Himmelblauer Zwergtaggecko im Zoo Zürich | Foto: kuhnmi, Lizenz: CC BY 2.0 DEED

SRF: Zoos ein Erbe der Kolonialzeit?

Exklusiv für zoos.media – 27.02.2024. Autor: Philipp J. Kroiß

Von Zoogegnern hört man immer mal wieder, dass Zoos ein Erbe der Kolonialzeit seien. Stimmt das? Nein. Das ist ein Vorurteil, das sich chronologisch und konzeptionell weder nachweisen lässt, noch sich praktisch einlöst.

SRF: Zoos ein Erbe der Kolonialzeit?

So genannte Tierethiker fallen immer wieder durch mehr als fragwürdige Takes auf. Der Philosoph und Germanist Prof. Markus Wild von der Uni Basel, fragte im SRF: “Zoos sind ein Erbe der Kolonialzeit, warum sollten wir sie beibehalten?” Da er auch als Gleichstellungsbeauftragter an der Philosophisch-Historischen Fakultät arbeitet, hat er zum Glück Chancen, mal Historiker zu fragen, die ihn eines Besseren belehren. Schon die Frage ist nämlich grundlegend falsch.

Funktioniert chronologisch nicht

Javaneraffe im Zoo Basel | Foto: Jamin, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die klassisch als (europäische) Kolonialzeit angenommene Zeit begann im 15. Jahrhundert mit der Errichtung von Militär- und Handelsstützpunkten von Spanien und Portugal. Je nach Land hat sie sehr unterschiedliche Startpunkte. Für Deutschland datiert man das üblicherweise auf das Jahr 1884. Am 1. August 1844 – also 40 Jahre zuvor – wurde aber schon der Zoologische Garten Berlin als erster Zoo Deutschlands eröffnet. Es geht also schon chronologisch nicht auf, dass hier die Zoos ein Erbe der Kolonialzeit wären.

Als in Spanien 1892 – also mehrere Jahrhunderte nach Beginn der kolonialen Ambitionen des Landes – der älteste Zoo in Barcelona eröffnete, war das durch Kolonien aufgebaute, spanische Weltreich im Niedergang begriffen und hatte durch die Französische und Haitianischen Revolution mehr als Schlagseite, wovon sie sich nie mehr erholten sollten. Dazu kamen dann Unabhängigkeitskriege und die kolonialen Betätigungen hatten ihren Zenit längst überschritten. Auch hier macht es chronologisch nicht wirklich Sinn.

Die Schweiz hat nie eigene Kolonien besessen. Es gab keinen so staatlichen Kolonialismus, wie etwa in Deutschland, obgleich sich Privatleute natürlich engagierten vom Kolonialismus anderer profitieren zu können. Nichtsdestoweniger hat die Schweiz natürlich Zoologische Gärten. Der älteste Zoo der Welt ist der Tiergarten Schönbrunn in Wien – erbaut und eröffnet in den 1750er Jahren. Dessen Gründer, Kaiser Franz I. Stephan, war schon tot, als Österreich überhaupt erst in den am Mitte der 1770er Jahren mit kolonialen Ambitionen ernsthaft begann.

Wann entstand der moderne Zoo?

Grevyzebra auf der Lewa-Anlage im Zoo Zürich | Foto: Albinfo, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Zoologische Gärten haben historisch allerlei Vorentwicklungen und verschiedene Wurzeln. Die bekannteste Wurzel und auch die des Tiergarten Schönbrunn in Wien sind höfische Menagerien. Ursprünglich bezeichnete das Wort einfach nur Tierhaltung am Hofe, später wurden diese aber ausgebaut und konnten dadurch erst Vorläufer der im 19. Jahrhundert sich entwickelnden Zoologischen Gärten werden.

Aber auch seit dieser Zeit hat der Zoologische Garten nochmal wesentliche Entwicklungssprünge gemacht. Den modernen Zoo, wie wir ihn heute kennen, hat der Schweizer Heini Hediger im mittleren 20. Jahrhundert entworfen. Da gab es in der Schweiz noch immer keinen staatlichen Kolonialismus, in Deutschland und Österreich war er schon beendet.

Wenn wir heute über Zoos und Aquarien reden, meinen wir Institutionen, die sich in ihrer Ausrichtung also auf ein Modell beziehen, das erst nach der Kolonialzeit entstanden ist. Sie sind von ihrem Konzept her kein “Erbe der Kolonialzeit”, weil Heini Hediger erst nach der Kolonialzeit dieses Konzept entworfen hat. Somit ist die These weder chronologisch, noch in Bezug auf die Art und Weise, wie der moderne Zoo betrieben wird, ein Erbe der Kolonialzeit.

Gleichzeitigkeit, aber kein Erbe

Banggai-Kardinalbarsch im Zoo Basel | Foto: Amada44, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Nun ist es nicht verwunderlich, dass der Zoologische Garten als Kulturinstitution immer auch ein Kind seiner jeweiligen Zeit ist. Der Kolonialismus hat in sämtliche Lebensbereiche der Menschen natürlich Einzug erhalten. Er war aber eben nicht Grund für die Existenz von Zoos und Aquarien. Auch nach dem Kolonialismus konnten sie daher fortbestehen und wurden bürgerlich fortgeführt, nachdem der Adel, der Menagerien als Repräsentationsmittel nutzte, seine ehemalige Bedeutung verloren hatte.

Der moderne Zoologische Garten, wie er in der SRF-Diskussionsrunde von Zürcher Zoodirektor Dr. Severin Dressen repräsentiert wurde, wurde im Wesentlichen nach der Kolonialzeit designt. Hier und da gibt es alte historische, denkmalgeschützte Gebäude aus den alten Zeiten, die gehegt und gepflegt gehören, aber der Inhalt dieser alten Hüllen ist moderne Zooarbeit. So braucht der moderne Zoo seine Historie nicht zu verleugnen, aber jedem wird klar, der sich wirklich damit beschäftigt, dass der moderne Zoo mit der Kolonialzeit in seiner täglichen Arbeit nichts zu tun hat.

Bessere Alternativen?

Ostafrikanisches Spitzmaulnashorn im Zoo Zürich (2006) | Foto: Staycoolandbegood, Lizenz: public domain

Wild fährt nach dieser falschen rhetorischen Frage mit den Worten fort: “Meine Kritik lautet, dass der Ertrag den Einsatz nicht wettmacht und dass es bessere Alternativen gibt.” Das ist auch keine Kritik, es ist einfach falsch. Es existiert keine bessere Alternative. Deshalb betonte die Weltnaturschutzunion (IUCN) auch die Bedeutung moderner Zoos und Aquarien erst jüngst erneut in einem Statement. Das würde sie nicht tun, wenn es angeblich aus Expertensicht wirklich bessere Alternativen geben würde.

Vielmehr ist bereits schon durch den von der IUCN formulierten One Plan Approach to Conservation festgelegt, dass Natur- und Artenschutz im natürlichen Lebensraum allein, nicht ausreichend ist, um Arten zu retten. Zahlreiche Schutzprojekte von Zoos und Aquarien haben über Jahrzehnte bewiesen, dass nur die Verknüpfung von Maßnahmen ex situ und in situ gewinnbringend ist. So sind moderne Zoos und Aquarien für die Rettung von über 121 Arten federführend verantwortlich. Zoogegnerschaft konnte bisher keine einzige Art retten.

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