Kurzschwanz-Grünkitta (Cissa thalassina) im Zoo Praha | Foto: Václav Šilha, Lizenz: CC BY-SA 4.0

SWR2 Wissen: Lächerliche Hetze gegen Zoos

Exklusiv für zoos.media – 06.04.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

“Ist der Zoo noch zeitgemäß?”, fragt der SWR und lässt sich von Volker Sommer Antworten liefern. Diese Antworten sind allerdings falsch und der Artikel zeigt warum das so ist, um über die tatsächlich richtige Antwort aufzuklären: Ja, moderne, akkreditierte und zertifizierte Zoos und Aquarien sind zeitgemäß und sogar das Gebot der Stunde.

SWR2 Wissen: Lächerliche Hetze gegen Zoos

SWR2 Wissen fragt, ob Zoos noch zeitgemäß sind. Schon die Frage ist vermessen: in einer Zeit, in der es umfassenden Schutz von Tieren, ihren Arten und ihren Lebensräumen dringen braucht, um diese vor der Ausrottung zu bewahren, müsste man solche Einrichtungen erfinden, wenn man sie noch nicht hätte.

Nun lässt der SWR2 den Primatologen Volker Sommer zu Wort kommen. Er wird sehr gerne von der Tierrechtsindustrie zitiert. So unter anderem von Great Ape Project im Fall Bili, wo er mehr als mangelhafte Kenntnisse im Bereich von Bonobos und ihrer Haltung extrovertierte, was den Zoogegnern natürlich recht war und weshalb sie diese Bankrotterklärung, die nicht die Situation des Tieres tatsächlich reflektierte, veröffentlichten. Zum Glück hat der Zoo Wuppertal sich auf seine Expertise und die von vielen anderen Zoos und Experten, die ihm mit Rat und Tat zu Seite standen, verlassen können, was Bili nun ein Leben mit der Gruppe ermöglicht. Seine Eingliederung ist noch nicht komplett abgeschlossen, aber weitere Teilerfolge konnten gefeiert werden, die es für das Tier nie gegeben hätte, wenn man den Unkenrufen aus der Tierrechtsindustrie gefolgt wäre.

Bildung

Der offensichtliche Zoogegner gesteht den Zoos und Aquarien zwar ein, dass Bildung im Einzelfall gelingen möge, “[d]ie Masse hingegen lernt gewiss nichts Nachhaltiges über die Biologie der Exponate oder ihrer Habitate.” Davon ausgehend, dass er mit der pejorativ bezeichneten “Masse” die Besucher meint, muss man konstatieren, dass die Wissenschaft ihn widerlegt. Es ist gut erforscht, dass Edukation im Zoo funktioniert.

Zoo-Edukation funktioniert!

Edukation: Zoos können das Verhalten ihrer Besucher ändern

Studie zu theaterbasierter Edukation in Zoos

Der SWR informiert seine Leser nicht darüber, dass Sommer hier also erwiesenermaßen Zoogegner-Märchen erzählt, die wissenschaftlich nicht haltbar sind, sondern lässt das unkommentiert stehen. Wie passt das zum Bildungsauftrag öffentlich-rechtlicher Sender? Man kann nicht einerseits selbst einen Bildungsauftrag haben, aber dann auf den eigenen Seiten solche Lügen zulassen. Sommer behauptet sogar ausdrücklich, dass “keine belastbare Studie positive Wirkungen [hätte] belegen können”. Das ist einfach gelogen und falsch. Dass er dann noch den Zoos Desinformation vorwirft, ist an Lächerlichkeit sogar so extrem, dass man lachen könnte, wenn die Thematik nicht so ernst wäre.

Artenschutz

Der Schwarzfußiltis (Mustela nigripes) wurde auch durch die Arbeit von Zoos gerettet. | Foto: Kimberly Fraser / USFWS Mountain-Prairie, Lizenz: CC BY 2.0

Kaum überraschend ist es, dass Volker Sommer nicht von der Hand zu weisende Erfolge ignoriert. Viele Arten konnten durch moderne Zoos und Aquarien gerettet werden – in der Argumentation von Volker Sommer wird deren Existenz nicht erwähnt. Stattdessen beschränkt er sich nur auf das Thema Zucht, was ein ganz kleiner Teil des Artenschutz-Engagements moderner Zoos und Aquarien ausmacht. Natürlich wird auch das falsch von ihm dargestellt. Zucht mache man ja nur aus Eigeninteresse, lügt Sommer seiner Leserschaft ins Gesicht und schreibt: “Durch Zucht von Sumatra-Tigern, Panzernashörnern, Netzgiraffen oder Doppelhornvögeln werden die Zoos selbst zu vornehmlichen Profiteuren.” Das ist natürlich falsch.

