Okapi im Grünen Zoo Wuppertal | Foto: zoos.media

Zoos & Artenschutz: Quarks veröffentlicht Quark

Exklusiv für zoos.media – 21.12.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

Das WDR-Format Quarks verbreitete eine Liste von Pro- und Contra-Argumenten zu Zoos. Die Contra-Argumente halten keiner seriösen Prüfung stand und werden auch nicht durch die angegebenen Quellen gestützt.

Zoos & Artenschutz: Quarks veröffentlicht Quark

Es ist bemerkenswert wie wenig sich die Medienmarke Quarks an ihren Auftrag als Teil des öffentlichen Rundfunks gebunden fühlt. Das vom WDR betriebene Magazin ist einerseits fähig seriös zu berichten und andererseits, solche Kacheln zu veröffentlichen:

 

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Fast alle Contra-Argumente desinformierend oder falsch

Schwarzfußiltis – dank Zoos vor dem Aussterben bewahrt | Foto: Ryan Hagerty (U.S. Fish and Wildlife Service), Lizenz: public domain

Schon das erste Argument gegen Zoos ist – vermutlich absichtlich – nicht nachvollziehbar ausgedrückt. “Nur” 15% der bedrohten Landwirbeltiere würden in Zoos gehalten. Die Formulierung würde bedeuten, das von der absoluten Anzahl bedrohter Tiere 15% in Zoos oder Aquarien zu finden wären. Woher man diese Zahl haben will, ist unklar. Meint man tatsächlich Landwirbeltierarten? Wenn dem so wäre, hat das gar keine Aussagekraft: bedrohte Arten leben nicht nur an Land, sondern auch im Wasser und semiaquatisch.

Umsiedlung ist auch nicht “oft erfolgreicher” als die Anwendung des von der IUCN vorgeschlagenen One Plan Approach. Eine Umsiedlung kann sogar Arten gefährden – ein gutes Beispiel ist die Invasiv-Population von Koalas auf Kangaroo Island, die dort bedrohte Arten in ihrem Bestand gefährden. Invasiv-Populationen des von der IUCN als NT klassifizierten Himalaya-Tahrs verdrängen andere Tiere und zwar so, dass sie in Neuseeland als Bedrohung für die heimische Fauna und Flora begriffen werden.

Demgegenüber gibt es sehr gute Erfahrung mit dem Einfangen, Züchten und schließlich Auswildern von Arten, die vor der Ausrottung standen. Der Schwarzfußiltis ist ein besonders putziges Beispiel und das Przewalski-Pferd ein besonders berühmtes.

Signifikant anderes Verhalten ein Problem?

Numbat im Perth Zoo – der Zoo spielt eine wichtige Rolle im Schutzprogramm für diese Art. | Foto: Helenabella, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Ebenfalls ein Contra-Argument soll der Umstand sein, dass sich Zootiere – übrigens nicht, wie behauptet, erst über Generationen – an das Leben im Zoo oder Aquarium anpassen. Natürlich passen sich zum Beispiel die Przewalski-Pferde an das Leben im Zoo an. Hat das ihre Auswilderung verhindert? Nein. Dass Tiere anpassungsfähig sind, sorgt für evolutionären Erfolg der Art. Anpassung ist natürlich. Für das Tier entsteht daraus, bei seriöser Haltung, kein Nachteil.

Zoologische Gärten haben in vielen verschiedenen Projekten gezeigt, dass es aus dem Zoo sehr gut wieder in die Natur geht. Ein aktuelles Beispiel sind zum Beispiel die ausgewildeten Lear-Aras, die sich nun auch in der Natur fortpflanzen. Es gibt viele weitere Beispiele weltweit, über die nicht nur zoos.media regelmäßig berichtet. Man sollte von einem öffentlich-rechtlichen Medium durchaus erwarten können hier die nötige Recherchearbeit zu investieren.

Besonders befremdlich ist, dass Quarks dies ja schon mal getan hat. Es ist ja nicht so, als hätte man dort noch nie zum Thema recherchiert oder würde immer nur Falsches über Zoos und Aquarien verbreiten. Daher ist diese Aufstellung auch so befremdlich. Man hat eigentlich bewiesen, dass man es besser weiß, aber man ignoriert einfach Fakten, die zu kennen man eigentlich nachgewiesen hat.

Nur einen geringer Bruchteil in Natur- & Artenschutz?

Borneo-Orang-Utan-Baby Kendari im Tiergarten Schönbrunn in Wien | Foto: zoos.media

Dass Quarks versucht darzustellen, dass der Beitrag der Zoologischen Gärten gering wäre, verkennt die Realität. Die Mitglieder der WAZA, die längst nicht alle Zoos und Aquarien weltweit umspannt, geben zusammen rund 350.000.000$ pro Jahr für Naturschutzmaßnahmen in situ aus. Das macht sie zu den drittwichtigsten Beitragenden zum weltweiten Naturschutz. Damit ist ja aber nur die In-Situ-Naturschutzarbeit beziffert. Zoos & Aquarien machen aber viel mehr.

Die Ex-Situ-Arbeit lässt sich allerdings nur schwer in Geld ausdrücken. Was ist der Nachwuchs einer seltenen Art wert? Die Nachzucht eines Orang-Utans zum Beispiel hat den Wert 0€. Obwohl das Tier also keinen Geldwert besitzt, ist es natürlich für die Reservepopulation für die jeweilige Unterart von riesigem Wert. Der drückt sich aber nicht in Zahlen aus.

