Durch eine Windkraftanlage getöteter Rotmilan | Foto: Martin Lindner, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Ökologische Folgen der Windenergie für die Natur

Exklusiv für zoos.media – 10.07.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Die Windenergie in Deutschland und dem Rest der Welt steht am Scheideweg: Wie lange werden die teils massiven ökologischen Folgen noch ignoriert werden können?

Ökologische Folgen der Windenergie für die Natur

Die GWPF (Global Warming Policy Foundation) hat, gemeinsam mit der Deutschen Wildtier Stiftung, in Berlin ein Seminar zum Thema Windenergie und deren ökologische Folgen abgehalten. Zu Wort kamen verschiedene Wissenschaftler und Experten, die Forschungsergebnisse präsentierten. Hier findet man die zugehörige Veröffentlichung.

Besorgniserregende Auswirkungen

Der Sprogø Vindmølle Park nördlich der Great Belt Bridge (2010) | Foto: Fxp42, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Peter Henderson von Pisces Conservation Ltd und der University of Oxford beschäftigte sich etwa mit der Auswirkung großangelegter Windfarmen auf die Umwelt. Bezugnehmend auf verschiedene wissenschaftliche Studien beschrieb er den aktuellen Forschungsstand zu den Auswirkungen im Bereich der Umweltzerstörung, der auditiven Umweltverschmutzung und verschiedenen marinen Lebewesen von Offshore-Parks. Über Wasser wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass bereits Hüppop et al. (2006) darauf hingewiesen, dass man Windkraftanlagen nicht in Migrationsschneisen stellen sollte und eine Ausschaltung über Nacht erfolgen müsse. Das betreffe aber nicht nur Vögel, sondern auch Fledermäuse und Insekten bei denen aber noch genauer geforscht werden müsse.

Die Studienlage bei den Windkraftanlagen an Land hingegen wäre da besser, erklärt Henderson, und in Bezug auf Vögel seien die Zahlen der Kollisionen “not insignificant”. Smallwood (2013) rechnete für das Jahr 2012 hoch, dass in den USA jährlich 573.000 Vögel ums Leben kommen bei einer installierten Windenergiekapazität von 51.630 Megawatt (MW). Farfán et al. (2017) problematisierte hingegen, dass die meisten Studien sich auf die großen Spezies mit Bedeutung im Artenschutz konzentrierten und eben nicht die kleiner Vögel betrachteten, weshalb Peter Henderson darauf hinweist und auf weitere etwaige Dunkelziffer in den Zahlen.

Ebenfalls wurde darauf hingewiesen wie viele Fledermäuse, Tiere die leicht vergessen werden, durch Windkraftanlagen umkommen. Hierzu lieferte die jüngst veröffentlichte Studie Arnott et al. (2016) wichtige Hinweise. Auf Basis von einer Untersuchung im Schwarzwald erklärte Henderson: “Schätzungsweise 10 bis 12 Fledermäuse werden jährlich an jeder Windkraftanlage in Deutschland getötet. Wenn also alle Windkraftanlagen gleichermaßen zerstörerisch sind, werden allein in Deutschland an Land jährlich etwa 200.000 Fledermäuse getötet.” Dabei wies er auf die geringe Fruchtbarkeit der Fledermäuse hin, die es schwer macht, solche Verluste wieder auszugleichen.

In Bezug auf Insekten verwies er auf Corten & Veldkamp (2001) sowie Long et al. (2011), die beschrieben wie Windkraftanlagen Insekten schädigen können. Zahlen lieferte ja inzwischen die Forschung von Dr. Franz Trieb: fünf Milliarden Insekten pro Tag sterben auf Basis seiner Zahlen in der Wärmesaison allein in Deutschland. Das ist sogar noch um ein Vielfaches mehr als es wohl nach bisheriger Studienlage Verluste bei Vögeln und Fledermäusen zusammen gibt. Was dabei zu bedenken ist, ist das Insekten ja Pfeiler der Nahrungskette sind an deren Ende die Raubvögel und Fledermäuse stehen.

