Diamant-Klapperschlange (Crotalus adamanteus) | Foto: Tad Arensmeier, Lizenz: CC BY 2.0

Minister Cem Özdemir bedroht Natur- und Artenschutz

Exklusiv für zoos.media – 21.01.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

Ein Vorstoß des Landwirtschaftsministers Cem Özdemir würde bei seiner Umsetzung in einem Verbot der privaten Exotenhaltung münden. Das bedroht Natur- und Artenschutz.

Minister Cem Özdemir bedroht Natur- und Artenschutz

Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland, Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), hat gezeigt, dass er grundlegende Zusammenhänge im Natur- und Artenschutz entweder nicht versteht oder nicht verstehen will.

 

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Das ist hochgradig alarmierend für jeden Tierhalter, weil aus dieser Unkenntnis politische Aktion erwachsen soll. Er möchte “eine Positivliste vorstellen, also eine Auflistung mit Tieren, deren Haltung erlaubt ist”. An so einer Positivliste ist aber gar nichts positiv.

Auf EU-Ebene gescheitert

Feuerschwanz-Fransenlipper (Epalzeorhynchos bicolor) im Kölner Zoo | Foto: zoos.media

Özdemir wolle sich auf EU-Ebene für die Einführung der Haltungsverbote, die aus der Positivliste erwachsen, einsetzen, erklärte er gegenüber der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Dabei hat er wohl verschwiegen, dass das Vorhaben auf EU-Ebene jüngst scheiterte. Diese Entscheidung will er nun nicht anerkennen und trotz dieser versuchen, diesen Irrweg durchzuboxen.

Warum ein Irrweg? Seriöse Privathalter haben, neben den Zoos und Aquarien, einen sehr großen Anteil am Natur- und Artenschutz. Sie ermöglichen unter anderem zum Beispiel die sehr wichtige, breite Aufstellung von Erhaltungszuchtprogrammen für exotische Tierarten, indem sie sich auf die Zucht von einer oder mehreren Spezies spezialisieren. Dabei erlangen sie auch sehr wichtiges Knowhow und gewinnen Erkenntnisse, die man sonst nicht in der Art erlangen könnte.

So hat die private Aquaristik zum Beispiel dafür gesorgt, dass der in Thailand endemische und hochbedrohte Feuerschwanz dank seiner Haltung in Menschenhand eine solide Überlebensbasis hat. Im natürlichen Lebensraum galt er zwischenzeitlich sogar als ausgestorben. Seine weite Verbreitung in Aquarien hat dafür gesorgt, dass man aus dem Vollen schöpfen kann, wenn es irgendwann in der Zukunft hoffentlich wieder genug Lebensraum für seine Auswilderung gibt. Der Feuerschwanz steht beispielhaft für viele andere exotische Arten. Schwer zu verstehen ist das eigentlich nicht. Auch nicht für einen Bundesminister.

Fragwürdige Rückendeckung

Euroscheine und -münzen | Foto: Christoph Scholz, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Üblicherweise gibt es zu jedem grünen Vorstoß auch eine Vorfeldorganisation, die ihn unterstützt. Diesmal ist es der Deutsche Tierschutzbund (DTB). Diese NGO hält den Steigbügel für die Behauptung Özdemirs, dass die Tierheime durch die Exotenhaltung mit Problemen konfrontiert seien, die man sich als Außenstehender gar nicht vorstellen könne. So groß kann die Not aber gar nicht sein, sieht der Tierschutzbund selber offenbar kaum Grund, die Tierheime direkt zu unterstützen, obwohl er ja mal als Dachverband der Tierheime gegründet wurde. Dem DTB fehlt schlichtweg die Fachkompetenz zu Exoten und ihrer artgemäßen und tiergerechten Haltung. Polemik hilft nämlich keiner Pantherschildkröte, Ideologie keinem Igeltanrek. Falsche Behauptungen helfen nur dem Geschäftsmodell des DTB und somit der eigenen Kasse.

