Östliches Spitzmaulnashorn im Zoo Leipzig | Foto: Karbohut, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Zoos: Tiere einschläfern wegen Corona?

Exklusiv für zoos.media – 15.04.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Pläne für die Einschläferung von Zootieren in Neumünster hatten für Irritationen gesorgt, der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) veröffentlichte nun eine deutliche Klarstellung auf Twitter.

Zoos: Tiere einschläfern wegen Corona?

Die Äußerungen der Direktorin des Tierparks in Neumünster, Verena Kaspari, sorgte jüngst für Verwunderung: Der Zeitung Welt erläuterte sie, dass die Lage so dramatisch sei, dass sie für die Tiere in ihrer Verantwortung und Obhut Notfallpläne zur Schlachtung erstellt habe, um sie an andere Tiere verfüttern zu können. International hatte das die Wirkung eines medialen Erdbebens. Zahlreiche Artikel wurden veröffentlicht, unzählige Kommentare zeugten von Empörung über diese Äußerung.

Zooverband VdZ äußert sich deutlich

Flusspferd im Zoo Köln bei der Fütterung | Foto: Markus Sobotka (Fotografie Markus Sobotka)

Dieser “Vorschlag, Zootiere aufgrund finanzieller Einbußen während der Corona-Pandemie ggfls. zu töten, entspricht NICHT der Meinung des Verbandes der Zoologischen Gärten.” Volker Homes, Geschäftsführer des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ) erklärte ze.tt: “So, wie es der Tierpark Neumünster darstellt, wird es nicht passieren. […] Mit so einem Szenario ‚Gebt uns Geld oder wir töten unsere Tiere‘ sollte man weder in die Medien noch in die Politik gehen, so einen Druck wollen wir nicht aufbauen. Das ist Unsinn.

Auf einige Rezipienten wirkte die Äußerung der Tierparkdirektorin nämlich wie eine Form der Erpressung. Ob das an der Art der Berichterstattung der Zeitung Welt lag oder an den tatsächlichen Worten der Zoodirektorin lässt sich dabei von außen nicht herausfinden. Gerade in den Zeiten von Corona beklagen auch andere Experten und Wissenschaftler, dass ihre Äußerungen unzulässig verkürzt oder missverständlich in den Medien wiedergegeben werden. Daher war die Klarstellung durch den Verband nun ein wichtiger und notwendiger Schritt.

Wo liegt das Problem der Zoos?

Besucher bewundern das Aquarium des Burgers’ Zoo. | Foto: Manfred Morgner (ka-em-zwei-ein), Lizenz: CC BY-SA 3.0

Natur- und Artenschutz, sowie Forschung und Edukation gibt es nicht zum Nulltarif, sondern auch das muss finanziert beziehungsweise müssen die Gelder dafür erwirtschaftet werden. Seit Jahren geht die Politik dem Umstand aus dem Weg, Zoos und Aquarien mit ähnlich hohen Summen zu fördern wie man das bei anderen Kulturinstitutionen wie etwa Theatern und Museen bereits seit vielen Jahren tut. Zoologische Institutionen müssen, selbst, wenn sie von städtischer Seite mit getragen werden, sich zu einem Großteil bis teils zu 100% finanziell selbst tragen.

Über Winter kommen immer weniger Besucher und damit gibt es weniger Einnahmen. Dieses Defizit wird meist zu Ostern wieder eingefahren, weil die Leute in die Zoos strömen. Nun war Ostern und die Zoologischen Gärten waren leer. Dadurch entsteht ein massives Loch auf der Seite der Einnahmen, die Ausgaben aber können kaum heruntergefahren werden, denn die Tiere müssen bekanntlich versorgt werden und auch die Artenschutzprojekte müssen weiter laufen.

Man kann etwa ein Erhaltungszuchtprojekt nicht einfach einfrieren und später weiter machen. Ein echter Zoo ist eben keine Firma, die einfach die Produktion stoppen und die Leute entlassen oder beurlauben kann. Es geht in Zoos um das Überleben von Tieren, Lebewesen, die dringend Hilfe brauchen – daran ändert Corona nichts. Das Aussterben der Arten, legt keine Solidaritätspause wegen der Pandemie ein, sondern der Planet verliert weiter tagtäglich Biodiversität. Die Arten und die Natur müssen von Zoos und Aquarien also weiter geschützt werden.

„Wir haben das Gefühl, wir sind vergessen worden“

Die Seelöwen Lucia und Aileen sonnen sich im Zoo Berlin. | Foto: Katma0601, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Im Gespräch mit ze.tt erklärte Volker Homes weiterhin, dass man das Gefühl habe vergessen worden zu sein. Zwar gäbe es einen Rettungsschirm aber kommunal verwaltete Zoos und Aquarien könnten davon, aufgrund der Statuten des Rettungsschirmes, nicht profitieren. Daher arbeite man beim VdZ aktuell an “Finanzierungs- und Rettungsschirmen” wie der Verband auf Twitter mitteilte. Ein Brief des Präsidenten Prof. Jörg Junhold, der Direktor des Leipziger Zoos ist, blieb von der Politik bisher unbeantwortet.

Von den Äußerungen des VdZ abgesehen und um von dem berichtenden in einen kommentierenden Teil dieses Artikel überzugehen: Das Problem, dass sich die Politik immer wieder schwer tut, Zoos und Aquarien zu unterstützen, ist nicht neu. Der durch Tierrechtsorganisationen gestreute und durch Medien multiplizierte Hass gegen Zoos hat sicher auch einen Anteil daran, dass sich die Politik schwerer tut, Artenschutz-Arbeit der Zoos mit notwendigen Millionen zu fördern als die nächste Dekontextualisierung einer Wagner-Oper auf der Bühne eines Stadttheaters vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs, was künstlerisch in etwa so innovativ ist wie die Neuerfindung der Pantoffel und wirtschaftlich so erfolgreich wird wie dieselbe.

Seit Jahren ist die Kulturförderung durch fragwürdige Prioritäten unterfinanziert und das bringt die Coronakrise sehr deutlich zu Tage: ob es Stadttheater sind, die zu teils fragwürdigen künstlerischen und wirtschaftlichen Entscheidungen gebracht werden, ob es die Museen sind, deren Digitalisierungskonzepte nicht so gefördert werden wie es nötig wäre, oder ob es die Zoos sind, die auf einen Sparkurs geschickt werden, obgleich die Notwendigkeit ihrer Existenz von ständig größer werdender Bedeutung ist. Zentrale Aspekte, um den Sektor Kultur für eine Zukunft mit wachsenden Herausforderungen auszustatten, wurden auf die lange Bank geschoben und durch fragwürdige Prioritäten-Gewichtung verhindert, was nun auch für diese immensen Probleme im Zeiten der Krise, auf die sich keiner hätte vorbereiten können, sorgt.

Hoffnung auf baldige Öffnung der Zoos

Ebenfalls verkündete der VdZ einen Hoffnungsschimmer für Zoofreunde auf Twitter:


Es ist aber auch gleichzeitig ein Hoffnungsschimmer für den Natur- und Artenschutz, denn umfassend funktioniert dieser nur mit starken Zoos und Aquarien, ohne die die Rettung bereits zahlreicher Arten nicht möglich gewesen wäre. Viele Arten brauchen dringend Hilfe und wirtschaftlich solide Zoologische Gärten können diese bieten wie keine andere Kulturinstitution weltweit. Gäbe es noch keine modernen, akkreditierten und zertifizierten Zoos und Aquarien, müsste man sie schleunigst erfinden.

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