Dank Zoos konnten Mendesantilopen vor dem Aussterben bewahrt werden. | Foto: zoos.media

National Geographic: “Wie zeitgemäß sind Zoos?”

Exklusiv für zoos.media – 17.04.2021. Autor: Philipp J. Kroiß

Wieder diese Frage, wieder so ein Artikel: falsche Balance, schlechte Aufarbeitung von Studien und deutliche Schlagseite – National Geographic macht keine gute Figur.

National Geographic: “Wie zeitgemäß sind Zoos?”

Für National Geographic stellt Julia Kainz diese Frage, wie zeitgemäß Zoos denn wären und sieht sie im Spannungsfeld “artgerecht oder altmodisch”. Letztendlich ist es ein Artikel mit viel Licht und einigem Schatten, der aber auch die Schlagseite des Mediums sehr gut illustriert. Das kreiert nämlich zu häufig eine so genannte “false balance” und tut so, als sei das Urteil von echten Experten gleichwertig mit dem Urteil von Pseudo-Experten, die das Unternehmen sinnloserweise auftut. Dazu wollte das Unternehmen jüngst erst eine Zoo-Alternative installieren.

Ist das die Zukunft von Aquarien?

Wenn man selbst ein Konkurrenzprodukt auf den Markt bringt, hat man dann vielleicht auch nicht so das Interesse an einer fairen Darstellung von Zoologischen Gärten.

Schiefe Wahrnehmung der Realität

Während auf der einen Seite ein echter Zoo-Experte zu Wort kommt, was erstmal natürlich durchaus positiv zu bewerten ist, ist der Protagonist der anderen Seite der Aktivist Robert Marc Lehmann, der sich in letzter Zeit immer wieder darin zu verlieren scheint Lügen, Fehlinformationen und Desinformationen über Zoos und Aquarien zu verbreiten. Echte Artenschützer sehen es dann deutlich anders als er, wie wir schon zeigen konnten:

Wenn der „Robin Hood der Meere“ mal voll danebenschießt

Er lässt wieder seine typischen Floskeln ab, die längst widerlegt sind. Aber auch Julia Kainz tut sich offenbar schwer mit Fakten richtig umzugehen, so lässt sich sich im Zusammenhang mit Lehman dazu hinreißen bei Zootieren von “einsperren” zu reden und kreiert damit natürlich – und diese Stelle ist dafür beispielhaft – ein völlig schiefes Bild.

Warum Tiere im Zoo nicht in Gefangenschaft leben

Es ist auch etwas peinlich, dass Sie es nicht schafft kritisch mit Lehmann umzugehen, während sie das bei den Ausführungen des Gegenparts dann doch zu Stande bringt. So lässt sie Lehmanns Behauptung, dass man ja für die 28 Millionen Euro für das Artenschutzzentrum Affenpark im Krefelder Zoo so viel für Gorillas und Orang-Utans tun könnte, einfach so stehen. Dass der Zoo Krefeld seit Jahrzehnten sehr aktiv im Sinne des One Plan Approaches sich ex situ und in situ um Menschenaffen kümmert, bleibt genauso unerwähnt wie es unerfragt bleibt, was Lehmann denn selbst in dieser Richtung vorzuweisen hat. Auch im Umgang mit Studien zeigen sich Kainz’ Einordnungen als defizitär.

