Peta-Aktion. Quelle: Arturo de Albornoz/flickr CC BY-SA 2.0

Attac verliert Gemeinnützigkeit – und PETA?

Exklusiv für zoos.media – 27.02.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

In einem interessanten Posting wirft Gero Hocker einen Zusammenhang zwischen attac und PETA auf. Dieser Artikel erklärt nun die Hintergründe und Ausblicke auf künftige Entscheidungen.

Attac verliert Gemeinnützigkeit – und PETA?

Dass die NGO attac in Deutschland nun die Gemeinnützigkeit verloren habe, ging durch die Presse. Der FDP-Politiker Dr. Gero C. Hocker zieht nun einen Querverweis zur radikalen Tierrechtsorganisation PETA:

Tatsächlich fragt man sich, ob nun nicht ein Domino-Effekt in Gang gesetzt werden könnte.

Was ist attac?

Die in Frankreich gegründete NGO, die allerdings inzwischen weltweit mit verschiedenen Niederlassungen operiert, benennt sich selbst als “Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen”. Die deutsche Niederlassung wird von dem eingetragenen Verein “Attac Trägerverein” getragen. Seit 2014 herrscht ein hin und her bezüglich der Gemeinnützigkeit. Zuletzt bestätigte der Bundesfinanzhof die Aberkennung der Gemeinnützigkeit als rechtmäßig. Begründet wird das dadurch, dass die Organisation durch “Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung […] keinen gemeinnützigen Zweck erfüllt.” Der Bundesfinanzhof betonte dabei allerdings ausdrücklich, dass es nicht um die politischen Inhalte von attac selbst gehe, sondern darum, dass die Grundsatzfrage zu klären sei, ob “allgemeinpolitische Tätigkeit” mit der Gemeinnützigkeit vereinbar sein könne.

“Das ist für den gesamten Bereich der Nichtregierungsorganisationen eine Bombe”, kommentierte die Journalistin Birgit Marschall von der Rheinischen Post. Die Hauptstadtkorrespondentin mutmaßte, dass deshalb auch BUND und Greenpeace die Gemeinnützigkeit verlieren könnten. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner will nun das Gesetz reformieren, “um Gemeinnützigkeit für Attac und andere zu sichern”. Der der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding, sagte gegenüber dem Handelsblatt: “Gemeinnützige Organisationen müssen politisch aktiv sein können. Anders ist eine Verfolgung ihrer gemeinnützigen Zwecke nicht effektiv möglich.”

Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hingegen stellt gegenüber dem Handelsblatt klar: “Politik kann danach nur Nebenzweck einer gemeinnützigen Betätigung sein. Für darüber hinausgehende politische Tätigkeiten ist damit auch klar, dass eine Nutzung der Gemeinnützigkeit ausscheidet und die Regeln des Parteiengesetzes gelten müssen.” Das zeigt sehr gut, worum es in dieser Entscheidung eigentlich geht, nämlich um eine sinnvolle Trennung von politischer Arbeit, die im Rechtsstaat den Parteien obliegt, und der Arbeit von NGOs, die ja eben gerade ausdrücklich keine Parteien sind.

Partei oder NGO?

2017 bewarb Campact einzelne SPD-Kandidaten, wie damals das Handelsblatt berichtete. Parteiwerbung obliegt den Parteien, nicht den NGOs, denn Parteiwerbung dient keiner Gemeinnützigkeit, sondern eben den Parteien. Stefan Diefenbach-Trommer, Geschäftsführer der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung, nannte das damals “einen Schritt nach vorn”. Campact selbst empfand das nicht als Werbung für die SPD. Dieser Fall zeigt, was schon seit Jahren ein Trend unter den NGOs ist: sie wollen auch politisch tätig werden oder sind es sogar teils schon. Dafür herrscht allerdings keine Rechtssicherheit. Das will die eben genannte Allianz ändern und rechtlich klar stellen, dass gemeinnützige Organisationen zur Erreichung ihrer Zwecke selbstverständlich Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen dürften.

