Die Ameca-Elritze (Notropis amecae) konnte dank verschiedenen Fischhaltern (unter ihnen auch Zoos) vor dem endgültigen Aussterben bewahrt werden. | Foto: zoos.media

Anti-Zoo-Hetze: ttt zitiert Robert Marc Lehmann

Exklusiv für zoos.media – 29.08.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

Die ARD-Sendung “ttt – titel, thesen, temperamente” verbreitet Fake News. Unter Bezug auf Robert Marc Lehmann werden Rezipienten massiv falsch informiert.

ttt zitiert Robert Marc Lehmann

Die Zeiten in der “ttt – titel, thesen, temperamente” als eine seriöse Kultursendung anzusehen war, sind leider vorbei. Jetzt verbreitet die Sendung, die zu später Zeit in der ARD ausgestrahlt wird, sogar Fake News. Sie zitiert dabei Robert Marc Lehmann:

Das ist nachweislich falsch.

Moral- und Wertevorstellungen?

Schwarzfußiltis – dank Zoos vor dem Aussterben bewahrt | Foto: Ryan Hagerty (U.S. Fish and Wildlife Service), Lizenz: public domain

Jetzt könnte man meinen, dass Robert Marc Lehmann im sprichwörtlichen Glashaus sitzt, wenn es um Moral und Werte ginge. Schließlich hat er sich damit geschmückt “Europas größtes Aquarium geleitet” zu haben, was nicht stimmte. Er bezeichnet sich nach wie vor als “National Geographic Fotograf des Jahres 2015”, obgleich das, laut National Geographic selbst, jemand ganz anderes war. Ob er vor dem Hintergrund nun eine Person ist, die sich über Moral und Werte auslassen sollte, kann man in Zweifel ziehen.

Zieht man es nicht in Zweifel, so fällt einem aber auch auf, dass er sich an der Moralkeule verhoben hat. Warum? Arten vor dem Aussterben zu bewahren, funktioniert nur mit Zoos und Aquarien. Das zeigt der One Plan Approach to Conservation der Weltnaturschutzunion (IUCN). Nur mit der Verbindung von Maßnahmen in und außerhalb des natürlichen Lebensraums, lassen sich Arten retten. Das ist so etwas wie das Einmaleins des Natur- und Artenschutzes.

Es ist also völlig egal, wie man persönlich zu Zoos und Aquarien steht – nicht zu nutzen, was sie leisten können, bedeutet Aussterben. Auch, wenn man – aus welchen Gründen auch immer – nicht an die Wirksamkeit einer Herzdruckmassage glauben würde, so wäre es nicht nur ein moralisches Verbrechen sie nicht als Hilfe zu leisten. Den eigenen Glauben als wichtiger zu sehen als das Überleben von Lebewesen, ist moralisch verwerflich.

“Niemand braucht Zoos zum Artenschutz.”

So richtig spannend wird es aber, als ttt durch die Verbreitung der Fake News, dass niemand Zoos zum Artenschutz brauche, gegen sämtliche Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verstößt. Klar, kann man Menschen zitieren, aber wenn sie etwas offensichtlich Falsches sagen, muss das eingeordnet und richtig gestellt werden. Dass dies einfach nicht wahr ist, erfährt man schnell, wenn man mal Artenschützer befragt. Zahlreiche Artenschutz-Organisationen unterstreichen die Wichtigkeit moderner Zoos und Aquarien.

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Die Liste ließe sich weiter fortführen. Die, die es also am Besten wissen sollten, brauchen Zoos und Aquarien. Zahlreiche Arten, die nur noch auf dieser Erde sind, weil Zoos sie gerettet haben, legen davon zudem ein lebendiges Zeugnis ab. Die Aussage ist also völlig abstrus und mit einem Minimum an journalistischen Einsatz zu widerlegen. Allerdings bringt ttt diesen Einsatz schlicht nicht. Von einem öffentlich-rechtlichen Medium kommt das einer Bankrott-Erklärung gleich. Niemand in der ttt-Redaktion muss Zoos mögen, aber sehr wohl fair über sie berichten. Unwidersprochen Fake News zu verbreiten, ist schlicht nicht fair.

ttt fällt auch auf Pseudo-Skandal rein

Massiv peinlich wird es dann, als ttt den angeblichen Skandal rund um die VdZ-Tagung im Stile von Hofberichterstattung für Robert Marc Lehmann reproduziert. Für den VdZ sei es “offenbar ein Problem”, dass von YouTubern Fehlinformationen über Zoos verbreitet würden. Gut, dass ttt offenbar kein Problem mit Fake News hat, hat das Medium ja hinreichend in diesem Post bewiesen, es soll aber eben noch Institutionen geben, denen Wahrheit durchaus ein Anliegen ist – gerade auch, wenn man den Bildungsauftrag ernstnimmt.

Haben Zoos eine “Anti-Influencer-Strategie”?

Dass ttt hier das falsche Framing einer “Anti-Influencer-Strategie” mitgeht, zeigt nur mangelhafte Recherchearbeit. Richtig platt wird es dann aber noch, als ttt fragt: “Wie ist eure Haltung zu Zoos?” Nun, wie werden die Leute wohl antworten, nach dieser Parade von Fake News? Richtig, die meisten gehen der Hetze gegen Zoos natürlich auf den Leim. Sie bringen dem öffentlich-rechtlichen Format offenbar Vertrauen entgegen. Die Berichterstattung zeigt aber sehr deutlich, dass dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt ist.

Robert Marc Lehmann ein Zoo-Kritiker?

Der Zimtkopfliest (Todiramphus cinnamominus) hat nur durch Haltung in Menschenobhut überlebt. | Foto: dw_ross, Lizenz: CC BY 2.0

Offenbar kennt ttt die Veröffentlichungen von Robert Marc Lehmann nicht gut, wenn behauptet wird, dass er sich wirklich “kritisch mit zoologischen Gärten auseinandergesetzt hat“. Jemand, der “Until every cage is empty” in seine Insta-Story schreibt oder den Hashtag “fuckzoosandaquariums” benutzt, artikuliert sehr deutlich Zerstörungswillen. Dabei geht es nicht um Kritik. Es ist auch abstrus, das zu behaupten. Kritik bedeutet, differenziert und sachlich auf Basis von Fakten zu argumentieren, um eine Verbesserung herbeizuführen – das kann man ohne jeden Hass oder gar Hetze gegen Zoos tun. Kritik bedeutet nicht, in einem Zerstörungswillen mit Fehlinformationen und Pseudo-Skandalen zu rotieren.

Dass ttt sich hier zum Multiplikator macht, offenbart letztendlich keine Wahrheit über Zoos, aber sehr wohl unbequeme Wahrheiten über den Zustand der Redaktion. Es fehlt jede kritische Distanz, jeder Wille zur Prüfung von Aussagen und letztendlich bleibt nur eine Parade von Fehlinformationen. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Mehrheit der Deutschen den aktuellen Rundfunkbeitrag als zu hoch ansieht. Mit Journalismus hat so etwas überhaupt nichts zu tun. Das kommt vielmehr einer Bankrotterklärung gleich.

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