Bei all den Irrtümern, nehmen wir mal beispielhaft die Panzernashörner als Startpunkt. Panzernashörner sind exzellente Botschafter für ihre Art und den Lebensraum, den sie bewohnen. In Zoos werden sie gezüchtet – Basel ist hier absoluter Vorreiter mit 35 Geburten. Knapp 200 Tiere leben weltweit in 69 Institutionen, der Naturbestand wir auf unter 3.500 Tiere geschätzt. In Basel kommt die Haltung dem Schutz dieser Tiere zu Gute: “Der Zoo Basel unterstützt seit vielen Jahren das Projekt „Indian Rhino Vision 2020“, welches sich für den Erhalt und den Schutz der Panzernashörner in verschiedenen Naturschutzreservaten in Assam (Indien) einsetzt.” Ansatz des Projektes ist Nashörner von übervölkerten Gebieten in Gebiete zu bringen, wo sie züchten können und so werden die Bestände unterstützt – hierbei helfen Erkenntnisse zu Immobilisierung, Transport und Pflege von Panzernashörnern, die maßgeblich in Zoos gewonnen wurden. Die International Rhino Foundation als Träger dieses Projektes arbeitet weltweit mit über 50 Zoos als Partner zusammen und betonen: “wir sind unglaublich dankbar für ihre Unterstützung”.

Man kann also vermuten, dass die echten Artenschützer es besser wissen als ein fragwürdiger Primatologe aus Deutschland, dem der SWR erlaubt, solche haltlosen Thesen in die Welt abzulassen, aber bleiben wir noch ein bisschen bei Nashörnern. Wie Zucht im Zoo den Artenschutz in der Natur unterstützt, sehen wir nämlich zusätzlich noch am Sumatra-Nashorn. Dank des Cincinnati Zoo konnte die Reproduktion der Tiere entschlüsselt werden, was die Chancen auf Überleben der Art deutlich erhöht:

Reproduktion des Sumatra-Nashorns entschlüsselt

Forschung

Schimpansenfamilie klettert gemeinsam im Pongoland im Zoo von Leipzig | Foto: Frank Vincentz, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Bewusst beledigend wird es dann zu diesem Thema: “Obwohl Zoos mit dem Markenzeichen “Forschung” hausieren, ist sie bestenfalls Beiprodukt und schlimmstenfalls Feigenblatt. Hiermit das Unternehmen per se rechtfertigen zu wollen, gleicht Hochstapelei.” Sommer selbst ist Professor für evolutionäre Anthropologie am University College London (UCL) – er weiß es in Wirklichkeit wahrscheinlich besser, wenn er sich in diesem Bereich mit wissenschaftlicher Literatur beschäftigt, was er tun sollte, denn sonst müsste das UCL mal über seine Anstellung stark nachdenken. Das renommierte Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie kooperiert mit dem Zoo Leipzig. Beide bauten nämlich das Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrum auf – den Zoobesuchern besser unter dem Namen “Pongoland” bekannt.

“Das Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrum (Pongoland) ist ein Projekt des Max-Planck-Institutes für evolutionäre Anthropologie und arbeitet zusammen mit dem Zoo Leipzig. Die Forschung konzentriert sich in erster Linie auf Verhalten und Wahrnehmungsfähigkeit (Kognition) der vier Menschenaffenarten: Schimpanse (Pan troglodytes), Gorilla (Gorilla gorilla), Orang-Utan (Pongo pygmaeus) und Bonobo (Pan paniscus).” – Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

Aber auch über das angebliche Fachgebiet von Volker Sommer hinaus, sind Zoos von echten Experten als wichtige Forschungszentren bekannt und anerkannt. Zoos.media konnte selbst mit Forschern zu diesem Thema sprechen. Hier drei Videos mit Forschern, die wirklich Ahnung von der Materie haben und das völlig anders sehen:

Also keine Spur von Hochstapelei – moderne Zoos und Aquarien sind ganz zweifelsohne Orte der Forschung und leisten einen wichtigen Beitrag zu ganz verschiedenen Fachgebieten – unter anderem auch für evolutionäre Anthropologie. Wenn man also mal unterstellt, dass sich der Professor mit dem eigenen Fachgebiet auskennt, ist es schon fragwürdig, dass jemand so Forschungsarbeit, die ihm eigentlich präsent sein muss, ignoriert. Letztendlich ändert Sommers offensichtliche Ignoranz aber an der Realität nicht: Forschung ist eine Säule des modernen Zoos.

Erholung

Besucher bewundern das Aquarium des Burgers’ Zoo. | Foto: Manfred Morgner (ka-em-zwei-ein), Lizenz: CC BY-SA 3.0

Nach dem Schutz von Tieren, ihren Arten und ihren Lebensräumen, sowie der Forschung und der Bildung steht, auch Erholung auf der Prioritätenliste von Zoos – die Menschen sollen sich wohlfühlen. Warum ist das wichtig? In einem positiven Umfeld beschäftigen sich Menschen in ihrer Freizeit eher mit den wichtigen Themen, die einem Zoo am Herzen liegen. Man muss bedenken, dass ein Zoo ein Freizeitort ist, bei dem man erst Überzeugungsarbeit leisten muss, dass Menschen etwas lernen. Dass dieses System aber gut funktioniert, haben wir oben bereits wissenschaftlich belegt.