Mitglieder dieser Allianz sind unter anderem attac, Campact, ProVeg Deutschland e.V., Umweltinstitut München e.V. und die Giordano-Bruno-Stiftung, von der das Great Ape Project eine Initiative ist. Es geht nicht nur der Allianz, sondern auch weiteren NGOs darum politisch tätig werden zu dürfen. Was das konkret bedeutet, ist, dass es sich dann um eine Art außerparlamentarische Parteien handeln würde, die politisch handeln könnten ohne sich selbst demokratischer Wahl zu stellen. Natürlich können sie dann auch sehr proaktiv Wahlen beeinflussen, indem sie etwa nicht nur Kandidaten unterstützen, sondern auch politische Gegner diskreditieren. Das geschieht auch schon heute, allerdings eher hintenrum, statt wirklich offen und dazu noch sehr selten, weil die NGOs ihre Gemeinnützigkeit nicht aufs Spiel setzen wollen.

Aktuell gibt es zum Beispiel so etwas wie Wahlprüfsteine. Da stellen NGOs Fragen an Parteien, die sie dann veröffentlichen. Es obliegt dann den Rezipienten entsprechende Entscheidungen zu treffen – hier findet keine Beeinflussung statt. Wenn nun eine politisch aktive Tätigkeit erlaubt ist, könnte man ganz offen werben. Gleichzeitig wird den NGOs eine ganz neue Verhandlungsbasis offen wie etwa der Handel, dass die NGOs die Partei bewerben, wenn dafür bestimmte Forderungen Teil des Wahlkampfes werden. Politiker werden dann zum langen Art der NGOs – ein Konstrukt, was man auch schon aktuell versucht, aber eben an der Öffentlichkeit vorbei. Das ist deshalb kritisch, weil NGOs nicht demokratisch legitimiert sind.

Interessant sind aber auch Forderungen, die darüber hinausgehen. Auf der Webseite der Allianz ließt man folgenden Änderungsvorschlag:

Einige erst in den vergangenen Jahren in den § 51 (Allgemeines) der AO eingefügte Be­stimmungen sind wieder zu streichen: Die in Abs. 2 gemachte Beschränkung, dass eine Tätigkeit im Ausland nur dann gemeinnützig ist, wenn die geförderten Personen ihren Wohnsitz in Deutschland haben oder wenn zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beigetragen wird [und] [d]er in Abs. 3 eingeführte Passus: „Bei Körperschaften, die im Verfassungs­schutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.“

Das hat auf den ersten Blick mit politischer Willensbildung wenig zu tun. Auf den zweiten Blick öffnet es natürlich, im Zusammenhang mit den anderen Forderungen, die Möglichkeit, auch auf Wahlen außerhalb Deutschlands einzuwirken, weil man nun zum Beispiel etwa einen Donald Trump fördern könnte. Ebenso könnte man sogar extremistische Organisationen im In- und Ausland fördern – wie etwa radikale Teile der Tierrechtsindustrie.

NGO als Lobbyismus-Werkzeug

Das geht also alles noch sehr viel weiter. Sinn dieses Vorstoß es ist es, politischer Akteur zu werden und zwar ohne jede Beschränkung. Das könnte man bereits jetzt schon, aber das wäre nicht staatlich gefördert. Man darf nicht vergessen, dass all die NGOs bereits jetzt politisch tätig werden könnten – nur es wäre eben nicht gemeinnützig und es gebe keine Steuervorteile. Es wäre wie bei jedem Unternehmen auch, dass natürlich Einfluss auf die politische Willensbildung nimmt und zwar durch Lobbyismus, der aber eben nicht als gemeinnützig gefördert wird. Eine Politisierung der NGOs würde den Lobbyismus völlig verändern, denn natürlich würde dann jedes Unternehmen die politische Lobby-Arbeit entsprechend auslagern und das in gemeinnützige Vereine mit sehr schicken Namen.