Der Fisch “Deutscher Tierschutzbund” stinkt vom Kopf her. Das Interesse für die Tierheime ist letztendlich nur geheuchelt. Vielmehr hat sich der DTB mit der Tierrechtsindustrie eingelassen und verbreitet ihre dreisten Lügen. Sprecherin Hester Pommerening behauptet in diesem Fall Abenteuerliches wie: “Wildtiere hingegen sollten aus Tierschutzsicht grundsätzlich nicht in Privathaushalten gehalten werden.” Das ist schlicht falsch. Es gibt einmal keine allgemeine oder allumfassende “Tierschutzsicht” und auch keine seriösen Erkenntnisse aus der Tierwohlforschung, die das je so belegt hätten. Ganz im Gegenteil: Tieren ist es egal, ob sie privat gehalten werden oder gewerblich. In Privathand können sie, genau wie im Zoo, ein aufgrund guter Pflege und fehlender Feinde im Vergleich zum natürlichen Lebensraum überdurchschnittliches Lebensalter erreichen.

Deutscher Tierschutzbund fehlinformiert

Özdemir bekommt also bei seinem Unverständnis auch noch Rückendeckung von einer der unseriösesten Tierschutzorganisationen Deutschlands, die bekannt dafür ist, Lügen zu verbreiten. Auch in Bezug auf Zoologische Gärten wurde schon oft fehlinformiert. So hat der Bundesminister wohl keine wirklich seriöse Organisation gefunden, die diesen gefährlichen Vorstoß unterstützt. Da musste er eben den Deutschen Tierschutzbund nehmen, der seit Jahren seine Mitglieder verrät, indem er Geld lieber für das eigene Personal und Marketing nutzt, als für die ächzenden Tierheime, die in dem Fall wieder einmal als Ausrede missbraucht werden.

Dass sich der Deutsche Tierschutzbund mit Exoten nicht auskennt, beweist er sowohl in seiner öffentlichen Kommunikation, als auch in der eigenen Haltung dieser Tiere: so können sich Primaten über Gehege auf dem Standard von Zoo-Gehegen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts “freuen”, wenn sie in die “Obhut” der DTB-Vorzeigehaltung in Berlin kommen. Das ginge besser, aber dafür müsste man halt andere finanzielle Prioritäten setzen und mit Zoos kooperieren, statt sie diese an der Seite der Tierrechtsindustrie zu bekämpfen. Offenbar will der Deutsche Tierschutzbund das aber nicht.

Fachverbände & Experten äußern Kritik

Cem Özdemir beim “Wir haben es satt”-Protest in Berlin 2022 | Foto: Leonhard Lenz, Lizenz: CC0 1.0

Sehr gut mit Exoten und deren tiergerechter Haltung kennt sich hingegen der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) aus und der hat sich dazu sehr deutlich geäußert: “Positivlisten können bewirken, dass in Zukunft eine größere Anzahl an Tieren illegal erworben wird und im Verborgenen ohne ausreichende veterinärmedizinische Versorgung leben muss”, sagte VdZ-Geschäftsführer Volker Homes. Seine Aussage ist ein gutes Beispiel dafür, was viele Verbände unter anderem kritisieren.

Die unzählige private wie auch gewerbliche Wildtierhaltungen betreuende und durch ihren am London Zoo erworbenen Master in Wildtiergesundheit hierfür besonders qualifizierte Tierärztin Dr. K. Alexandra Dörnath sagt zum Vorstoß des Ministers: “Der Grüne Cem Özdemir selbst ist nicht als praktischer Tierhalter bekannt. Positivlisten einführen zu wollen zeigt seine ganz offensichtliche Praxisferne genau wie seine theoretischen Wissenslücken im Bereich des Tier-, Natur- und Artenschutzes.”

In Bezug auf den Vorschlag wird sie auch sehr deutlich: “Seine als Sozialpädagoge vorhandene Inkompetenz in diesen Bereichen wird auch nicht wettgemacht durch etwaige Mitarbeiter. Özdemir muss also wohl auch über extrem schlechte Berater in seinem Ministerium verfügen. Jeder, der die Zusammenhänge kennt und versteht, hätte ihn davor warnen müssen, Positivlisten einführen zu wollen. Eine solche Politik ist schlecht durchdacht, ideologisch geführt, polemisch und nicht zielführend. Denn sie ist weder im Sinne des Tierschutzes noch des Artenschutzes. Ganz im Gegenteil bedroht sie sogar den Tier- und Artenschutz von Exoten.”

