Exklusiv für zoos.media – 30.05.2025. Autor: Philipp J. Kroiß
Robert Marc Lehmann machte jüngst mit zwei Skandalen auf sich aufmerksam. Hier lohnt es sich mal genauer hinzuschauen. War das wieder „viel“ Lärm um nichts?

Lehmann, Quarkbällchen & angebliche Zensur
Da soll der Robert Marc Lehmann doch tatsächlich Quarkbällchen gekauft haben. Das sorgte aber für einen gehörigen Sturm im Wasserglas der veganen Szene. Es war regelrecht Rambo Zambo angesagt. Wie könne es sein, fragte sich so mancher Veganer, dass Robert Marc Lehmann trotz seiner angeblichen Enthüllungsvideos noch tierische Produkte kaufe? Zu einem solchen damals in der Szene gehypten Filme hatte zoos.media schon gefragt, ob es nicht am Ende nur ums Sparschwein ginge.
Skandal im Veggie-Bezirk
In jedem Fall war klar: Der Skandal war da. Bemerkenswert dabei sind weniger die Quarkbällchen. Es war bemerkenswerterweise kein Skandal, dass er niemals „Europas größtes Aquarium geleitet“ hat, obwohl er das anders behauptet hatte. Allerdings war es auch kein Skandal, dass die behauptete Abschlussarbeit über Fische eigentlich über Flusskrebse war. So war es auch kein Skandal, dass er sich als „studierter Diplom-Meeresbiologe“ bezeichnete, obgleich man an der Uni, wo er seinen Abschluss erlangte, nicht mal Meeresbiologie studieren konnte.
National Geographic Fotograf des Jahres 2015, wie auf seiner Webseite behauptet, ist Lehmann auch nicht. Das war James Smart mit dem Bild „Dirt“. Auch das war kein Skandal in der Veggie-Szene. Ebenso war es kein Skandal, als ein Besuch in einem für jeden offenen Aquaristik-Shop mit Online-Präsenz als Undercover-Recherche mit ihm als Protagonisten inszeniert wurde. Stattdessen waren die Quarkbällchen der Skandal. Es ist eine spannende Wahl des Skandalgegenstands. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Es entblößt aber auch die Szene wohl mehr als ihr lieb sein dürfte: Fakten sind egal, solange man keine Quarkbällchen kauft. Sobald man sich aber nicht szenekonform verhält, wird der Mob aufgehetzt.
Von Zensur keine Spur
Der Umgang von Lehmann mit dem Skandal kann derweil nicht gerade als erfolgreiches Werben für Sympathien bezeichnet werden. So posierte Lehmann mit einem Messer vor einem Screenshot-Karussell mit ärgerlichen Kommentaren über ihn. Damit war kein durchschlagender Erfolg verbunden. Da musste man wohl auf eine alte Strategie setzen: Nichts eint so sehr wie ein gemeinsamer Feind. So ging es dann plötzlich auf dem Kanal um angebliche Zensur. Damit konnte man sicher auch von der Diskussion ablenken, wie taktvoll denn Posing mit einem Messer in einer Zeit mit so vielen Messer-Angriffen ist.
Hinter dem angeblichen Zensur-Skandal steckte nicht viel: Der Historischen Stadthalle Wuppertal ist wohl erst recht spät aufgefallen, dass der Vortrag von ihm nicht so ganz zur Veranstaltung passt. Sowas kommt vor. Das ist nicht unnormal. Zensur ist was anderes, wie man zum Beispiel hier bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in einfacher Sprache nachlesen kann. Was dort beschrieben ist, kann die Wuppertaler Stadthalle nicht mal theoretisch betreiben. Jemanden auszuladen, ist keine Zensur.
Gewichtige Gründe

„Tauchen Sie ein in die vielen Facetten der Nachhaltigkeit auf unserer begleitenden Messe“, war im Werbetext für die Veranstaltung zu lesen. Das passt halt nicht unbedingt zu einem Speaker, dessen Anti-Zoo-Merchandising schon tausende Kilometer gereist ist, weil es zum Beispiel in Bangladesch gemacht wird. Das passt doppelt nicht zu Nachhaltigkeit. Einmal, weil es gegen Zoos geht und zweitens weil es schon ein durchaus weitgereistes Stück Stoff ist. Dass dann die vulgäre Aufschrift auch nicht so zu einem Event passt, das sich dezidiert auch an Kinder wendet, dürfte auch nachvollziehbar sein.
