Elefant im San Antonio Zoo in geschütztem Kontakt | Foto: Bigroger27509, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Zoo-Elefantin überlebt nur wenige Wochen in Sanctuary

Exklusiv für zoos.media – 10.05.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

Ein geriatrischer, weiblicher Elefant kam aus einem akkreditierten Zoo in ein Sanctuary der Tierrechtsindustrie. Sie überlebte den Transfer nur wenige Wochen.

Zoo-Elefantin überlebt nur wenige Wochen in Sanctuary

Die größte Gefahr für die Zoowelt selbst, aber auch für die Menschen und Tiere, die in ihr leben, ist wohl der Opportunismus bestimmter Zooverbände. Das kostet nicht nur Glaubwürdigkeit, sondern das kostet auch Leben. Nichole, auch Nicole oder Nicky genannt, war eine Elefantin, die seit 2016 im San Antonio Zoo in Texas lebte. Sie war 1980 in die Vereinigten Staaten gekommen, weil Ringling Bros. and Barnum and Bailey das 1975 geborene Tier einem Holz-Gewerbe abkaufte. In Myanmar, wo sie herkam, ist es gar normal, Elefanten als Nutztiere zu halten, ähnlich wie in Europa zum Beispiel Pferde – auch im Holz-Gewerbe.

Fragwürdige Kooperation

Der größte – wohl gemerkt nicht der einzige – Zooverband Nordamerikas, der allerdings auch darüber hinaus expandiert, AZA, hat sich schon vermehrt der Tierrechtsindustrie gegenüber offen gezeigt. Teil dieser “Politik der Addition” war die Zertifizierung der Tierqual-Haltung “The Elephant Sanctuary” (TES). Sie war und ist bekannt für außergewöhnlich schlechte Haltung von Elefanten weit unter den Standards moderner Zoologischer Gärten. Es wurde vor einigen Jahren von Carol Buckley gegründet. Leider reiht es sich ein in die Tierqual-Haltungen, die die Tierrechtsindustrie durch eine eigene Akkreditierung der Global Federation of Animal Sanctuaries (GFAS) greenswasht.

Was zeichnet diese Sanctuaries, vor denen seit Jahren gewarnt wird, aus? Beim TES war das früher eine No-Contact-Haltung (NC) und nun rühmt man sich mit einer Protected-Contact-Haltung (PC), wie dies alle AZA-Mitglieder auch tun. Das Problem bei diesem geschütztem Kontakt ist nur eben, dass es die Kooperation des Tieres voraussetzt. Das an sich ist ein eher geringes Problem, wenn die Beziehung zum Trainer stimmt, sodass auch im Krankheitsfall das Tier trotzdem zum Gitter kommt und sich behandeln lässt. Sicherer ist allerdings in jedem Fall das Management im freien Kontakt (FC) in so einem Fall. Daher wird die AZA zu Recht auch kritisiert, den freien Kontakt mit allen seinen Vorteilen so kategorisch abzulehnen.

Klare Fehler bei Nicky

Im San Antonio Zoo waren Nickys langjährige Begleiterinnen Karen und Lucky verstorben. Daher entschied man die alte Elefanten-Kuh ins TES – und das kann man nicht anders bezeichnen – abzuschieben. Man konnte das alte Tier wohl nicht mehr brauchen, weil sie natürlich bei guter Pflege den Umbau der Elefanten-Anlage schlicht blockiert hätte. Übergangsweise waren nun Trampeltiere die “Nachmieter” der Elefanten, die man auch als “Golden Girls” kannte. Nicky war zu diesem Zeitpunkt bereits chronisch fußkrank und litt an einer Knochenmarksentzündung.

Sie bei diesem Krankheitsbild in eine fremde Haltung zu bringen, ist für sich schon problematisch. Im PC ist die Fußpflege nicht nur deutlich aufwendiger, sondern es braucht auch mehr Zeit. Es ist absehbar, dass in einer neuen Umgebung ein chronisch fußkranker Elefant nicht wirklich eine große Motivation haben wird, sich von Fremden an den kranken Füßen behandeln zu lassen. Dazu kommt natürlich auch noch das schlechte Management des TES und die mangelnde erfolgreiche Erfahrung mit besonderen Pfleglingen.

Zum Sterben abgeschoben?

Afrikanischer Elefant im Okavango Delta | Foto: Birdman 1~commonswiki, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Es war wenig überraschend, dass ein solcher Elefant es in so einem “Sanctuary” wie dem TES nicht lange aushalten würde. Ein geriatrisches Tier braucht intensive Pflege von ausgewiesenen Experten. Im San Antonio Zoo oder einem anderen modernen Zoo hatte sie das und hätte sie auch weiter gehabt. Im TES wäre ihre Aussicht darauf mit dem Adjektiv “gering” noch euphemistisch umschrieben. Der Zustand muss sich schnell rapide verschlechtert haben oder schon der Transport hätte unter fragwürdigen Bedingungen stattgefunden.

Am 20. April 2023, also nur etwas mehr als einen Monat nach ihrem Transport, habe sich Nicky nicht mehr auf den Beinen halten können und man habe sie einschläfern müssen. So zumindest berichtet es das TES. Weiterhin wird behauptet, der Grund dafür seien die schwere Fußerkrankung, fortgeschrittene degenerative Gelenkerkrankung und ein großer Bauchtumor gewesen. Man stellt die Ergebnisse einer Nekropsie in Aussicht. Ob man jemals seriöse Ergebnisse erwarten kann, ist fraglich, hat das TES es immer gut verstanden, sein eigenes Versagen zu verdümpeln.

