Gibt es im Bund bald die Ampel-Koalition? | Foto: 4028mdk09, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Ampel-Sondierungen: Wie ist das Ergebnis für den Natur- und Artenschutz?

Exklusiv für zoos.media – 15.10.2021. Autor: Philipp J. Kroiß

SPD, Grüne und FDP haben sondiert – wie ist das Ergebnis für den Natur- und Artenschutz? Dieser Artikel analysiert das Papier.

Ampel-Sondierungen: Wie ist das Ergebnis für den Natur- und Artenschutz?

Im Ergebnispapier der Ampel-Sondierungen findet sich der Natur- und Artenschutz nur in einem Absatz wirklich wieder.

“Das Artensterben, der Verlust der Biodiversität ist eine weitere ökologische Krise. Wir wollen wirksame Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt und der Natur ergreifen. Dazu unterstützen wir die Landwirtschaft, einen nachhaltigen, umwelt- und naturverträglichen Pfad einzuschlagen; Ziel ist gleichzeitig, ein langfristig auskömmliches Einkommen für die Landwirtinnen und Landwirte zu sichern. Wir wollen die Bäuerinnen und Bauern darin unterstützen, die Nutztierhaltung tiergerecht umzubauen. Für Transparenz beim Einkaufen soll eine Haltungskennzeichnung sorgen. Wir wollen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf das notwenige [sic!] Maß beschränken. Pflanzen sollen so geschützt werden, dass Nebenwirkungen für Umwelt, Gesundheit und Biodiversität vermieden werden.”

Dieser Absatz ist Unterpunkt des Klimaschutz-Kapitels.

Nichts Genaues – oder doch?

Es ist bemerkenswert wie der Natur- und Artenschutz in dem Papier in einem Absatz unter dem Thema Klima mit Plattitüden abgekanzelt wird. Welche Themen man in den Koalitionsverhandlungen jetzt erwarten kann, ist völlig unklar und viel nebulöser ist sogar die Richtung des Regierungshandels, die man erwarten könnte, wenn denn die Koalition zustande käme. Es ist sicherlich zu begrüßen wie man nun die Landwirtschaft stärken will, denn die Bäuerinnen und Bauern sind wichtiger Teil der Lösung. Fraglich ist wie man einmal das tiergerechte Umbauen gestalten und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren will, ohne den insgesamten Platzbedarf der Betriebe zu erhöhen, wobei eben ein erhöhter Platzbedarf natürlich auch bedeutet, dass mehr Naturflächen und Habitate in Nutzflächen umgewandelt werden müssen.

Durch eine Windkraftanlage getöteter Rotmilan. | Foto: Martin Lindner, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Ähnliches sieht man auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien im gleichen Kapitel – so will man für die Windkraft an Land “zwei Prozent der Landesflächen” ausweisen und zu Wasser will man die Kapazitäten “erheblich steigern”. Das bedeutet in erster Linie auch Zerstörung von Habitaten. Gerade zu Wasser gibt es massive Probleme mit Windkraftanlagen, die den Meerestieren vor allem als akustische Umweltverschmutzung auffallen. Zu Land gibt es mit den Windrädern die Probleme, dass von kleinen Insekten bis zu großen Greifvögel leider Tiere auch in artenschutzrelevantem Ausmaß sterben. Also auch an diesem Ende will man die verbliebenen Korridore für die Natur in der (ungenannten) Konsequenz weiter verengen.

Wie man diesen Verlust an Lebensraum für Wildleben dann am Ende ausgleichen will, wird nicht genannt. Stattdessen zeigt man sich verliebt in eine grüngewaschene Zurückdrängung von Naturräumen, wobei es ja gerade der Erhalt der Natur wäre, der die Probleme zu lösen vermag. Zweifelsohne ist die Landwirtschaft wichtiger Teil der Lösung und eine sinnvolle Unterstützung wäre gut, allerdings hat man die Natur- und Artenschutzzentren in Deutschland bislang offenbar völlig vergessen und hat keinerlei Pläne der Förderung, obwohl diese Zentren – also die Zoos und Aquarien – eine der größten Krisen in ihrer Geschichte hinter sich haben. Erneut ist von einem Rettungsschirm oder Programm der Unterstützung keine Rede. An dieser Stelle wäre ein klares Bekenntnis notwendig gewesen.

Das Energie-Problem

Der Sprogø Vindmølle Park nördlich der Great Belt Bridge (2010) | Foto: Fxp42, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Wer Klimaschutz ernst meint, der muss den Natur- und Artenschutz mitdenken und sich nicht in etlichen Absätzen über technologischen Ausbau auslassen ohne darüber zu sprechen, woher denn der Raum kommen soll, in dem dieser entstehen soll und wie man denkt, hier Ausgleich zu schaffen in einer Zeit, in der die Natur immer weiter zurückgedrängt wird. Von einer Weiterentwicklung der Windkraft etwa, in eine Richtung, die eine Koexistenz mit auch bedrohten Arten ermöglicht, spricht man nicht. Stattdessen geht es nur um Vergrößerung der dafür genutzten Fläche. Das bedeutet am Ende weniger Platz für die Natur und somit ein Dolchstoß in den Rücken des eigentlich zur Schau getragenen Anliegens, dem Klimaschutz.