Volker Sommer sieht das natürlich ganz negativ und zieht es in den Schmutz: “Die Zielvorgabe “Erholung” dient lediglich unseren Lüsten. Wenn wir also um unserer Entzückung willen auf gefangene Tiere starren, werden die schlicht instrumentalisiert, objektiviert und ausgebeutet.” Das zeugt erneut von großem Unverständnis, denn wie gesagt sind die primären Ziele des modernen Zoos Schutz, Forschung und Bildung. Deshalb sind die Tiere da. Dass man das natürlich mit Erholung verbinden kann, ist ein toller Nebeneffekt, den man nutzen sollte, um starke Standortvorteile zu generieren. Das nützt letztendlich nämlich auch den Kernanliegen, weil sie so besser umgesetzt werden können, wenn mehr Besucher kommen.

Es hat Methode, dass Zoogegner das Edutainment-Konzept nicht verstehen wollen, obwohl es klar ist, dass ein Zoo nur mit vielen Besuchern auch die Schutz-, Bildungs- und Forschungsarbeit leisten und finanzieren kann, die es braucht, um Arten zu retten. So etwas finanziert sich nicht aus Luft und Liebe, sondern eben auch mit Geld und das muss verdient werden. Moderne Zoos und Aquarien beweisen, dass es sich eben gerade nicht ausschließt einen attraktiven Zoo zu betreiben und enorm im Bereich des Artenschutz aktiv zu sein. Ein hervorragendes Beispiel ist der Erlebnis-Zoo Hannover mit den Drills:

Die erwähnte Soforthilfe für die Auffangstationen kann es nur geben, wenn die zoologische Einrichtung stabil gut dasteht. Ohne entsprechend solvente Zoos hätten diese wichtigen Einrichtungen entweder für eine lange Zeit oder ganz schließen müssen. Was wäre dann aus den Drills geworden, die der Verein nun wieder retten und ihnen ein neues Zuhausen schenken kann? Sie wären vermutlich am Leid ihrer Situation erstickt. Dank Rettet den Drill e.V. und der Soforthilfe des Zoos in Hannover leben diese Tiere aber nun ein besseres Leben und blicken nicht dem heraneilenden, brutalen Tod ins Auge.

SWR und Zoos

Asiatischer Elefant im Zoo Karlsruhe (2009) | Foto: H. Zell, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Das Verhältnis zwischen Zoos und dem SWR ist manchmal doch recht kurios. Auf der einen Seite erlebt man so eine Berichterstattung wie im Zusammenhang mit Herrn Sommer. Hier wird ein Mensch in den Mittelpunkt gestellt, der ganz offensichtlich und nachweisbar fehlinformiert. Das kann man im Angesicht der Beweise, die wir jetzt hier vorbrachten, auch nicht leugnen: mit dem Artikel verbreitet der SWR nachweisbare Unwahrheiten über moderne Zoos und Aquarien. Report Mainz, die damals federführend bei der Lügen-Kampagne rund um das manipulierte Material aus dem Erlebnis-Zoo Hannover waren, ist auch ein SWR-Format. Hier gibt es andauernd fragwürdige Kooperationen mit der Tierrechtsindustrie.

Auf der anderen Seite ist es ja nicht so, dass der SWR sich in kompletter Unkenntnis der Wahrheit und in einer Ermangelungssituation von Experten befände. Mit Dr. Matthias Reinschmidt wird ja im Rahmen des Formates “Elstners Reisen” wichtige Naturbildung vermittelt und der Karlsruher Zoodirektor kann ja im Zoo selbst jeden einzelnen Punkt von Sommer widerlegen, eben weil er dort so exzellente Arbeit macht, die nichts mit dem erlogenen Bild von Zoos zu tun hat, das Sommer hier versucht zu zeichnen. Der SWR müsste nur einmal den Zoo besuchen und kann das spielend widerlegen. Dr. Reinschmidt macht Bildungsarbeit, ist aktiv im Artenschutz und betreibt Forschung mit seinem Zoo – es wurde sogar extra eine Stiftung dafür gegründet, die nichts anderes tut, als sich damit zu beschäftigen wie man Tiere schützt. Zu umfassendem Schutz gehört auch die Bildungs- und Forschungsarbeit ganz automatisch dazu.

Es wäre dem SWR anzuraten, mal wirkliche Experten zu befragen, die nicht mit manipulierten Filmchen und erlogenen Pseudo-Informationen aufwarten, sondern wirklich wissen, wovon sie reden und die das auch wissenschaftlich fundiert vertreten können. Der SWR macht sich ja auch letztendlich lächerlich, wenn er Artikel veröffentlicht, die so einfach zu widerlegen sind, weil es bereits seit Monaten Beweise dafür online zu finden gibt. Hätte der SWR, als Veröffentlicher des Artikels, nur kurz etwas in Recherche investiert, wäre dieser überflüssige, falsche und nachweislich fehlinformierende Artikel vielen Lesern, die letztendlich über die Gebühren für Qualitätsjournalismus auch Geld bezahlen, erspart geblieben.

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