Die große Frage ist: War das von Beginn an der Plan? Man gibt ein altes, krankes Tier in eine Institution, die nicht dafür bekannt ist, dass die Tiere dort sonderlich lange überleben. Zwei Drittel der bisher aufgenommenen Tiere sind schließlich bereits verstorben, obgleich das Sanctuary noch gar nicht mal sehr alt ist. Ein Zoo mit solch einer Bilanz stünde schon längst öffentlich am Pranger der Tierrechtsindustrie. In solche Institutionen wie dem TES bringt man kein Tier damit es lebt. Ähnliche Beweggründe kann man ja auch bei dem Thema Lolita sehen.

Bemerkenswerte Bilanz

Schaut man sich an, wie lange die Tiere nur im TES überleben, ist es bemerkenswert wie kurz.

  • Delhi (1946-2008) – rund 5 Jahre
  • Shirley (1948-2021) – rund 22 Jahre
  • Lota (1951-2005) – weniger als 0,5 Jahre
  • Bunny (1952-2009) – rund 10 Jahre
  • Liz (1957-2015) – rund 9 Jahre
  • Queenie (1959-2008) – rund 5 Jahre
  • Dulary (1963-2013) – rund 6 Jahre
  • Misty (1963-2016) – rund 12 Jahre
  • Lottie (1965-2010) – rund 4 Jahre
  • Barbara (1966-2001) – rund 5 Jahre
  • Frieda (1966-2015) – rund 9 Jahre
  • Winkie (1966-2017) – rund 17 Jahre
  • Rosie (1969-2016) – rund 1 Jahr
  • Tina (1970-2004) – rund 1 Jahr
  • Jenny (1972-2006) – rund 10 Jahre
  • Nichole (1975-2023) – weniger als 0,5 Jahre
  • Zula (1975-2009) – rund 5 Jahre
  • Hadari (1980-2017) – rund 2 Jahre
  • Ned (1987-2009) – rund 0,5 Jahre

Somit kann man von nur grob gerechnet rund 6 Jahren Lebenserwartung im TES im Durchschnitt ausgehen. Gemessen an den angeblich – aber natürlich nicht tatsächlich – so viel besseren Haltungsbedingungen, als im Zoo oder Circus, ist das erschreckend wenig, selbst, wenn man bedenkt, dass man sich eher um die betagteren Tiere kümmerte. Die Liste zeigt aber auch sehr deutlich, dass es eben nicht so war, dass die jüngeren Tiere jetzt bedeutend höhere Überlebenschancen gehabt hätten. Die Tiere aus den 1970er und 1980er Jahren überlebten im Schnitt nur rund 3 Jahre im TES und somit sogar noch weniger als der Gesamtdurchschnitt.

Pakt mit dem Tod

Elefanten-Schädel in Tanzania | Foto: Laika ac, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Wer Elefanten also in dieses Sanctuary bringt, hat nicht die Intention, dass sie ein langes, schönes Leben haben. Es ist sehr deutlich, dass ihr möglichst schnelles Ableben ins Visier genommen wird. Man will sie los werden und die Tierrechtsindustrie bietet diesen “Service”, weil sie einfach inkompetent genug ist, dass die Tiere es nicht lange überleben. Dass die AZA so etwas zertifiziert und auch noch goutiert, dass Mitgliedszoos so etwas betreiben, schadet allen Mitgliedern des Verbandes. Es entwertet vor allem jede durchgeführte Akkreditierung und Zertifizierung.

Wer Elefanten in Zoos halten will, übernimmt eine Verantwortung für ein außergewöhnliches langes Leben. Tiere im Alter in solche Tierqual-Sanctuarys abzuschieben, um sie möglichst schnell und einfach loszuwerden, ist würdelos für alle Beteiligten. Auch der Zoo Knoxville ist ja gerade im Prozess seine Elefanten ins TES abzuschieben. Ihnen wird wohl kein langes Leben beschieden sein, wenn sich der Trend fortsetzt. Die Tiere sind Ende 30 bis Mitte 40, dass sie die 50 erleben, ist eher unwahrscheinlich und hätte viel mit Glück zu tun.

Ohrenbetäubendes Schweigen

Laut PETA können Elefanten bis zu 70 Jahre alt werden. Die tatsächlichen Lebenserwartungen sehen freilich anders aus. Dass dies, was die Tierrechtsindustrie von Zoologischen Gärten verlangt, im TES aber nicht einmal unter rund 30 Tieren geglückt ist, scheint Tierrechtler dann aber plötzlich nicht mehr zu stören. Es ist ja nicht so, als hätte man nicht schon Tiere aufgenommen, die die Chance gehabt hätten, heute 70 zu sein. Lota aber zum Beispiel hat man ja nicht mal ein Jahr am Leben halten können. Wenn sowas aber passiert, ist die Tierrechtsindustrie ganz schön ruhig. Tiere wie Lota, Nicky und andere Elefanten sind ja sehr offensichtlich keine Einzelfälle.

Aber nicht nur die Tierrechtsindustrie schweigt, auch die übrige Zoowelt. Gerade die AZA, die sich mit ach so hohen Tierschutz-Standards rühmt, hat wohl Probleme mangelnden Tierschutz bei der Tierrechtsindustrie anzukreiden, der sie sich gerade schamlos anbiedert. Natürlich wird das TES nicht nur von der Tierrechtsindustrie greengewasht, sondern auch von der AZA durch diese völlig lächerliche Zertifizierung. Seit Jahren hört man von der AZA, dass man schlechte Tierhaltungen ausmerzen will: so greift man neben Privathaltern, auch mal nicht von der AZA akkreditierte Zoologische Gärten an. Zuletzt hatte man sich aber beim Pittsburgh Zoo eine blutige Nase geholt:

“Der Zoo Pittsburgh ist Weltklasse und so interessiert es uns nicht, wenn eine einzige, wichtigtuerische Organisation uns kritisiert”

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