Schimpanse im Zoo Krefeld (2018) | Foto: zoos.media

Geprägt ist die Darstellung von Wissenschaft dadurch, dass Stichproben unsachgemäß verallgemeinert werden. So beschreibt sie: “Eine Studie zum Bildungseffekt von Zoos zeigte einen Lerneffekt im Bezug auf Aussehen und Namen der Tierarten, jedoch nicht bezüglich Verhalten, Bedrohungsstatus oder Schutz.” Die Studie fragt aber nicht nach Zoos generell, sondern schaut vor rund einem halben Jahrzehnt einzig und allein auf den Zoo Zürich, in dem sich seither viel getan hat. An einer anderen Stelle behauptet sie: “In einer Untersuchung von 40 Schimpansen zeigten alle mindestens ein anormales Verhalten, zum Beispiel das Fressen von Kot, Hin- und Herwiegen oder stereotype Pflege.” Es handelt sich hierbei um sechs Zoos aus dem BIAZA- und AZA-Raum. In Großbritannien allein gibt es über 20 Haltungen von drei unterschiedlichen Unterarten sowie Schimpansen ohne Unterartenstatus, in den USA noch weit mehr. Damit bespricht die Studie also eine kaum repräsentative Stichprobe, die aber auch betont, dass bei den Tieren das meiste Verhalten wie bei ihren wilden Artgenossen wäre.

“Die Debatte ist hitzig, diverse Studien liefern unterschiedliche Ergebnisse”, subsummiert Kainz dann und das wirkt genauso unbeholfen, weil sie es im ganzen Artikel nicht geschafft hat, Studienergebnisse sinnvoll aufzubereiten und in Beziehung zu stellen. Sie schließt mit dem Satz: “Wie vertretbar Zoos sind oder ob es auch Alternativen für den ex-sito Arterhalt [sic!] gibt, wie zum Beispiel spezifische Erhaltungszuchtprogramme, muss weiter an höherer Stelle und individuell vor jedem Zoobesuch diskutiert werden.” Es gibt keine Alternativen zu Zoos und Aquarien bei der ex-situ-Arterhaltung, denn alles, was die Arbeit ersetzt, sind nun mal automatisch Zoos und Aquarien. Die Erhaltungszuchtprogramme sind zudem auch spezifisch – meist für eine Art. Das muss auch gar nicht diskutiert werden, weil der One Plan Approach (OPA) der Weltnaturschutzunion (IUCN) genau so eine Arbeit, wie moderne, akkreditierte und / oder zertifizierte Zoologische Institutionen sie leisten, erfordert.

Lohnt es sich trotzdem den Artikel zu lesen?

Allein wegen der tatsächlich fundierten Beiträge von Volker Homes, Geschäftsführer des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ) und Protagonist der Zoo-Seite, lohnt es sich, den Artikel durchzulesen. Er stellt sich kritischen Nachfragen und kontert den Populismus der anderen Seite sehr gut. Es ist nur etwas schade, dass es der Artikel insgesamt so falsch gewichtet ist. Das ist bei National Geographic aber auch wenig verwunderlich, lässt sich das Blatt zu oft von Zoogegnern vereinnahmen. Nicht verschwiegen werden sollte aber auch, dass National Geographic auch gute Fotografen anstellt, die bei Zoologischen Gärten offensichtlich mehr Durchblick haben als so manche Redakteurin.

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Tiere für den Artenschutz fotografieren

National Geographic scheint aber eine regelrechte Scheu davor zu haben, uneitel mit den eigenen Vorurteilen, die häufig in der Berichterstattung über Zoos und Aquarien mal mehr und mal weniger durchscheinen, umzugehen. Stattdessen biegt man sich das alles irgendwie mit einer falschen Balance dann so hin, dass man versucht nirgendwo so richtig anzuecken und am Ende die Wahrheit dann doch so zu verdrehen, dass sie ins eigene, vorgefertigte Bild passt. So wird die Zeitung am Ende vor allem nämlich der Realität nicht gerecht. Schon die Fragestellung des Artikels ist ja so ins bedeutungslose Nichts ausgerichtet.

Sind Zoos noch zeitgemäß?

Die Idee, die Zoologischen Gärten in der heutigen Zeit zu Grunde liegt, also die der eines Artenschutz-Zentrums beziehungsweise einer Botschaft für die Natur, kann so “altmodisch” sein, wie sie will. Sie wird aktuell dringend gebraucht und wenn es Zoos und Aquarien nicht längt geben würde, dann müsste man sie ganz dringend erfinden.

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