An dem Beispiel sieht man: Niemand musste Robert Marc Lehmann persönlich schlecht machen, damit die Stadthalle auf die Idee kommen konnte, dass die Veranstaltung und er nicht das beste Match sind. So reicht es, seine eigenen Aussagen herzunehmen, um das zu erkennen. Wenn man dann auch noch anschaut, was oben schon in Bezug auf den Quarkbällchen-Skandal erwähnt wurde, wird es auch klar.
Hinzukommend ist Wuppertal ein Zentrum des Schutzes von Balistaren. Der Grüne Zoo ist schon viele Jahre mit der Geschichte des europäischen Schutzprogrammes verwoben. Dass in einer solchen Stadt seine Ausführungen zum Projekt, über die wir berichteten, auch nicht standhaft sind, verwundert nicht. Statt also den Fehler in dieser Frage bei angeblicher Diffamierung von außen zu suchen, sollte man vielleicht erstmal auf die eigenen Aussagen und Handlungen schauen.
Nützliches Narrativ

Das Opfer angeblicher Diffamierungen und Zensur zu werden, lässt sich aber viel besser verkaufen. Das dürfte klar sein. Es ist zudem auch einfacher. Dann muss man nämlich nichts ändern. Zudem ist es natürlich hilfreich, um eine eigene Veranstaltung zu bewerben, die man dann als „Demo“ bezeichnet. So kann man versuchen, die Quarkbällchen-Empörten noch gegen einen vermeintlichen „Feind“ wieder mit ins Boot zu holen. Darauf wird der ein oder andere auch reinfallen.
Die Strategie ist nicht neu. So sprach Robert Marc Lehmann schon über eine Anti-Influencer-Strategie von Zoos. Wer hinter das Narrativ blickte, erkannte schnell, dass es die gar nicht gibt. Tatsächlich ging es einfach um eine Arbeitsgruppe vom Verband der Zoologischen Gärten (VdZ). Die beschäftigte sich mit Fake News im Netz. Das war es.
Man könnte also durchaus ein Muster erkennen. Das muss man aber gar nicht. Man erkennt auch so, dass es bei solchen Narrativen darum geht, sich als Opfer zu zeigen. Selbstredend braucht dieses vermeintliche Opfer dann Unterstützung. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Hoodie? Der ist schließlich extra aus Bangladesch schon zum „Veredeln“ nach Deutschland geflogen worden. Eine Hass-Botschaft hat er auch noch. Mit dem kann man sich dann sicher prima auf eine „Demo“ stellen und sich wundern, warum man jetzt nicht auf einem städtischen Nachhaltigkeitsevent steht. Andere wird das dann aber nicht zu sehr verwundern. Die meisten können das sogar nachvollziehen.
„FCK“ ist keine Meinung
Man darf nun nicht den Fehler machen, dieses Opfer-Narrativ mitzugehen oder gar der irrigen Annahme erliegen, das ließe sich auf die „andere Seite“ irgendwie übertragen. Lehmann macht etwas in der Zoo-Frage sehr Singuläres. Er verkauft Merchandising gegen Zoos, das vulgäre Botschaften trägt. Kein Zoo, kein Aquarium, kein Delfinarium hat jemals T-Shirts mit der Aufschrift „FCK RML“, „FCK Tierrechte“ oder ähnliches verkauft. Es gibt entsprechend keine gegenseitige Entsprechung eines solchen Vorgehens.
Die Eventlocation wird von der Historische Stadthalle Wuppertal GmbH betrieben. Diese wurde von der Stadt gegründet, um diese Stätte historischer Bedeutung einem sinnvollen Zweck zuzuführen. Die Stadt ist auch nach wie vor Gesellschafterin. Passt es zu einer letztendlich auch von Steuergeld betriebenen Institution solchen Vulgarismen wie FCK – auch noch auf einer besonders an Familien ausgerichteten Veranstaltung – eine Plattform zu geben? Nein. Es ist ja auch keine Meinungsäußerung, Zoos und Aquarien zu beschimpfen. Es bezeugt einfach nur Hass.
