Jane Goodall (2015) | Foto: Simon Fraser University - Communications & Marketing, Lizenz: CC BY 2.0

Jane Goodall: Der Fall einer Ikone des Artenschutzes

Exklusiv für zoos.media – 30.07.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Der Name Jane Goodall steht in den letzten Jahren immer wieder vermehrt nicht für Natur- und Artenschutz, sondern für Tierrechtspropaganda.

Jane Goodall: Der Fall einer Ikone des Artenschutzes

Man kann sich bei der Frage erwischen, ob es nicht einen Schleudertrauma gibt, wenn man so oft die Richtung ändert, wie es mit der Meinung von Jane Goodall zu passieren scheint. Mal beschwört sie eindringlich wie wichtig und gut Zoos doch, ihrer Ansicht nach, wären und wie gut es den Tieren ginge, im nächsten Moment ist sie dann wieder voll auf Linie der Tierrechtsindustrie. So könnte man ferner auf die Idee kommen, dass sie jeweils das “Lied” derer singt, die ihr das nötige Geld dafür geben; inzwischen ist sie ohnehin mehr als teure Speakerin denn als ernstzunehmende, aktive Artenschützerin unterwegs. Gerade unterstützt sie eine Bill der Tierrechtsindustrie in Kanada, die – unter anderem – den umfassenden Schutz der angeblich von ihr so geliebten Schimpansen in Kanada unmöglich machen würde.

“Jane Goodall lehnt die Haltung von Menschenaffen […] in Zoos komplett ab”, hört man einerseits aus Kreisen der Tierrechtsindustrie. Sie selbst erklärte einmal: “Wenn ich ein Schimpanse wäre, würde ich einen guten Zoo mit einer guten sozialen Gruppe wählen, wo die Leute sich um mich kümmern und mich lieben, es ein bewunderndes Publikum gibt, das richtige Essen und einen sicheren Ort zum Leben. Ich würde wählen, auf einige Freiheiten zu verzichten, um in diesem Zoo anstatt in Afrika zu leben.” Das widerspricht sich natürlich. Ebenfalls kann man eben nicht gleichzeitig für umfassenden Artenschutz sein und dann Ex-Situ-Maßnahmen, wie Erhaltungszucht, ablehnen – außer freilich man ist vielleicht professioneller Speaker und möchte gerne Geld aus beiden Lagern, um sich einen schönen Lebensabend zu finanzieren.

Ist es nicht besser, die Tiere nur in ihren natürlichen Lebensraum zu schützen?

Wie vertrauensvoll ist Goodall?

Schimpanse im Zoo Krefeld | Foto: zoos.media

Die ganzen Vorgänge der letzten Jahre und diese Wendehals-Mentalität, wenn man es mal so pointiert ausdrücken will, lässt sich letztendlich auf eine zentrale Frage kondensieren: Was sind die Worte von Jane Goodall am Ende überhaupt noch wert? Die einstige Schimpansen-Forscherin ist heute vor allem eines: Speakerin, weshalb auch unklar ist, wohin Spendengelder in ihre Richtung überhaupt genau gehen. Sie ist zum Beispiel bei HWAkeppler speakerCAA speakers und einigen weiteren Agenturen gelistet. Laut keppler sind 50.000$+ ein guter Richtwert, um sie für ein Event einzukaufen. Das ist ja erstmal nichts Verwerfliches, denn jeder muss von irgendetwas leben. Letztendlich aber problematisch ist sicherlich, dass Goodall anscheinend gerne auf vielen Hochzeiten tanzen möchte. So lobt sie Zoos immer mal wieder ganz gerne, aber schmeißt auch der Tierrechtsindustrie beständig Leckerlis zu. Sie erklärte zwar schon 2010, sie würde nicht für Tierrechte kämpfen, aber als Kunden will sie die Szene wohl doch halten und arbeitet auch mit ihnen zusammen.

Denn auch das ist Jane Goodall: “Die Forderung, den Großen Menschenaffen – Orang Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos – bestimmte Grundrechte zu verschaffen, die bislang ausschließlich für den Menschen gelten, geht zurück auf eine Initiative der italienischen Philosophin Paola Cavalieri und des australischen Bioethikers Peter Singer. In dem von ihnen zusammen mit einer Reihe weiterer Wissenschaftler aus aller Welt, darunter Richard Dawkins oder Jane Goodall, im Jahre 1993 begründeten Great Ape Project forderten sie, den Menschenaffen das Recht auf Leben, auf Freiheit und auf körperliche wie psychische Unversehrtheit zuzuerkennen.” Das kann man in der Eigenbeschreibung des Projektes lesen.

