Erzeugung so genannter grüner Energie in Deutschland | Foto: Michael Foertsch, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Wie funktioniert eigentlich Ökostrom?

Exklusiv für zoos.media – 21.12.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

Wie kann es sein, dass Stromanbieter mit 100% Ökostrom werben, obwohl das praktisch gar nicht funktionieren kann? Der Strommix ist für jeden Verbraucher gleich.

Wie funktioniert eigentlich Ökostrom?

Der Sprogø Vindmølle Park nördlich der Great Belt Bridge (2010) | Foto: Fxp42, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Im Artikel über die Grundlastfähigkeit von Sonne und Wind hat man gesehen, dass die daraus erzeugte Energie allein Deutschland nicht versorgen kann. Der Grund ist die mangelnde Speicherkapazität des erzeugten Stroms für Zeiten, in denen Strom aus beiden Quellen nicht erzeugt werden kann. Wie aber kann es dann sein, dass sich manche auf die Fahne schreiben können, dass sie durch 100% Ökostrom betrieben werden. Es gibt ja auch Stromanbieter, die mit solchen Prozentzahlen werben. Das widerspricht sich in gewisser Weise.

Nun ist Ökostrom natürlich nicht nur Sonne und Wind. Alles zusammengenommen werden in Deutschland laut Statistischen Bundesamt heute 59% des Stroms in Deutschland konventionell erzeugt, 41% aus den so genannten “Erneuerbaren”, zu denen eben auch Sonne und Wind gehören. Der erzeugte Strom fließt, vereinfacht gesagt, in den so genannten Strom-See und von dem aus in die Steckdosen. Überall in Deutschland – unabhängig vom Anbieter – kommt dieser Stromfluss an. Der Stromverbrauch von Deutschland kann durch Erneuerbare aktuell nicht gedeckt werden, entsprechend kommt in jeder Steckdose auch konventionell erzeugte Energie an.

Handel mit Herkunftsnachweisen

Wie entstehen nun also die vielbeworbenen 100% Ökostrom? In der Energiewirtschaft gibt es den so genannten Herkunftsnachweis. Der bescheinigt die Herkunft der Energie, die eingespeist wird. Diese sind verkäuflich. Das bedeutet, man etikettiert den Strom in der Steckdose durch diesen Handel um. Wer also genug Herkunftsnachweise für den Strom, den er verkauft, kauft, kann 100% Ökostrom anbieten. Dass dieses System also letztendlich Etikettenschwinden ermöglich, weiß jeder.

Herkunftsnachweise und ihre Nutzungsmöglichkeit können nicht verhindern, dass Elektrizitätsversorger behaupten, Ökostrom an ihre Kunden zu liefern, obwohl sie lediglich Strom aus Atomkraft- oder Kohlekraftwerken liefern und diesen mit Hilfe von zusätzlich eingekauften Herkunftsnachweisen als “Grünstrom” deklarieren.” – Umweltbundesamt

Dadurch entstehen dann solche Kuriositäten wie in Norwegen: 2019 hat das Land 98% der nationalen Stromproduktion – also der Output in das Stromnetz – aus so genannten erneuerbaren Energien organisiert. Allerdings hat man die Herkunftszertifikate verkauft und so am Ende eine Strombilanz, die zu 82% eben nicht die grüne Kennzeichnung aufwies.

Gekaufte Illusionen

Schöner Ausblick auf eine Windanlage vor Gran Canaria? | Foto: zoos.media

Deutschland ist kein sonniges Land mit großer Küste, wo immer die Sonne scheint und Wind weht. Es mag Orte auf der Welt geben, wo es möglich ist mit stürmischen Nächten und strahlender Sonne sein Unternehmen selbst mit 100% Ökostrom zu versorgen. Für Deutschland ist das illusorisch. Der aktuelle Kurs der Regierung ist, durch den Bau mehr erzeugender Geräte, so viele Herkunftsnachweise zu produzieren, um genug Strom im Land umzuetikettieren. Darum will die Ampel unbedingt mehr Windräder und Solaranlagen bauen.

