Felicia Frisco, die zu diesem Zeitpunkt jüngste Tigertrainerin der USA, mit einem ihrer geliebten Tiger | Foto: Felicia Frisco

Tiertraining: Der Unterschied zwischen Respekt & Toleranz

Erschienen auf dem Facebook-Profil von Felicia Frisco am 04.04.2022.

Der Unterschied zwischen Respekt und Toleranz entscheidet nicht selten über Leben und Tod – und anhand dessen lässts sich auch Profi von Möchtegern unterscheiden.

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Tierpfleger und Tiger im Australia Zoo | Foto: Sheba_Also, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Anmerkung: Für manche Außenstehende ist der Freikontakt – insbesondere bei Großkatzen, aber auch mit deren als “gefährlich” bezeichneten Tieren – in Tierhaltungen, wie zum Beispiel im Zoo oder Circus, immer schwer nachvollziehbar. Wie soll das sicher sein? In dem oben verlinkten Text wird das sehr schön und nachvollziehbar erklärt.

“A animal who respects you sees you as a equal and it creates a safer environment for you and the animal, because you built a relationship on respect and boundaries the same way they establish amongst themselves, you read their body language.”
[Deutsche Übersetzung: Ein Tier, das Sie respektiert, sieht Sie als gleichwertig an und das schafft eine sicherere Umgebung für Sie und das Tier, weil Sie eine Beziehung auf Respekt und Grenzen aufgebaut haben, so wie sie es untereinander etablieren, Sie lesen ihre Körpersprache.]

Wie das genau funktioniert, dazu gibt sie dann später im Text einen Einblick:

“With that being said I am not naive to the fact these are apex predators, my job is to keep these animals safe and my number one priority, which is why they are taught basic manners the same way their mother would, how is that done? By not reinforcing the very things their mother would not allow. It may be cute a small cub jumping, stalking and biting but when a animal reaches 400lbs it is no longer cute and can become a negative experience and that is where u fail that animal because it is now at risk when a situation goes wrong.”
[Deutsche Übersetzung: Abgesehen davon bin ich nicht naiv: das sind Spitzenprädatoren. Meine Aufgabe ist es, diese Tiere zu schützen. Das ist meine oberste Priorität ist, weshalb ihnen grundlegende Manieren genauso beigebracht werden, wie es ihre Mutter tun würde – wie wird das gemacht? Indem man genau das nicht belohnt, was ihre Mutter auch nicht zulassen würde. Es mag süß sein, wenn ein kleines Junges Sie anspringt, sich anpirscht und beißt, aber wenn das Tier 400 Pfund erreicht, ist es nicht mehr süß und kann zu einer negativen Erfahrung werden, und das ist der Punkt, an dem Sie dieses Tier verloren haben, weil es jetzt in Gefahr ist, wenn eine Situation schief geht.]

Martin Lacey beweist mit seiner Löwin, dass gegenseitige Liebe und Respekt des Basis für ihre Interaktionen sind. | Foto: Astrid Reuber (Lacey Fund e. V.)

Das ist das Problem, weshalb viele Haustierbesitzer dann nämlich irgendwann einen partiellen oder kompletten Kontrollverlust erleiden: am Anfang war das Hundi ja so süß und man hat ihm viel durchgehen lassen und das Unheil nahm seinen Lauf. Dabei übersehen viele, dass bereits Aufmerksamkeit vom Tier bereits als Belohnung wahrgenommen wird. Wer sich also vom Jungtier beißen lässt, weil es ja noch nicht weh tut und es noch so klein oder putzig ist, macht langfristig einen riesigen Fehler. Darum lernen Tiere bei professionellen Trainern auch Grenzen kennen.

“Not reinforcing a bad behavior has nothing to do with hurting a animal or “disciplining it” it has to do with not encouraging or paying attention to that behavior and redirecting their attention elsewhere, Has nothing to do with not letting them live a natural life or abusing them these animals are in captivity and if u chose to interact with them then their needs need to be put first and with doing so that means creating a safe environment.”
[Deutsche Übersetzung: Ein schlechtes Verhalten nicht zu belohnen, hat nichts damit zu tun, einem Tier zu schaden oder es zu “disziplinieren”, sondern es geht darum, dieses Verhalten nicht zu ermutigen oder darauf zu achten. Stattdessen die Aufmerksamkeit des Tieres auf etwas anderes zu lenken, hat nichts damit zu tun, es nicht ein natürliches Leben führen zu lassen oder diese Tiere in Menschenobhut zu missbrauchen. Wenn Sie sich entscheiden, mit ihnen zu interagieren, müssen ihre Bedürfnisse an erster Stelle stehen, und das bedeutet, eine sichere Umgebung zu schaffen.]