Mal sagt sie das, dann sagt sie das andere – und eine Reihe von Menschen interpretiert das dann auch noch. So kann sich jeder aus dem ganzen Wust, aus an sich teils drastisch widersprechenden Zitaten der ehemaligen Forscherin, genau das herauspicken, was gerade passt. So kriegt jeder sein Stück vom Kuchen des großen Namens, das er möchte, aber keiner weiß, wo sie oder ihr Institut, letztendlich stehen. Es ist nicht das erste Mal, das solches Verhalten Kritik hervorruft:

zoosmatter.com: Offener Brief an Jane Goodall

Auf der Klaviatur dieser Beliebigkeit spielt auch ihr “Institut”, das letztendlich gar nicht mal geschlossen auftritt, sondern sich auch ständig widerspricht. So steht das internationale Institut für durchaus einen realistischen Blick auf die Schimpansen-Haltung, wie etwa im Fall vom Krefelder Zoo, während das deutsche Institut eine andere Jane Goodall zu vertreten scheint und solche Schimpansen-Haltung in Zoologischen Gärten ablehnt. So steht der Name letztendlich für alles und nichts und das Imperium ließe sich satirisch vielleicht mit diesem Sprichwort zusammenfassen: “Für alles offen und nicht ganz dicht.” Ärgerlich ist das vor allem für die Experten, die in diesem Konzert der schiefen Töne sehr gute Arbeit leisten, wie etwa Patrick van Veen vom internationalen Institut, der sich bisher die Integrität bewahrt hat, die man sich von Jane Goodall wünschen würde. Daher ist das Ganze auch so schwer greifbar und es macht wenig Sinn zu sagen, dass alles nur schlecht wäre, denn das ist es nicht. So große Netzwerke haben auch gute Teile, nur diese bewahren sie eben auch nicht vor konstruktiver Kritik bezüglich der schlechten Aspekte, wobei letztendlich diese Kritik ja im Sinne der seriösen Teilen erfolgt.

Wohin geht das Geld?

Schimpansenbaby im Loro Parque | Foto: zoos.media

Schaut man sich einen Jahresbericht des deutschen Instituts, der auf der Webseite zu finden war, mal beispielhaft an, so erhält man Aufschluss darüber, wie man das Geld verwendet. In die Projekte gingen in absoluten Zahlen 150.850 €. Schaut man sich dann die Zuwendung an einzelne Projekte in 2018 genau an, so gibt es 4 Punkte.

  1. Projekte Deutschland (R&S): 12.678,00 €
  2. Projekte Tansania (Million Tree, Volunteers): 66.149,00 €
  3. Sanctuaries (Ngamba und Tchimpounga für 2017): 27.533,00 €
  4. Sonst. Projekte Afrika (“Peace Day”, “Greening Club”, Senegal Solar Energy): 37.408,00 €

Dem flotten Kopfrechner fällt auf, dass es insgesamt 143.779,00 € sind – die Differenz zu den oben genannten mehr als 150.000€ wird nicht wirklich in der Rechnung erläutert. Schaut man sich die Projekte jetzt genauer an, könnte man auf die Idee kommen, dass die Abkürzung R&S für Roots & Shoots steht, das motiviert angeblich “Kinder und Jugendliche weltweit, sich für Menschen, Tiere und die Umwelt zu engagieren”. Million Tree will mehr als “1 Million Bäume pro Jahr für Tansania und unser aller Klima” pflanzen, wozu man pro Jahr Volunteers entsendet, wie es auf der Webseite heißt.

Wenn man am 30.07.2020, an dem wir diese Auflistung genauer geprüft haben, die Suchfunktion der Webseite des Instituts bemüht und nach “Ngamba” sucht, bekommt man die Nachricht: “Sorry, but nothing matched your search terms. Please try again with some different keywords.” Dort gibt es aber tatsächlich ein Sanctuary, das mit der mehr als fragwürdigen Organisation Born Free Foundation, einer Tierrechtsorganisation, kooperiert. Akkreditiert ist es nicht. Die Born Free Foundation verlangt bei ihren “Sanctuaries” zudem eine “no breeding policy”, die zu unnatürlichen Gruppenkonstellationen führt. Das Tchimpounga Chimpanzee Rehabilitation Center findet man auf der Seite des Jane Goodall Instituts da schon einfacher, denn das wird ja letztendlich vom Jane Goodall Institut betrieben – ursprünglich war es von der Republik Kongo errichtet worden.

Zum “Peace Day” und zum “Greening Club” fand man zum Überprüfungszeitpunkt auf der Webseite des Instituts so viel wie zu “Ngamba”. Zur Senegal Solar Energy berichtet man an gleicher Stelle: “Mit Spendengeldern, die wir durch unsere Arbeit in Deutschland generieren, kaufen wir beim Sozialunternehmen Villageboom aus Münster Solarlampen und stellen sie dem Jane Goodall Institut in Tansania zur Verfügung. […] Unsere Kollegen in Kigoma sorgen dafür, dass die Lampen an die Dorfbewohner verkauft werden. […] Nach spätestens fünf Monaten rechnet sich die Solarlampe für den Käufer finanziell.” Letztendlich finanziert man also ein Geschäftsmodell.