Dörnath: Seriöse Privathalter halten Exoten tiergerecht

Dr. K. Alexandra Dörnath mit einem ihrer tierischen Patienten | Foto: Felix Müller

Es gibt kaum Tierärzte, die einen derart weitreichenden und mannigfaltigen Erfahrungsschatz in der Arbeit mit Wildtieren haben – sowohl veterinärmedizinisch als auch verhaltensbiologisch – und die eine solche Bandbreite von Exotenhaltungen betreuen wie die 51-jährige Dr. Dörnath. Von den kleinen Exoten im Wohnzimmer bis hin zu Großtieren in artenschutzrelevanten Haltungen behandelt sie wirklich alles und jeden. Dörnath hat Wildtiere sowohl in der Natur in verschiedenen Klimazonen beobachtet und untersucht als auch in unterschiedlichen Haltungssystemen betreut. Ihre Arbeit beinhaltete Artenschutzprojekte mit Wildtieren im natürlichen Lebensraum (von Meeresschildkröten in Hawaii, Venezuela und Australien, über Seekühe in Belize und Ohrenrobben auf Galápagos, bis hin zu Walen in Schottischen Gewässern), die Betreuung von Tieren in einer Wildtierauffangstation im Amazonas-Regenwald sowie in verschiedenen Zoos und einem Delfinarium.

Gegenwärtig betreut sie Exoten in Privathand, im Zoo sowie im Circus aus ihrer eigenen Praxis (namens Klein Mexiko) heraus und fängt Exoten, oft ungewollt in Containerlieferungen zu uns gelangend, für die Einsatzkräfte ein. Für Dr. Dörnath ist klar: “Seriöse Privathalter bringen ihre geliebten Exoten artgemäß und tiergerecht unter. Das sieht man diesen Tieren auch an. Derartig gehaltene Tiere zeigen nämlich ein für ihre Art typisches Verhalten und sind von gutem Allgemeinzustand, Ernährungs- sowie Pflegezustand. Dabei erfüllen die Halter die gesetzlichen Vorgaben. In Deutschland sind dies Gesetze aus dem Bereich des Tierschutzes, des Artenschutzes sowie auch der Gefahrtier- respektive Polizeiverordnungen, manchmal des Baurechts.”

Überlebenswichtige Arbeit für Fische und viele andere

Männlicher Tequila-Kärpfling (Zoogoneticus tequila) im Aquazoo Löbbecke Museum in Düsseldorf | Foto: zoos.media

Sie betont im Hinblick auf den Natur- und Artenschutz: “Exotenhalter sind auch als erfolgreiche Züchter Teil von Zuchtprogrammen zur Vermehrung besonders gefährdeter Arten. Sie tragen somit zur Sicherung genetischer Reserven bei und somit zur Arterhaltung. Was also will man mehr? Und vor allem: Weshalb sollte man so etwas einschränken bzw. mittels Listen verbieten wollen? Das wäre keinesfalls im Sinne des Arten- und Naturschutzes. Damit erreicht man das Gegenteil!” Anders – also ohne die privaten Halter – wären ja auch die Erfolge gar nicht möglich gewesen. Dass zum Beispiel viele Goodeiden, heute eine Überlebenschance haben, verdanken sie engagierten Aquarianern. Bei diesen Fischen handelt es sich um Hochland- oder Zwischenkärpflinge, die das Fundament des Ökosystems im Mexikanischen Hochland bilden.