Unter bestimmten Deckmäntel sehen wir das ja heute schon. Wenn etwa ein Auto-Konzern bestimmte Vereine sponsert, die gegen ein bestimmtes Antriebssystem von Konkurrenten vorgehen. Heutzutage gibt es dafür Probleme und die NGOs bewegen sich am Rande der Legalität, wenn nicht sogar darüber hinaus, aber genau so etwas soll ja dann legalisiert werden. Das unterstützen auch längst nicht alle NGOs, weil sie genau das fürchten, nämlich, dass die gemeinnützige NGO zu einem Werkzeug von politischen Lobbyismus wird. Tatsächlich sinnvoller wäre es, Politik und NGOs noch mehr zu trennen, um das, was heute bereits geschieht, einzudämmen und klar zu definieren, dass NGOs eben anders handeln müssen als privatwirtschaftliche Unternehmen und Parteien. Das muss deutlich mehr auseinander dividiert werden und es muss klare Grenzen geben, damit auch die Rezipienten wissen, was sie jetzt gerade unterstützen. (Politischer) Lobbyismus und NGO muss sichtbar getrennt werden und jede Form des Lobbyismus dazu auch transparent.

Vor einigen Wochen haben wir über NGO-Lobbyismus im EU-Parlament berichtet:

PETA: über 1.000.000 für Lobbyarbeit in Brüssel

So lässt sich, trotz immer noch sehr wenig Transparenz, gut nachvollziehen, wer aktive Lobbyisten hat. Natürlich wird hier auch die politische Willensbildung zu beeinflussen versucht. Im Lobby-Register findet man neben Unternehmen auch zahlreiche NGOs. Hierbei muss auch die Frage sein, inwiefern den Verbrauchern das klar ist. Dass Wirtschaftsunternehmen Lobbyisten beschäftigen ist so bekannt wie legal, aber weiß der Spender für einen Tierschutzbund, dass er eben nicht nur für Tiere spendet, sondern auch für Lobbyisten in Brüssel? Normalerweise nicht, denn NGOs sind ja keine Unternehmen und man verbindet Lobbyismus nicht unbedingt mit Gemeinnützigkeit.

Und PETA?

Nun ist die Frage wie PETA in diese Thematik passt. PETA betreibt natürlich auch Lobbyarbeit und will die politische Willensbildung beeinflussen, wenn man etwa Politikerinnen einer bestimmten parteipolitisch verortbaren Richtung auf eine Abschussliste setzt. Natürlich hilft so etwas indirekt auch den PETA tendenziell freundlich gegenüberstehenden Parteien wie den Grünen und Linken, sowie Teile der SPD und AfD. Gero Hocker (FDP) erklärt nun: “Wenn PETA die Kampagne „der Holocaust auf Ihrem Teller“ fährt, sich zur Nutztierhaltung generell oder der Wolfsmigration individuell hochpolitisch äußert, sollte auch vor diesem Hintergrund die Frage gestellt werden, inwiefern dies noch als „gemeinnützig“ anzusehen ist.” Allerdings kann man sich noch von einer anderen Richtung annähern.

Jede NGO bekommt die Gemeinnützigkeit aus einem bestimmten Grund. Bei attac empfand nun die oberste Instanz, dass sie den gemeinnützigen Zweck, der der Organisation zugeordnet worden ist, gar nicht erfüllt. Der große Witz bei PETA ist ja aber, dass die Organisation selbst sagt, dass sie diesen Zweck nicht erfüllt. PETA hat die Gemeinnützigkeit aufgrund von Tierschutz, denn das würde die Organisation ja angeblich betreiben – so sieht es das zuständige Finanzamt zumindest. Das ist offensichtlich falsch, wenn man PETAs eigene Aussagen ernst nehmen kann.

PETA: “Wir machen gar keinen Tierschutz”

Somit wirkt es ohnehin wie ein schlechter Scherz, dass die radikale Tierrechtsorganisation immer noch gemeinnützig ist. Generell ist auch zu sehen, dass Tierrechtsaktivismus nicht gemeinnützig sein kann – zumindest nicht auf dem Boden der Verfassung und des Rechtsstaats. Letztendlich ist es aber völlig gleichgültig von welcher Richtung man sich nähert, solange am Ende das Ergebnis stimmt. Somit gibt das Urteil der höchsten zuständigen Instanz Hoffnung bald in Bereich der NGOs die Spreu vom Weizen trennen zu können – das hilft auch den wirklich seriös arbeitenden NGOs.

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