Altes Sparschwein | Foto: Andreas Praefcke, Lizenz: public domain

Robert Marc Lehmann: Geht’s am Ende nur ums Sparschwein?

Exklusiv für zoos.media – 17.11.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

“Nach diesem Video wirst DU dich schämen”, versprach Robert Marc Lehmann im Titel für ein rührseliges Video gegen Schweinehaltung. Doch hinter dem typischen Machwerk jenseits der Realität, steckt etwas mehr, als man auf dem ersten Blick vermuten mag. Wer sich wohl am Ende tatsächlich schämt?

Robert Marc Lehmann: Geht’s am Ende nur ums Sparschwein?

Gemästet wurde bei dem Video besonders die Tränendrüse, wenn man auf Videos in so einem Style anspringt. Menschen, die wirklich seriösen Umgang mit Tieren im landwirtschaftlichen Kontext kennen, haben ja ziemlich schnell gesehen, dass es bei diesem Video von Robert Marc Lehmann nicht wirklich darum ging zu informieren. Es ist immer wie bei Unterhaltungsformaten: es geht darum eine Zielgruppe zu emotionalisieren. Wenn ein Video dann so ein bisschen Stilmittel einer Dokumentation zitiert, eignet sich so ein Machwerk dann schnell zum Virtue Signalling per Interaktion auf Social Media.

System & Masche

Dieses Betroffenheitsposing kann man niemandem wirklich vorwerfen. Es ist ein Narrativ, das funktioniert. Natürlich kann man immer vorhalten, dass es unauthentisch sei, ein paar Tränchen zu verdrücken, um an sein monetäres Ziel zu kommen, aber das haben auch zahlreiche andere schon gemacht. Am Ende geht es darum ein Video zu monetarisieren und diese Masche ist etabliert. Man sieht sie bei zahlreichen Influencern. Sowas lockt auch keinen mehr hinter dem Ofen vor und das merkt man, wenn man auf 30 Tage unterm Strich hundert De-Abos bekommt.

Offenbar nach wie vor von seiner “Mission” überzeugt, kommt letztendlich ein rührseliges Stück aus generischem Posing dabei rum. Ob dies der beschworene “Sargnagel” der “Tierausbeutungsindustrie” wird, ist mehr als fraglich. Man könnte vermuten, dass selbst der Autor dieser kernigen Zeile nicht daran glaubt. Aber es braucht in diesem System natürlich immer auch ein “Call to Action”, damit sich das lohnt. Also verlinkt Robert Marc Lehmann eine Spendenaktion – angeblich um der Protagonistin des Videos zu helfen.

Wo kommen die Spenden wirklich an?

Schwein in Stall | Foto: Rosa-Maria Rinkl, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Auf der Webseite, wo das Geld dann von Mission Erde gesammelt wird, sieht man die Protagonistin nur noch auf einem Foto. Namentlich erwähnt wird sie nicht mehr. Man liest einen beliebigen Text über Mission Erde, einen Verein, den Robert Marc Lehmann aus der Taufe gehoben hat. An diesen spendet man dann auch und ob diese Spenden irgendwann die Protagonistin erreichen oder gar deren Projekt kann – dank der Untransparenz von Mission Erde – vermutlich nie jemand nachprüfen. Fairerweise muss man aber eingestehen: es wird unter dem Video versprochen, aber eben nicht auf der eigentlichen Spendenseite.

“Durch unsere Missionen decken wir Missstände und Tierrechtsverstöße in der Tierproduktion auf”, heißt es da. Also scheint man vor allem die Produktion solcher Videos zu finanzieren. Es wird behauptet: “Mit eurer Unterstützung finanzieren wir die Missionen und unterstützen die Lebenshöfe.” Wie das aber konkret aussehen soll, ist gar nicht erklärt, weshalb sich am Ende auch kein gutgläubiger Spender wundern sollte, wenn mit dem Geld nicht das passiert, was man vielleicht denkt, nachdem man das Video gesehen hat.