Den Ausbau des Energiesektors wird man aber auch dringend brauchen, denn das Papier bekennt sich zum Ziel, “dass in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden” und will im Zuge dessen “Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen”. Wenn man das mit Wind- und Solarenergie machen möchte, bleibt die Problematik des nächtlichen Aufladens der Elektroautos, denn beide Energieformen lassen sich kaum speichern. Bei einer nicht seltenen Dunkelflaute wird man also massiv Strom aus dem Ausland zukaufen müssen, wenn man den Weg weiter geht – und zu dem bekennt man sich auch im Papier – herkömmliche Kraftwerke, die auch in der Nacht und bei Windstille den zu dieser Zeit benötigten Strom produzieren können, abzuschalten. Dann notwendig werdende Stromzukäufe aus dem Ausland, werden die Kosten für den Strom drastisch erhöhen.

Das wiederum hat auch Auswirkungen auf sämtliche Lebenshaltungskosten, die natürlich auch von denen beglichen werden müssen, die wirksamen Natur- und Artenschutz betreiben, wie etwa Ex-Situ-Populationen zu managen. Dazu braucht man durchaus Strom und wenn man hier drastische Erhöhungen sieht, trifft das durchaus die zoologischen Einrichtungen aber eben auch und deutlich härter die Privathalter, die ebenfalls wichtige Beiträge gerade in der Aquaristik und Terraristik leisten, was beides ein recht stromintensives Hobby beziehungsweise eine stromintensive Profession ist. Auch hier fehlen im Sondierungspapier zumindest Andeutungen von Konzepten wie man diese Mehrbelastung besonders für die Menschen ausgleichen will, die wirksam am Natur- und Artenschutz und somit am Klimaschutz partizipieren.

Der Versuch eines Ausblicks

Schweinswal Michael in Ecomare (2012) | Foto: Ecomare/Sytske Dijksen, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Gerade die Themen Energie, Klima und Biodiversität bieten Sprengkraft in den Koalitionsverhandlung, denn man hat dieses Themen-Konvolut sehr offensichtlich bisher wenig durchdacht. In den Details der Ausarbeitung dieser Themen gibt es bereits jetzt schon augenfällige Probleme: Wenn man sagt, man möchte mehr Windräder in Nord- und Ostsee, braucht es dringend ein Zentrum zur Haltung, Erforschung und Rehabilitation von Schweinswalen, die vom Meereslärm noch mehr betroffen sein werden als sie es ohnehin schon sind. In der Natur allein kann man die Auswirkungen nicht Erforschen, um Strategien zu entwickeln, sie zu lindern. Es ist fraglich, ob das mit Grünen und SPD in einer Koalition zu machen sein wird, aber wenn man es nicht tut, ist ein solcher Ausbau ein vollkommener Blindflug in Bezug auf die letzten verbliebenen Wale in Deutschland.

Ein weiteres Thema ist der Import von bedrohten Arten, die dringend ein Ex-Situ-Management brauchen. Das SPD-geführte Umweltministerium hat sich in diesen Fragen bisher als herausragend inkompetent nach Außen hin gezeigt – die Elefanten sind hierfür ein Beispiel gewesen. Hier werden die bezüglich der Tierrechtsindustrie offenen Grünen und Sozialdemokraten zum Problem werden. Bereits in NRW hatte Rot-Grün dieser fragwürdigen Industrie Tür und Tor geöffnet. Es ist fraglich wie die FDP, in dieser Frage, bei der Ampel in der Minderheit, solche Strukturen verhindern will. Der Ruf von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium hat in der letzten Legislatur bereits massiv unter dem Einfluss der Tierrechtsindustrie gelitten. Dieses Thema hängt durchaus auch mit dem Gemeinnützigkeitsthema zusammen, das die FDP in der Vergangenheit gepusht hat. Die damit zusammenhängenden Forderungen werden in einer Ampel schwer bis gar nicht durchzubringen sein.

Das alles sind Beispiele von Stolpersteinen im Detail. Die große Frage ist, inwieweit man diese in den Koalitionsverhandlungen dann berücksichtigt. Bisher haben die Sondierungen an der Oberfläche gekratzt und die Ergebnisse sind nur in sehr wenigen Punkten wirklich konkret. Ein Ampel wird wahrscheinlich nur dann möglich, wenn die Koalitionsverhandlungen auch nicht viel konkreter werden oder man tatsächlich eine Art Ressorthandel macht. Das hat sich auf der Pressekonferenz zum Sondierungspapier bereits angekündigt: die eine Partei setzt sich bei einem Ressort oder Thema durch und macht dann beim anderen den Weg frei für eine andere. Sowas geht aber eben nur so lange gut bis man in die Details geht und dann wird die Frage zu beantworten sein, inwieweit die Wahlversprechen noch gut zu halten sein werden. Sollte aber etwa zum Beispiel die FDP den Grünen den Bereich Umwelt sowie Landwirtschaft im Rahmen solch eines Handels komplett überlassen, wird die nächste Legislatur für Tierhalter generell alles andere als leicht.

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