Auch der Siamesische Zwergbärbling verdankt sein Überleben einer engagierten Privat-Artenschützerin, die diese Art wieder vermehren konnte und nun mit Zoos und Aquarien für deren Überleben kämpft:

Aber nicht nur private Fischhalter, auch ebensolche Halter von Amphibien, Reptilien, Vögeln, Säugern und sogar von Wirbellosen pflegen in der Natur selten gewordene Tiere. Sie tragen durch Zucht zu ihrer Vermehrung und durch Wissen zu ihrem Schutz bei. Dies betreffe auch Giftschlangen, beispielsweise die Östliche Diamantrücken-Klapperschlange, so Tierärztin Dörnath. Die sachkundigen Halter seien oft in Verbänden organisiert und miteinander gut vernetzt, betont sie.

Lange Tradition in Deutschland

Himmelblauer Zwergtaggecko im Berkenhof’s Tropical Zoo | Foto: Donar Reiskoffer, Lizenz: CC BY 3.0

Gerade in Deutschland hätten solche Verbände eine lange Tradition, fügt die erfahrene Tierärztin hinzu. Eine der größten herpetologischen Gesellschaften weltweit, die sich für Natur-, Arten- und Tierschutz einsetze, sei vor über hundert Jahren in Deutschland gegründet worden. Dabei handelt es sich um die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT). Sie wurde im Jahre 1964 als Nachfolge-Organisation des seit 1918 bestehenden “Salamander” gegründet. Sie hat einen sehr großen Output verschiedenster Art im Bereich Natur- und Artenschutz. Als jüngere Organisationen gibt es zum Beispiel die Vivaristische Vereinigung oder die AG Kleinsäuger.

Aber nicht nur empirisches Wissen entstamme aus privater Tierhaltung, auch nützliche wissenschaftliche Daten würden von Privathaltern zur Verfügung gestellt. “Nur gemeinsam können wir Arten und die Natur retten”, betont Dr. Dörnath. “Und da spielen selbstverständlich auch private Exotenhalter eine wichtige Rolle”, bekräftigt die auf Wildtiere spezialisierte Tierärztin. “Da brauchen wir keinen Bundesminister, der solche Bestrebungen erschwert”, fügt Dörnath empört hinzu.

Wenn Inkompetenz zur Gefahr wird

Der Dienstsitz vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin | Foto: Jörg Zägel, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Man sieht also, dass der Sachverhalt eigentlich einfach zu verstehen ist: nicht der Exotenhalter braucht seine Exoten, sondern der umfassende Natur- und Artenschutz braucht Exotenhalter. Umfassender Natur- und Artenschutz basiert nämlich auf dem von der Weltnaturschutzunion (IUCN) formulierten One Plan Approach to Conservation. Dieser Ansatz verlangt ein Ineinandergreifen von Maßnahmen im und außerhalb des natürlichen Lebensraums der Tiere. Hierbei spielen Privathalter eben auch eine Rolle: sie kämpfen Seite an Seite mit Zoos und Aquarien gegen die sechste große menschengemachte Aussterbewelle der Arten.

Wie katastrophal sich schon allein eine Haltungsbeschränkung auswirken kann, hat man beim Zagros-Molch erleben müssen. Ähnlich wie der Feuerschwanz war er bei Privathaltern beliebt, da er als schönster Molch der Welt gilt. In der Natur ist er fast ausgestorben und bekam einen Listung im CITES-Anhang I, was die Haltung massiv erschwerte. Viele Privathalter gaben die Haltungen auf und nun kämpft man bei einer Art, die ex situ als gesichert galt, erneut wieder ex situ darum, dass man eine stabile Reserve-Population managen kann.

All das sind Fakten, die einfach verfügbar sind und die ein Bundesminister in diesem Ressort kennen müsste. Wenn er es nicht täte, wäre es seine Pflicht als Staatsdiener sich kundig zu machen. Özdemirs Unverständnis der Exotenhaltung zeigt, dass er das versäumt hat. Ein solcher Minister, der so in seinen Grundaufgaben versagt und die Bildungslücken nicht aufholt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er noch tragbar ist. Seine Äußerungen zur Exotenhaltung sind ungefähr auf dem Niveau, als würde die Bildungsministerin in Frage stellen, wofür man eigentlich noch das Einmaleins in der Lehre der Mathematik bräuchte.

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