Verbindungen der Protagonistin

Bei der Protagonistin selbst handelt es sich um die Tierrechtsaktivistin Samara Eckardt. Sie befindet sich im Umfeld von Soko Tierschutz und arbeitet mit Influencern, zu denen auch Lehmann gehört, zusammen. Sie ist zudem Projektleiterin von TransFARMation Deutschland. Dabei handelt es sich um einen Verein, der eine zukunftsfähige Landwirtschaft als tierfrei betrachtet. Vegane Ressourcennutzung wird propagiert, als wäre die Idee, dass diese automatisch besser sei, nicht schon längst widerlegt. Auch hier gilt wieder: Emotionalisieren statt Informieren.

Erster Vorsitzender des Vereins ist Timo Herbert Karl Geuß. Praktischerweise verkauft der Lebenshofdienstleistungen, wenn man dem Titel des auf seinem Namen laufenden Unternehmensaccount auf Facebook trauen darf. Das trifft sich total wunderbar, wenn man Dienstleistungen für genau das Objekt und Ergebnis der Transformation anbietet, die im Verein angestrebt wird. Es gibt eben auch manchmal ganz verrückte Zufälle im Leben.

Lebenshöfe mit System

Hausschweine (Sus scrofa domesticus) in Münster (Deutschland) | Foto: Guido Gerding, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Da ist es natürlich auch prima, wenn man im Zusammenhang mit dem Verein Content mit Influencern erstellt, die dann für Spenden an die Lebenshöfe werben. Denn wie sollen schließlich sonst die Höfe für solche Dienstleistungen zahlen? Wenn man den wichtigen Schritt in der Landwirtschaft nicht macht, der Tiere inkludiert, geht die Rechnung ja nicht wirklich auf. Wie gut, dass es da einen Vorsitzenden im Verein gibt, der im beruflichen Portfolio wohl anscheinend die Lösung solcher Probleme hat.

Praktisch wird sicherlich auch sein, dass Timo Geuß im Vorstand der Initiative Lebenstiere ist, auf deren Instagram Seite Robert Marc Lehmann in seinem Video auch verlinkt. Der Verein hat so genannte Lebenshöfe. Man könnte fast meinen, hier hat jemand Kundenakquise einfach perfektioniert. Durch Vereinsarbeit werden Lebenshöfe gemanagt sowie aufgebaut und wie durch Zufall sind das Kunden, die man für sein Unternehmen nutzen kann oder die Vereine selbst nutzen gleich die Dienstleistungen, die man anbietet. Das kann ja nur gut funktionieren.

Tränen sind wichtig, Transparenz nicht so

Böswillige Menschen könnten das nun für ein abgekartetes Spiel halten und letztendlich ein ziemlich eiskalten Businessplan. Das kann doch aber nicht sein, denn alle sind ja mit so viel Gefühl dabei. Eine Träne hier, eine Träne da – das sind alles ganz emotionale Menschen. Darum wird auch immer so betont, dass man ja ach so besonders tierlieb sei. Leider lässt sich diese Tierliebe nicht wirklich durch Transparenz der jeweilig beteiligten Vereine gut nachvollziehen. Darüber täuscht eine tränenbetonte Berichterstattung nicht hinweg, aber sie lenkt sicher gut davon ab.

Solchen Menschen würde doch in ihrer Zielgruppe nie jemand zutrauen, dass in Wahrheit das Sparschwein, die Schweinerasse ist, um die es dabei besonders geht. Emotionalisieren statt Informieren funktioniert eben auch, weil manch einer bei so einem Tränenschleier die kritischen Fragen nicht wagt. Andererseits sollte man auch nicht nach Transparenz fragen müssen, sondern NGOs sollten sie von sich aus liefern. Wenn es aber bei der Transparenz so düster ausschaut wie das Bild, das solche Vereine von der Landwirtschaft malen, sollte man sein Geld nicht spenden.

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