Diese Grenzen, die sich durch einfaches LRS etablieren lassen, also falsches Verhalten konsequent nicht zu belohnen und dabei im Rahmen seiner Möglichkeiten so mit dem Tier zu kommunizieren, wie es ein anderes Gruppenmitglied auch tun würde, helfen dem Tier, statt ihm zu schaden. Viele Menschen rezipieren “Grenzen setzen” irrtümlich als problematisch im Umgang mit Tieren – dabei ist es im Sozialverhalten der Tiere ganz normal und kann auch sogar Ausmaße erreichen, die jede menschliche Kraft übersteigen.

Elefantenbaby ‘fliegt’ im Addo-Elefanten-Nationalpark

Für gewöhnlich werden junge Elefanten mit dem Stoßzahl oder Rüssel die Grenzen aufgezeigt, jungen Großkatzen mit den Zähnen oder Krallen und bei anderen Tierarten ist das Prinzip nicht anders, nur die Mittel unterscheiden sich. Als Mensch kann man es sich allerdings erlauben weniger gewaltig vorzugehen – zumal man solche Kräfte sowieso nicht aufbringen kann, einen jungen Elefanten für ein paar Sekunden in einen Real-Life-Dumbo zu verwandeln. So ist das Aufzeigen der Grenzen für Tiere im Freikontakt mit Menschen am Ende weit weniger invasiv als das innerartliche. Was vielen Hobbytierhalter nur Probleme bereitet, ist eine falsche Auffassung von Tierliebe: keine Grenzen aufzuzeigen, hat mit Tierliebe oder einer Haltung “so natürlich wie möglich” nämlich rein gar nichts zu tun, sondern ist das Gegenteil davon. Ein auf diese Weise falsch sozialisiertes Tier ist eine Gefahr für sich selbst und andere Lebewesen.

“When u see a big cat hugging or kissing or rolling around with their experienced trainer, it needs to be remembered these animals are raised and trained by people with years of experience and these animals know the time and the place when those interactions are safe. U have a 200-400lb big cat with no basic manners or respect towards you, you have failed that animal and should not be working with it free contact.”
[Deutsche Übersetzung: Wenn Sie sehen, wie sich eine Großkatze ihren erfahrenen Trainer umarmt, küsst oder mit ihm herumrollt, müssen Sie daran denken, dass diese Tiere von Menschen mit jahrelanger Erfahrung aufgezogen und trainiert werden und diese Tiere die Zeit und den Ort kennen, an dem diese Interaktionen sicher sind. Wenn Sie eine 200-400 Pfund große Katze ohne grundlegende Manieren oder Respekt vor sich haben, haben Sie dieses Tier verloren und sollten nicht im Freikontakt mit dem Tier arbeiten.]

Ähnliches hat im Interview mit uns auch Martin Lacey Jr. berichtet, dessen Familie eine erfolgreiche Geschichte bezüglich der Freikontakthaltung von Löwen und Tiger vorzuweisen hat:

Auckland Zoo: Tierpflegerinnen im freien Kontakt mit Geparden | Foto: Jorge Royan, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Kommentar: Wenn man das erfährt, versteht man auch, warum manche Zoologischen Gärten sich gegen eine Freikontakthaltung entscheidet, denn, um diese seriös durchzuführen, braucht es viel Zeit und auch genug fähiges Personal diese dann zu nutzen. Automatisch sicherer, was häufig behauptet wird, ist die Haltung in geschütztem Kontakt dann allerdings nicht. Ein Tier, das den Freikontakt kennt, tickt nicht aus, wenn – etwa durch einen Fehler mit dem Schließsystem – plötzlich kein Gitter mehr zwischen Mensch und Tier ist. Die Gefahren sind also nicht weg, sie sind nur andere. Leider ignorieren manche Zoologische Gärten das und wiegen sich in falscher Sicherheit, wenn sie etwa die Freikontakthaltung immer mehr verbannen. Zum Glück gibt es aber immer noch genügend Zoologische Gärten, die hier gegensteuern und vor allem das wichtige Know-How bewahren. Man muss nicht jede Art in einem Zoo im Freikontakt halten, man sollte es aber können und vor allem nicht die verdammen, die es dann auch tun. Es gibt in beiden Fällen meist gute Gründe dafür – und Tiere können in beiden Haltungsformen ein schönes Leben haben, wenn sie eben nur richtig durchgeführt werden. Das geht aber gut – mit echten Profis.

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