Was häufig bei dem Thema Windkraft ausgeblendet wird ist der Transport des Stroms über Kabel, weil ja nicht überall genug Wind weht. Dazu kommt das Thema Auf- und Abbau von Windkraftwerken. Nachdem ja die EEG-Förderung der Windkraftanlagen nach 20 Jahren ausläuft und die Anlagen ohne die damit verbundenen Geldgeschenke vom Staat, die durch Umverteilung ermöglicht werden, nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden konnten, ist das ein sehr präsentes Thema – wir berichteten.

Überdenken ist notwendig

Schöner Ausblick auf eine Windanlage vor Gran Canaria? | Foto: zoos.media

Oliver Krüger von der Universität Bielefeld ist sich sicher, dass Windenergie nicht verschwinden wird, deshalb schlug er vor: “wir sollten uns hinsetzen und versuchen, die Ziele für wild lebende Tiere und die Ziele für erneuerbare Energien in Einklang zu bringen”. Der Tierverhaltensforscher berichtete nämlich von seiner Studie über Vögel und Windkraft in Deutschland. In einer komplexen Studie konnte er nachweisen, dass Windkraftanlagen einen artenschutzrelevanten, malignen Einfluss auf Populationen haben. Er wies aber auch darauf hin, dass es Auswege aus dieser Miseren geben würde – wie etwa ein System des Schweizer Orinitologischen Instituts, das er beschreibt, um diese Verlustraten zu minimieren.

Klaus Richarz vom Bundesverband Wissenschaftlicher Vogelschutz beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit Windkraftanlagen im Wald und erklärte wie und warum die Konflikte überhaupt entstehen. Er wies auf Lücken im Bewilligungsverfahren für die Anlagen hin. Zudem bezieht er sich auf die Fachagentur Windenergie (FA Wind), die sich sehr wohl bewusst ist wie viel Forschung es noch geben muss. Vor dem Hintergrund wirft auch er die These auf, “ob es notwendig ist, einen Moment inne zu halten, um über die Veränderungen nachzudenken, die erforderlich sind, um Konflikte zwischen Natur und Windenergie angemessen zu mildern.” Er erklärt: “Diese Frage ist natürlich rhetorisch: Wir hätten den weiteren Ausbau der Windenergie im Wald längst einstellen und von einem soliden wissenschaftlichen Verständnis der tatsächlichen Auswirkungen auf Arten und ihre Lebensräume sowie der Entwicklung praktischer Präventionsmaßnahmen abhängig machen müssen.”

Paula Byrne von Wind Aware Ireland, warf einen Blick nach Irland, wo Windenergie auch diskutiert wird und präsentierte vier Fallstudien, in denen Windenergie beziehungsweise deren Infrastruktur negative Auswirkungen auf die Natur hatte. Ebenso kam sie auf eine neue Studie des University College Cork zu sprechen. In dieser kam erhaus, dass die Populationsdichte in Bezug auf die Gesamtvogelpopulation in der Nähe von Windparks geringer war. In ihrer Darstellung sind die irischen Behörden Teil dieses Problems, weil sich niemand um die teils immensen Schäden kümmern würde, die wohl als Kollateralschäden abgetan werden. Genauso kritisch sieht die die Umweltschutzorganisationen vor Ort, die “komplett ideologisch getrieben” wären und sich keinen Deut für die wissenschaftlichen Ergebnisse interessieren würden.

Roter Milan | Foto: BVA, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die drei Experten zeigen klar, dass in der Diskussion etwas schief läuft. Ideologie steht über Wissenschaft und die Windenergie wird durchgeboxt komme was da wolle. Die Lobby in diesem Bereich ist sehr stark und versteckt sich hinter ökologischen und wirtschaftlichen Versprechungen, die sie nicht halten kann. Windkraftanlagen sind Teil des Problems, wenn man über Insektensterben, Waldsterben und Artensterben generell spricht. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind eindeutig und statt zu versuchen diese klein zu reden, was aktuell die Strategie ist, könnte die Windkraftlobby auch ein Teil der Lösung zu werden, indem sie sich diesen Problematiken stellt.