Das Hauptquartier der radikalen Tierrechtsorganisation HSUS (2009) | Foto: AgnosticPreachersKid, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Nun steht der Name Jane Goodall am Ende ja für Schimpansen, aber unterm Strich kamen direkt bei Schimpansen ja nur 27.533€, das sind nur rund 15% der Gesamtausgaben, an, die an zwei Sanctuarys gingen. Wie gut dieses Geld aber dort investiert ist, steht auf einem anderen Blatt. Das Jane Goodall Institut kooperiert in Bezug auf die Sanctuarys mit der Pan African Sanctuary Alliance (PASA), die keine Distanz zu Tierrechtsorganisationen kennt und etwa mit der GFAS kooperierte, eine Surrogaten-Organisation der HSUS, die man sich in etwa so vorstellen kann wie eine Art PETA in Nadelstreifen. Ebenfalls etwas fraglich sind die Zucht-Regularien: “PASA member sanctuaries only voluntarily permit animals to reproduce in the sanctuaries if the breeding is part of a currently active release program in accordance with the IUCN Guidelines for Reintroductions, and where reproduction does not compromise the resources of the sanctuary or negatively impact the health and welfare of the other animals at the sanctuary.

Diese Vorgabe extrovertiert ein fragwürdiges Verständnis der Zucht, die man nur in Ausnahmefällen erlaubt und gleichzeitig allerhand Ausreden erfindet, sie nicht zu betreiben – das Wohl der Tiere spielt dabei keine Rolle. Schimpansen bilden in der Natur Familienverbände aus – dabei ist Reproduktion unabdingbar und zudem ist sie nötig, dass die Tiere ihr natürliches Verhalten ausleben können. Nur in Ausnahmefällen, sollte also die Zucht komplett vermieden werden. So handeln Zoologische Gärten, die ihre Tiere verantwortungsvoll halten: die Zucht dient dabei in erster Linie dem Wohl der Tiere. Die PASA verkehrt dieses wichtige und richtige Prinzip komplett ins Gegenteil.

Dafür lässt sich die PASA umgekehrt aber auch gerne von Zoos unterstützen. Auch sie fährt also eine ähnliche Strategie wie Goodall: man kooperiert irgendwie mit jedem und jeder kriegt das Stück vom Kuchen, das ihm schmeckt. Letztendlich will man sich auch dort wohl nicht die Spender vergraulen – woher das Geld kommt, scheint dabei unerheblich. Kellie Heckman von der GFAS drückte es einmal sehr treffend aus: “Wissen Sie, die meisten von uns kamen ins Tierschutz-Geschäft, wissen Sie, aus einem Grund: Es ist, weil wir Geld lieben.” So versteht man dann auch so eine Strategie von solchen Organisationen, nur muss man Geld schon sehr lieben, um sein Fähnchen so inkonsistent in den Wind zu hängen.

Menschenaffen-Haltung in Zoos ist wichtig

Zum Glück gibt es aber auch genug unterstützenswerte Organisationen, die nicht so beliebig agieren, sondern zu den modernen Zoologischen Gärten stehen und die Wichtigkeit und die Bedeutung moderner Zoos und Aquarien erfassen. Die Bill, die aktuelle in Kanada zur Diskussion steht, ignoriert das komplett.

So ist der Mensch zwar die einzige nicht bedrohte Art aus der Familie der Hominidae, und leider sind auch einige Menschen für die Bedrohung der anderen Arten und Unterarten verantwortlich, allerdings ist eben auch der Mensch die einzige Art, die ihre nahen Verwandten noch retten kann. Das geht nur mit umfassendem Schutz dieser Arten und dazu gehört Aktion in situ, also dort, wo die Tiere leben, und ex situ, also außerhalb dieser Lebensräume. Außerhalb der Lebensräume, in Menschenobhut, lässt sich wichtige Forschung realisieren, die man in situ nie hätte betreiben können, die man aber braucht, um die Tiere zu retten.

Schimpanse im Zoo Karlsruhe | Foto: H. Zell, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Artenschutz kommt nämlich nicht von ungefähr, sondern von umfassender Forschung und die ermöglichen Zoologische Gärten bei sehr vielen Arten überhaupt erst. Zoos sind aber auch wichtige Orte der Edukation, die Menschen an diese Tiere heranführen. Das Jane Goodall Institut Deutschland streitet nun sogar an der Seite derer, die Zoos für immer abschaffen wollen – eine erstaunliche Wendung innerhalb von nur ein paar Monaten. Spenden hat etwas mit Vertrauen und Verlässlichkeit zu tun. Weite Teile von Jane Goodalls Netzwerk erscheinen weder verlässlich, noch ist so etwas vertrauenswürdig.

Vielleicht sollte sich Jane Goodall mal auf ihre Wurzeln, den Schimpansen-Schutz, besinnen und lieber auf dieser Ebene durch Taten glänzen, statt Zoos, die seit Jahrzehnten aktiv und erfolgreich auf verschiedenen Ebenen im aktiven Schutz für Menschenaffen ihre Taten für sich sprechen lassen und einige Erfolge verbuchen können, beispielweise, wie jetzt in Kanada, das Leben schwer zu machen. Würde es zoologische Gärten nicht schon längst geben, müsste man sie schleunigst erfinden – gerade im Interesse von Schimpansen und vieler anderer Tiere auf der ganzen Welt.

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