Hass ist legal. Man muss dem aber keine Plattform geben. Wäre es Zensur, auf einer Ärztetagung jemanden auszuladen, der T-Shirts mit der Aufschrift „FCK Krankenhäuser“ in seinem Online-Shop vertreibt? Das wäre es sicher nicht. Genauso wenig wäre es Zensur, bei einem Kinderfest, jemandem keine Plattform zu bieten, der „FCK Kinder“ auf T-Shirts schreibt. Ebenso wenig passt es eben auf ein nachhaltiges Familien-Event jemandem eine Plattform zu gehen, der solche T-Shirts vertreibt, wie sie im „Mission Erde“-Shop vertrieben werden.
Alternativ-Veranstaltung

Lehmann hatte schnell eine Ausweich-Lösung gefunden. Eine „Demo“, die wohl sonst als Rahmenprogramm dienen sollte, wurde, statt vor seinem Auftritt, auf eine Zeit um seinen abgesagten Auftritt verlegt. Die Polizei gab an, dass diese Veranstaltung „in der Spitze auf etwa 2.000“ Teilnehmer gekommen sei. Da sie sich quasi am Bahnhof befand, ist dabei unklar, wie viele Passanten mitgezählt wurden. Zudem sagt eine Spitze auch nicht viel aus. Beobachtete man die Pseudo-Demo langfristig, wie gerati das tat, sah man „schätzungsweise zwischen 200 und 500 Personen„, die an der Veranstaltung, die mehr ein Fan-Event war, teilnahmen.
Vorher hatte man auch auf Social Media so genannte „Demo Chants“ verbreitet. So konnte auch wirklich jedes Kind mitmachen, von denen man auch das ein oder andere dann zur Promotion der Veranstaltung offenbar bedenkenlos erkennbar auf Social Media postete. In diesen Chants wurde Hass gegen Zoologische Gärten geschürt und – teils auch sehr vulgär – über Zoos geschimpft. Kritische Auseinandersetzung mit dem Thema sieht anders aus. Zuschauer sahen einseitige Agitation. Beim „WarmUp“ einen Tag zuvor vor der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen, fiel eine Fahne mit Symbolik der ALF, eine Tierrechtsterrorgruppe, unter der dürftigen Teilnehmerzahl auf.
Ebenfalls dürftig war die Teilnehmerzahl einer Demo vor dem Zoo Wuppertal vor der Veranstaltung am Bahnhof. Laut Polizei schlugen da zwischen 10:00 Uhr und 11:40 Uhr etwa 20 Personen auf. So groß war das Interesse dann doch nicht. Stattdessen wurde lieber vor dem Hauptbahnhof später der Hass skandiert und ein Fan-Event gegeben. Das lässt tief blicken. Man hatte auch extra noch mit einem ziemlich schlechten Rap für die Veranstaltung geworben, der sich auf eine längst widerlegte PETA-Kampagne bezog, die krachend gescheitert war.
Es ging nie um Kritik oder Kommunikation

„Laut eigener Aussage lehnte Lehmann jedoch einen Dialog mit dem Zoo ab„, berichtet gerati ferner. So wurde nicht nur auf der Alternativ-Veranstaltung klar, dass es nie um Kritik oder Kommunikation ging. Die war Lehmann und seinen Unterstützern nie verwehrt worden. Der Heiligenschein des Protests gegen Zensur, den sich diese Kampagne selbst aufsetzte und der von Medien unhinterfragt übernommen wurde, war also völlig unberechtigt. Hass ist eben keine Meinung und der muss niemand ein Forum bieten.
Das war natürlich irgendwie schlecht für die Medien, die auf diesen Heiligenschein reingefallen waren. Sie wurden durch die Veranstaltung sehr lächerlich gemacht. Wohl für die Redaktionen zum Glück, fiel es Chefredakteuren anscheinend nicht auf, wie sie vorgeführt wurden. Hätten sie ordentlich recherchiert, wäre es ihnen nach wenigen Sekunden in den Sinn gekommen, dass sie hier die falsche Bewegung zu „Kritikern“ nobilitiert hatten.