Die Blockadehaltung geht aber auch ganz hoch bis in die deutsche Politik: Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wollte nicht im Bereich des Insektenschutzes forschen, als es darum ging, die Auswirkungen von Windenergie auf die Populationen genauer zu beleuchten, obwohl die Deutsche Wildtier Stiftung die Hälfte der Kosten übernommen hätte. Das zeigt, auf welche Blockadehaltung die Wissenschaftler stoßen – aber nicht nur seitens der Politik, sondern auch seitens der Medien. Diese machen sich teils sogar zum ausführenden Organ von NGO-inspirierten Schmierenkampagnen gegen andere Journalisten, Experten oder Wissenschaftler. Die Alternative dazu scheint die völlig Ignoranz der Ergebnisse zu sein, die man zum Beispiel im Zusammenhang mit diesem Seminar in Berlin in weiten Teilen der Presse erlebte.

Wie geht es weiter?

Die Forschung hat der Welt ziemlich deutlich die Aufgabe gestellt, zerstörte Lebensräume im Wald wieder herzustellen – das sei die bei Weitem die effektivste Form von Klimaschutz. Vor dem Hintergrund könnte man sich den Vorschlag von Klaus Richarz durchaus leisten, um an den bestehenden Anlagen erstmal besser und deutlicher zu forschen bevor man weiter auf Basis nicht hinreichend umfassender Forschung neue Windkraftanlagen – besonders im Wald – bewilligt. Klimaschutz funktioniert nur international und bei einem Land, wie Deutschland, das unter 3% Anteil an dem weltweit ausgestoßenen CO2 hat, kann ein Windkraftausbau auch wenig helfen, wenn man ihn weiter auf dem Rücken von Lebensräumen mit bedrohten Arten austrägt. Vor dem Hintergrund ist der Appell für mehr Forschung und auch Wahrnehmung dieser, der dieses Seminar nach außen transportiert, ein wichtiger Anstoß.

Die Probleme aus Irland kennt man auch in Deutschland, wenn man sieht wie gut “vernetzt” mache Umweltorganisation mit Energieversorgern ist:

Klimawandel: Umweltschützer und Energieanbieter gut vernetzt

Allerdings ist das sicher nicht bei allen NGOs im Deutschland der Fall. Im NABU etwa gibt es durchaus Vertreter, die auch die Windkraftlobby offen attackieren, wenn es um den Schutz von Tieren und ihren Lebensräumen geht:

Brütendes Rotmilan-Weibchen in Deckbergen wurde vergiftet

Die Eisgraue Fledermaus hat massiv unter Windkraftanlagen zu leiden. | Foto: Daniel Neal, Lizenz: CC BY 2.0

Man muss natürlich sehen wie sich das nun weiter entwickelt, denn das Thema Windenergie ist differenziert zu betrachten. Was sicher nun aber nicht mehr funktioniert, ist sie als Allheilmittel zu präsentieren, denn die Schattenseiten sind aktuell immens und nicht wegzudiskutieren. Mit der Aufforstung haben wir zudem ein deutlich besseres Mittel gegen den Klimawandel an der Hand, der den geschädigten Vogel-, Fledermaus- und Insektenpopulationen, besonders im Wald natürlich sogar gut tut, statt hier Kollateralschäden in Kauf nehmen zu müssen. Moderne Zoos und Aquarien bringen sich massiv an der Seite weiterer Natur- und Artenschützer, wie dem NABU, in den Schutz der Wälder, aber natürlich auch der Vögel, Fledermäuse und Insekten ein – das bringt aber wenig, wenn ein weiterer Windkraftausbau diese Bemühungen torpediert.

Das Titelbild unseres Artikels dokumentiert, laut Bildbeschreibung, den “Fund eines Rotmilans (Milvus milvus), der als Windkraftopfer nur 25 m von der westlichen Windkraftanlage bei Arnsberg-Kirchlinde (HSK, NRW) lag. Eine Untersuchung in der Außenstelle des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Westfalen bestätigte, dass der Milan durch eine massive Schlagverletzung starb.” Global ist der Rotmilan als “Near Threatened” klassifiziert, aber lokal brauchen einige Bestände dringend Schutz, um nicht auszusterben.

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