser Fälle in San Diego ist sehr wichtig und könnte tatsächlich Leben retten. Es war zentral, nun das Virus genau zu untersuchen und einem Strang zuzuordnen. Die WHO hatte jüngst erst darauf hingewiesen, wie nötig es ist, Ergebnisse eines positiven PCR-Tests zu validieren.
“WHO guidance Diagnostic testing for SARS-CoV-2 states that careful interpretation of weak positive results is needed (1). The cycle threshold (Ct) needed to detect virus is inversely proportional to the patient’s viral load. Where test results do not correspond with the clinical presentation, a new specimen should be taken and retested using the same or different NAT technology. WHO reminds IVD users that disease prevalence alters the predictive value of test results; as disease prevalence decreases, the risk of false positive increases (2). This means that the probability that a person who has a positive result (SARS-CoV-2 detected) is truly infected with SARS-CoV-2 decreases as prevalence decreases, irrespective of the claimed specificity.” – WHO
[Deutsch: Die WHO-Leitlinien zu Diagnosetests für SARS-CoV-2 besagen, dass eine sorgfältige Interpretation schwacher positiver Ergebnisse erforderlich ist (1). Die zum Nachweis von Viren erforderliche Zyklusschwelle (Ct) ist umgekehrt proportional zur Viruslast des Patienten. Wenn die Testergebnisse nicht mit der klinischen Darstellung übereinstimmen, sollte eine neue Probe entnommen und mit derselben oder einer anderen NAT-Technologie erneut getestet werden. Die WHO erinnert IVD-Benutzer daran, dass die Prävalenz von Krankheiten den prädiktiven Wert der Testergebnisse verändert. Mit abnehmender Prävalenz steigt das Risiko falsch positiver Ergebnisse (2). Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person mit einem positiven Ergebnis (SARS-CoV-2 nachgewiesen) tatsächlich mit SARS-CoV-2 infiziert ist, mit abnehmender Prävalenz abnimmt, unabhängig von der behaupteten Spezifität.]
Damit macht sie klar wie wichtig, die genaue Untersuchung von Individuen sind, die mit dem Virus in Kontakt waren und bei denen ein PCR-Test anschlägt. Der erkennt nämlich nur Bestandteile des Virus und kann nicht zwischen vermehrungsfähigen und nicht vermehrungsfähigen Viren oder Virenbestandteile unterscheiden. Daher ist die genaue Untersuchung der Befunde wichtig, wenn man, wie der San Diego Zoo, seriöse Forschung betreiben will. Zudem zeigt es auch, warum es wenig Sinn macht, nun sämtliche Zootiere auf das Virus zu testen: bei geringer Prävalenz, also Krankheitshäufigkeit, wovon man in den Zoopopulationen ausgehen kann, weil kaum Erkrankungen vorhanden sind, würde man viele falsch-positive Ergebnisse erwarten können. Weiterhin macht es deshalb nur Sinn, symptomatische Tiere zu testen, da asymptomatische Individuen ohnehin nach aktuellen Erkenntnissen nicht ansteckend sind, wie wir in unserem ersten Artikel zu diesem Thema beschrieben.
“While the sharing of information and what was learned from this experience has already begun among wildlife care professionals at over 200 zoos worldwide, San Diego Zoo Global is committed to providing resources from occurrences at its parks in San Diego with conservation organizations globally, for the further protection of the species. San Diego Zoo Global recognizes that the documentation of the SARS-CoV-2 virus in gorillas at the San Diego Zoo Safari Park may provide important information regarding scientific understanding of the virus and its effects on great apes. The organization will continue to share what it has learned about curbing zoonotic disease transmission, biosecurity protocols in managed care and field settings, and the implications to ensuring optimal health outcomes for humans and wildlife globally.” – San Diego Zoo Safari Park
[Deutsch: Während der Austausch von Informationen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse unter Fachleuten für Wildtierpflege in über 200 Zoos weltweit bereits begonnen hat, ist San Diego Zoo Global bestrebt, Ressourcen aus Ereignissen in seinen Parks in San Diego für Naturschutzorganisationen weltweit zum Schutz der Art bereitzustellen. San Diego Zoo Global erkennt an, dass die Dokumentation des SARS-CoV-2-Virus bei Gorillas im San Diego Zoo Safari Park wichtige Informationen zum wissenschaftlichen Verständnis des Virus und seiner Auswirkungen auf Menschenaffen liefern kann. Die Organisation wird weiterhin mitteilen, was sie über die Eindämmung der Übertragung von Zoonosen, die Biosicherheitsprotokolle in Menschenobhut und der Natur sowie die Auswirkungen auf die Gewährleistung optimaler Gesundheitsergebnisse für Mensch und Tier weltweit gelernt hat.]
Diese Erkenntnisse können dann auch in der Natur Leben retten. Gerade bedrohte Wildpopulationen können durch Viren bedroht werden – ähnlich wie es aktuell der Salamanderfresser-Pilz mit zahlreichen Amphibien tut. SARS-CoV-2 wird nicht verschwinden, sondern endemisch werden, weshalb die Infektion der Tiere nun für die Zukunft enorm wichtige Erkenntnisse ermöglicht, die dann dazu genutzt werden können, um bei einer Infektion in Zukunft noch optimaler reagieren zu können.