Europa aus dem Weltraum | Foto: Kevin Gill, Lizenz: CC BY 2.0

“Klimasünder” Deutschland: Wie sinnvoll ist die Bezeichnung?

Exklusiv für zoos.media – 16.01.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

In der Klimadiskussion wird immer so getan, als würde sich in Deutschland das Schicksal des Weltklimas entscheiden. Ist das so oder doch anders?

“Klimasünder” Deutschland: Wie sinnvoll ist die Bezeichnung?

Sieht man die Bilder und hört man die Rhetorik bezüglich Lützerath, denkt man, in Deutschland würde quasi das Klima-Schicksal der Welt verhandelt. Ähnliches hatte man auch im Zusammenhang mit dem inzwischen von den Aktivisten völlig vermüllt zurückgelassenen Hambacher Forst erlebt. Bei Anne Will bezeichnete Aktivistin Greta Thunberg mit Hinblick auf ihren Protest die Bundesrepublik Deutschland als “einen der größten Klimasünder weltweit“. Nun kann man zweifelsohne Meinungen haben, aber es ist oft spannend zu sehen, wie die zu den Daten passen.

CO2-Ausstoß in Deutschland

Laut Angaben ihrer Mutter, sei es ja so, als könne Thunberg CO2 sehen. Diese offenbar einmalige Eigenschaft braucht mal allerdings gar nicht, um mal in die Daten zu schauen.

In den vergangenen, aktuell darstellbaren 200 Jahren, ist die Veränderung des C02-Ausstoßes in Deutschland nicht signifikant. 2021 lagen Deutschlands CO2-Emissionen bei rund 665.000.000 Tonnen, Chinas zum Beispiel lagen bei 12.500.000.000 Tonnen. Asien ist auch, gemeinsam mit Lateinamerika, das Gebiet, in dem tatsächlich das Schicksal des Klimas wohl entscheiden wird. In Deutschland wurde der CO2-Ausstoß seit 1990 um 35% gesenkt. Mit 0,14 Tonnen CO2 pro 1000$ BIP steht Deutschland ebenfalls sehr viel besser da als etwa die USA (0,23), Südkorea (0,27), Australien (0,29), Russland (0,48) oder China (0,50).

Deutschland könnte also seine Emissionen auf 0 bringen und es würde am weltweiten Trend nichts ändern. Allerdings würde das Land einen hohen Preis dafür zahlen. Schon jetzt wird das getan: Deutsche zahlen die höchsten Energiepreise der Welt, in keinem anderen Land müssen Arbeitnehmer so hohe Steuern und Abgaben zahlen wie in Deutschland – damit stößt man an ganz natürliche Grenzen. So wird das Land auch immer unattraktiver für Unternehmen. Dazu bürdet man auch der arbeitenden Bevölkerung sehr viel auf.

Also besser nichts tun?

Fluss Li mit Bergen in China | Foto: Huangdan2060, Lizenz: CC0 1.0

Da der CO2-Ausstoß in Deutschland also für die weltweite Entwicklung nicht signifikant ist, soll man deshalb gar nichts mehr machen? Das wäre sicherlich falsch. Als Vorbild zu fungieren, würde auch die Wirkung Deutschlands massiv überschätzen – der Ausstieg aus der Strom-Produktion durch Kohle- und Atomkraftwerke ist ein energiepolitischer Irrweg, dem auch kein anderes Land folgt. Trotzdem kann Deutschland aber eine wichtige Rolle in der Klimafrage übernehmen. Wie die aussieht, dazu muss man sich fragen, wie es um die Gegenden steht, wo das Schicksal quasi entschieden wird.

In Asien und Lateinamerika gibt es große Probleme, denn besonders die arme Bevölkerung dort muss die Hauptlast der notwendigen Veränderungen tragen. 120.000.000 Menschen allein in China haben nicht genug zu essen, leiden unter Mangelernährung. Sie haben andere Probleme als Klima. Ein Drittel aller Kinder in extremer Armut lebt in Indien. Schaut man nach Lateinamerika, sieht es auch nicht rosiger aus. Diese Leute wollen Aufstieg und sie brauchen ihn auch. Von ihnen zu verlangen “zum Wohl des Klimas” darauf zu verzichten, wird nicht funktionieren.

Fokus ist entscheidend

Was kann man also tun in Deutschland? Man muss für wissenschaftliche und technische Durchbrüche sorgen, die nicht nur eine saubere, sondern auch eine günstige Energie verfügbar machen. Hinzu kommt auch eine Hilfestellung bei der Umsetzung wichtiger Projekte im Natur- und Artenschutz dort sowie auf der übrigen Welt – und zwar auf Augenhöhe und nicht in Form von grünem Imperialismus. Zoos und Aquarien sind Teil dieser Lösung. Sie ermöglichen nicht nur die nötigen, umfassenden Schutzprojekte im Sinne vom One Plan Approach, sondern ermöglichen auch sonst unmögliche Bildung und Forschung.

Das Problem ist nur, dass sich in Deutschland die Regierung nicht auf diese realistischen Beiträge fokussiert. Stattdessen fördert man Irrwege, bei denen man sich ohnehin früher oder später wird eingestehen müssen, dass sie praktisch (noch) nicht funktionieren. Ein Fokus auf den Naturschutz und die Forschung wäre aber tatsächlich der effektivste Weg, der hinzukommend eine immer unzufriedener werdende Bevölkerung in Deutschland auch nicht noch weiter belasten würde. Zudem ist es für die Menschen in Deutschland auch deutlich einfacher daran selbst zu partizipieren.

Vom Wohnzimmer-Aquarium aus kann heute jeder zum Beispiel an dem von Zoos und Aquarien angeführten One Plan Approach zum Schutz von Goodeiden, dem Fundament des Ökosystems des Mexikanischen Hochlandes, teilnehmen. Wer sich für befähigt genug hält, kann studieren und tatsächlich an der Forschung partizipieren. Wenn man selbst nicht aktiv werden will, kann man auch seriöse Projekte direkt unterstützen. Der Weg ist aber sicher gerade nicht eine Überschätzung der Rolle Deutschlands am falschen Ende. Ebenso sind schlicht nicht zutreffende Beschimpfungen des Landes zuträglich. Wenn man das unterlässt, kann man viel Positiveres für die Natur erreichen.

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