Fast haarloser Bonobo im Sanctuary Lola ya Bonobo | Foto: Fanny Schertzer, Lizenz: CC BY 3.0 DEED

Wenn Primaten weniger Haare haben

Exklusiv für zoos.media – 22.03.2024. Autor: Philipp J. Kroiß

Haben Primaten weniger Haare im Zoo, versuchen Zoogegner meist schnell, dies den Haltungsbedingungen anzukreiden. So einfach ist das aber nicht, wie die Forschung zum Thema zeigt.

Wenn Primaten weniger Haare haben

Der Mechanismus bei Anti-Zoo-Propaganda ist einfältig: Tiere, die sich außerhalb von dem verhalten oder anders aussehen, als Laien es erwarten, werden gleich als gequälte Individuen verkauft, deren angebliches Leid man beenden müsse, indem man Anti-Zoo-Organisationen spende. Immer wieder fallen Privatleute, Organisationen und Medien darauf rein. Daher wird die Masche so häufig angewendet. Die Wirklichkeit aber ist viel komplexer. Das sieht man gut an Primaten, die weniger Haare haben.

Stress einzige Ursache? Nein.

Der weiße Gorilla “Snowflake” lebte im Zoo von Barcelona. | Foto: Ettore Balocchi さん, Lizenz: CC BY 2.0

Die Erklärung der Tierrechtsindustrie, die ohnehin jede Form der Tierhaltung beenden will und deshalb gerne gegen Halter hetzt, ist im Wesentlichen immer gleich. Die Wissenschaft weißt aber nicht erst seit Novak & Meyer (2009), dass es eigentlich ganz anders ist. So kann Stress eine Ursache sein, aber eben auch nur eine mögliche von sehr, sehr vielen möglichen. Die Studienautoren erklären, es handele sich bei Haarausfall um “eine vielschichtige Erkrankung mit vielen möglichen Ursachen”. Es sei weder beim Menschen, noch bei Primaten generell vollständig verstanden. Es gibt viele Auslöser. Hier einige Beispiele aus der Studie:

  • Natürliche Ursachen (Saisonale Variationen, Alter)
  • Ungleichgewicht in der Ernährung (Mangel an Vitamin D, Proteinen oder Folsäure)
  • Ungleichgewicht im Hormonhaushalt (Umwandlung von Androgenen in Dihydrotestosteron, Schilddrüsenunterfunktion, Cushing-Syndrom, Schwangerschaft)
  • Immunologische Faktoren (Autoimmunerkrankungen, Dermatosen)
  • Genetische Faktoren (Mutation des HR-Gens)
  • Entzündungen (durch Bakterien, Parasiten oder Ekzeme)
  • Psychologische Faktoren (Affen-Trichotillomanie, Overgrooming, Stress)

Was hat Stress überhaupt damit zu tun?

Borneo-Orang-Utan (Pongo pygmaeus) im Tanjung Puting National Park | Foto: Thomas Fuhrmann, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Zum Thema Stress erklären die Autoren nochmal deutlich, dass es derzeit “wenn überhaupt, nur wenige Beweise für einen direkten Zusammenhang zwischen Stress und Alopezie [=Haarausfall] bei nicht-menschlichen Primaten” gebe, “und es sind sicherlich keine mechanistischen Informationen verfügbar”. Sie fügen an, dass Steimetz et al. (2005) eine negative Korrelation zwischen Stress und Haarausfall bei Rhesusaffen fanden.

Dazu weisen Novak & Meyer daraufhin, dass sie bis zur Veröffentlichung der Studie auch von keinem Fall wüssten, indem psychoaktive Medikation zu einer Verringerung des Haarausfalls bei nicht-menschlichen Primaten geführt habe. Das müsste ja aber so sein, wenn es bei den Tieren wirklich eine rein stressbedingte Situation wäre.

Stress ist also eine mögliche Ursache, aber ist in der Wissenschaft lange nicht so gesichert, wie sich das mancher Laie vorstellt oder es die Tierrechtsindustrie der Öffentlichkeit weismachen will. Daher ist bei solchen anscheinend einfachen Erklärungen, die Zoogegner für diesen Zustand verkaufen wollen, mehr als vorsichtig zu sein und sogar von ihnen Abstand zu nehmen. So einfach funktioniert das alles nicht.

Saubere Ursachen-Forschung notwendig

Schimpanse im ZooTampa at Lowry Park (Lowry Park Zoo) | Foto: joiseyshowaa, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Wer also einen Schimpansen oder anderen Primaten mit weniger Haaren sieht, sollte nicht den Fehler machen und denken, dass dies automatisch etwas mit schlechter Haltung in dem jeweiligen Zoologischen Garten zu tun hat. Zoos übernehmen zum Beispiel auch Schimpansen aus schlechter Haltung, die dann auch Erkrankungen aus der vorherigen Haltung mitbringen und nicht mehr loswerden können.

Wenige Haare bedeuten auch nicht, dass das Tier leidet oder gerade krank ist. Sowohl bei einem Gorilla, Orang-Utan und Schimpansen wurde schon Haarausfall aufgrund von Schilddrüsenunterfunktion beschrieben, die Tiere wurden erfolgreich behandelt und gesundeten, aber beim Schimpansen kehrten die Haare erstmal nicht zurück. Also war das Tier wieder gesund, litt nicht mehr an der Erkrankung, aber der von manchen vielleicht als optischer Makel empfundene Zustand blieb erstmal.

Statt also gleich von Tierquälerei zu schwadronieren, macht es Sinn mit der Verantwortlichen respektvoll ins Gespräch zu kommen, statt wilde Theorien aufzustellen oder Symptome zu googeln. Letzteres macht einfach keinen Sinn. Besonders sollte man nicht irgendwelchen Medien glauben, die nur unkritisch die kruden Theorien von Tierrechtsorganisationen, die bekannt für ihren Hass gegen Zoos sind, reproduzieren. Vielmehr ist es wichtig, sich mit den Experten zu unterhalten, die das jeweilige Tier auch wirklich pflegen.

Diesen Beitrag teilen