Das letztendliche Event zeigte es umso deutlicher: Es ging nie um Kritik, die man hätte zensieren können. Kritik wäre konstruktiv. Ernstzunehmende Kritik kommt ohne Beleidigungen aus. Richtige Kritik setzt auf Kommunikation. Zu der hatte Robert Marc Lehmann auch jüngst auf einem Orca-Symposium mit dem Loro Parque Gelegenheit. Diese ergriff er allerdings auch nicht. Da war eher das Schweigen laut. Zudem ließ es tief blicken.
Stadthalle hat sich aus der Zwickmühle gerettet
So bemühte man sich in der Kampagne zur Bewerbung der dann doch – für die angebliche Follower-Zahl von Lehmann – recht dürftig besuchte Veranstaltung dem Streisand-Effekt in die Sache zu reden, aber lag damit offenbar daneben. Diese Demo gab am Ende der Historischen Stadthalle Recht. Hass, Vulgarismen und weitgereistes Merchandising hätten nicht zu einer an Familien gerichteten Veranstaltung mit dem Thema Nachhaltigkeit gepasst. Das hätte massiv schlechte Presse sowie ein massiver Verlust an Glaubwürdigkeit und Vertrauen für die Organisation solcher Veranstaltungen mit sich gebracht.
Dank der rechtzeitigen Absage gab es nun nur den weiteren Sturm im Wasserglas. Sowie gab es auch die Erkenntnis, dass die Mobilisierungsmacht von einem Influencer wohl doch geringer ist als gedacht. Selbst, wenn man nämlich die hinterfragungswürdigen 2.000 Teilnehmer der Alternativveranstaltung mitgeht, so sind das nur rund 0,2% der YouTube-Abonnenten vom Kanal von Robert Marc Lehmann beziehungsweise nur rund 0,4% seiner Instagram-Follower. Dass trotz so einer intensiven Kampagne an einem Sonntag nur so wenige kamen, zeigt auch viel. Eigentlich muss es enttäuschend gewesen sein.
Es sind wohl doch nicht so viele auf die Pseudo-Zensur-Kampagne reingefallen wie von der Tierrechtsindustrie erhofft. Dass nur ein winziger Bruchteil der online demonstrierten, angeblichen so großen Stärke zu Demos kommt, ist typisch in Kreisen der Tierrechtler. So kennt man es auch von PETA-Demos. Daher kann sich die Historische Stadthalle letztendlich durchaus bestärkt fühlen. Die Absage ermöglichte ihr eine aufgewertete Veranstaltung und unterm Strich weniger Schaden für sich selbst. Besser wäre es natürlich gewesen, sich vor der Einladung ausreichend darüber zu informieren, was hinter dem geplanten Rede-Beitrag steht.
Intrige aus Zoo-Kreisen?

Wer Lehmann schon länger verfolgt, weiß, dass er immer wieder das Narrativ bemüht, er würde von Zoo-Seite zensiert. Nachweisen kann er das am Ende nie wirklich. 2023 versuchte er, wie erwähnt, dem Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) eine Anti-Influencer-Strategie anzudichten. Was blieb davon am Ende über? Eine Arbeitsgruppe gegen Fake News hatte über nachweisliche Fehlinformationen über Zoos und Aquarien im Internet berichtet. Mehr gab es nie.
Genauso verhält es sich auch dieses Mal. Die Historische Stadthalle war klug genug, selbst Schadensbegrenzung zu betreiben. Dazu brauchte es keinen Impuls aus der Zoowelt. Der Grüne Zoo Wuppertal war sogar bereits, mit ihm in den Austausch zu gehen. Das war der Zoo auch schon mit PETA und anderen aus dem Bereich der Tierrechtsindustrie. Gescheitert ist ein Austausch bisher nie am Wuppertaler Zoo. Das gehört zur Wahrheit mit dazu. Leider wird es selten genannt. Gescheitert ist ein Austausch immer an den Vertreten der Industrie, die solche Angebote nicht annahmen. Von Zensur war und ist also keine Spur.