Wissenschaft ist die Basis von Natur- und Artenschutz. Was ist eine wissenschaftliche Erkenntnis wert, die nur dank Zoos und Aquarien möglich wurde, und dabei hilft die Art zu retten? Man kann auch das nicht beziffern. Also neben dieser großen Menge Geld, die direkt in die Natur fließt, passiert auch viel in den zoologischen Institutionen selber, was gar nicht mit einberechnet wird. Man kann gewisse Beiträge eben nicht in Zahlen ausdrücken.

Quellen fragwürdig

Nur dank Zoos gibt es heute noch Kalifornische Kondore. | Foto: Pacific Southwest Region U.S. Fish and Wildlife Service, Lizenz: CC BY 2.0

Natürlich nennt Quarks auch Quellen, wahrscheinlich um die vorgebliche Wissenschaftlichkeit zu unterstreichen. Unter anderem wird hier der VDZ genannt, aber man meint vermutlich den VdZ, weil alle anderen Verbände, die sich VDZ abkürzen nicht die notwendige Expertise dazu besitzen. Kristen et al. (Biol. Conserv., 2008) bezieht sich nur auf Fleischfresser. Man verglich in der Studie die Auswilderung von Wildfängen und in Menschenobhut gezüchteter Tiere bezüglich auf ihr Überleben in der Natur. Der Grund, warum die meisten Tiere starben, waren menschliche Interventionen.

Die Studie ist sehr schlecht als Beleg, weil das Problem bei bedrohten Arten ja ist, dass man durch eine Auswilderung von Wildentnahmen die Zahl der Tiere in der Natur nicht erhöht. Man kann ja immer nur so viele wieder auswildern, wie noch da sind. Dazu werden die negativen Folgen der Translokationen nicht mit einbezogen. Hinzukommend bezieht sich die Studie bei ihren Daten nicht mal auf eine sonderlich große Gruppe aus der Tierwelt, sondern nur auf ein paar ausgewählte Raubtierarten. Diese Studie ist deshalb für einen Beleg der Aussagen gar nicht geeignet.

15% werden zum Fallstrick

Goldenes Löwenäffchen im Zoo Krefeld | Foto: zoos.media

Bei Conde et al. (2015) – ebenfalls als Quelle genannt –  hingegen findet man die oben genannten 15 Prozent richtig ausgedrückt, aber gar nicht als Gegenargument präsentiert: “Etwa jede siebte bedrohte Landwirbeltier-Art wird in Menschenobhut gehalten und ist eine Ressource für Ex-situ-Erhaltungsbemühungen.” Weiter erklärt man: “Insgesamt halten Zoos und Aquarien ungefähr jede siebte bedrohte Art (15 %), aber es ist wichtig, auch die Anzahl der gehaltenen Individuen zu berücksichtigen.”

Die Autoren erklären weiter: “Jeder Zoo kann jedoch einen größeren Naturschutzbeitrag leisten, indem er sich auf die Zucht einiger gefährdeter Zielarten spezialisiert, anstatt darauf abzuzielen, seine Artenvielfalt zu erhöhen, da die Spezialisierung den Zuchterfolg erhöht.” Man kann also gar nicht davon reden, dass die Studie die 15% in irdendeiner Weise negativ sieht oder gar als “nur” oder “zu wenig” beschreibt.

Quarks hätte die Studie vielleicht ganz lesen sollen, denn die Autoren schlussfolgern: “Angesichts des Ausmaßes der Biodiversitätsherausforderung ist es von entscheidender Bedeutung, dass Naturschutzbehörden und politische Entscheidungsträger das Potenzial berücksichtigen, das Zoos als globales Netzwerk bieten können.” Dafür, aus dieser Studie also ein Kontra-Argument zu basteln, braucht es viel Kreativität zur Desinformation.

Lügen über Bildungsarbeit

Die Desinformation geht aber im Text zum Beitrag noch weiter. “Und auch was die Bildung in Bezug auf Arten- und Naturschutz angeht, zeichnet sich ein eher gespaltenes Bild. Die Infos in Zoos tragen zwar zu mehr Verständnis für das Thema Biodiversität bei, ob daraus Veränderungen des eigenen Handelns folgen, ist aber fraglich.” Das ist schlicht gelogen. Es gibt Forschung zu Verhaltensänderung.

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Das “gespaltene Bild” entspringt also wahrscheinlich eher einer dichterischen Ambition des Autors. In Studien löst sich das nicht ein. Zudem muss man auch die Fortschritte bedenken, die die Zoopädagogik macht. Weltweit vernetzen sich Zoopädagogen, um sich miteinander immer weiter zu optimieren. Also die Tendenz in dieser Branche zeigt sehr deutlich hin zu einer kontinuierlichen Verbesserung. Dazu werden natürlich auch die technischen Möglichkeiten immer besser und Bildung Zoo zudem inklusiver.

Es ist also ein sehr fragwürdiges Bild, das Quarks hier vor allem von sich selbst zeichnet. Was unter den Contra-Argumenten von Zoos aufgelistet wird, ist sehr leicht und schnell zu widerlegen. Allerdings muss man da natürlich die Fakten für kennen. Vom durchschnittlichen Rezipienten kann man das nicht erwarten. Ein öffentlich-rechtliches Medium sollte aber seriöse Informationen verbreiten und nicht sich eine Welt machen, wie sie den jeweiligen Redakteuren offenbar gerade gefällt oder in den Kram passt.

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