Im Prinzip ist das aber staatlich organisiertes Greenwashing und eine Augenwischerei. Diese gekaufte Illusion führt in ideologische Sackgassen. Dadurch ist die Diskussion auch wiederum so vergiftet, obwohl sie das nicht sein müsste. Ob nämlich 30.000 oder 50.000 Windräder bei Windstille keinen Strom produzieren, macht keinen Unterschied. Zumindest, wenn man das auf den realen Strommix bezieht, aber man kann sich durch produzierte Zertifikate natürlich den konventionellen Strom, den man dann beziehen muss, damit die Lampen nicht ausgehen, schön kaufen.

Falsche Anreize

Was nun öko oder grün ist, ist zudem natürlich vor allem eine Sache der Definition. Frankreichs Präsident Macron positioniert Atomkraft “im Zentrum der französischen Klimaschutzpolitik”. Auf seine Initiative gibt es durchaus auch in der EU Bestrebung, Atomkraft als “grün” einzustufen. Deutschland sieht das bekanntermaßen anders. Das Ergebnis ist vor allem Verhandlungssache. Aus diesem Grund führt es zu ideologischen Grabenkämpfen darum, was sich greenwashen darf und wie.

Was aber wäre tatsächlich die naturfreundlichste Energie? Strom aus einer Energie-Erzeugung, die verlässlich und andauernd Strom liefert und dabei minimal lebensrauminvasiv ist. Aktuell gibt es keine Energie-Erzeugung, die das in Deutschland praktisch bewerkstelligen kann. Das einzugestehen, wäre ehrlich. Nicht ehrlich hingegen ist es, in ideologischen Grabenkämpfen einem praktisch nicht leistbaren 100%-Ziel hinter zu laufen – vor allem auf Kosten der Verbraucher. In Deutschland ist der Strom weltweit mit am teuersten. Da ist kaum sinnvoller Spielraum nach oben.

Probleme für den Artenschutz

Stark bedrohter Junin-Tauchfrosch in Menschenobhut | Foto: Carlos Arias Segura, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Aus zu hohen Strompreisen, die vor allem entstehen, um sich – bildlich gesprochen – die Steckdose grün anzumalen, entstehen große Probleme. Amphibien gehören zum Beispiel zur am meisten bedrohten Gruppe von Tieren. Das Aufbauen der nötigen Reservepopulationen basiert darauf, dass es konstant Strom gibt. Das gilt auch für andere Tiere im Bereich der Terraristik, sowie im Bereich der Aquaristik. Viele dieser Reservepopulationen basieren auch auf begeisterten Privathalter, die sich diesen Luxus noch leisten können.

Gleichzeitig sorgen private oder anders gelagerte Züchter dafür, dass die Nachfrage nach Tieren durch immer weniger Wildfänge gestillt werden kann. Diese Arbeit braucht Strom und basiert darauf, dass die gezüchteten Tiere zu einem Preis angeboten werden können, der den Preis der Wildfang-Alternative im Idealfall nicht oder kaum übersteigt. Wenn also der Strompreis weiter so in die Höhe schnellt, kommt man hier an Grenzen.

Gerade der Schutz der Natur benötigt weniger ideologische Grabenkämpfe über grün, sondern mehr pragmatisches Handeln. Besonders aber dürfen die, die nicht nur pragmatisch, sondern auch erfolgreich handeln, wie Zoos und Aquarien sowie Privathalter, dann nicht abgestraft werden. Hohe Strompreise sind ein Problem, denn man kann nicht so einfach Einsparen, denn das Tierwohl muss gewahrt bleiben. Weniger Geld für Augenwischerei und mehr Geld für wichtige Projekte wäre hier ein Anfang.

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