Schimpansenmutter und -baby essen Kapfeigen im Kibale National Park. | Foto: Alain Houle (Harvard University) , Lizenz: CC BY 4.0

geo.de: Pseudo-Journalismus für Tierrechtler?

Exklusiv für zoos.media – 22.07.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

Das Magazin Geo hat einen massiv defizitären Artikel über das “Gutachten” des Great Ape Projects veröffentlicht.

geo.de: Pseudo-Journalismus für Tierrechtler?

Was Peter Carstens für geo.de über das mehr als fragwürdige Gutachten, das vom Great Ape Project veröffentlicht würde, schrieb, könnte den informierten Leser daran zweifeln lassen, dass es sich um seriösen Journalismus handelt. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, man habe beim Lesen eine kritiklose Reproduktion einer Pressemitteilung sowie eine unzulässige Parteinahme vor sich. Beim Magazin, das um seinen wissenschaftlichen Anstrich kämpft, ist das ein schwerer Fehler, denn es zeigt, dass ihm offensichtliche Unzulänglichkeiten des Gutachtens nicht auffallen.

Die Fehler

Schimpansenfamilie klettert gemeinsam im Pongoland im Zoo von Leipzig | Foto: Frank Vincentz, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Schaut man sich den Artikel an, sind die Fehler augenfällig – folgend werden einige aufgelistet:

  1. Das Gutachten ist nicht wissenschaftlich und enthält sogar schwere wissenschaftliche Fehler.
  2. Es handelt sich beim Great Ape Project nicht um eine Tierschutz-, sondern offensichtlich um eine Tierrechtsorganisation.
  3. Es gab nicht eines, sondern mehrere Gutachten, die der Zoo Krefeld präsentiert hat, um von unabhängiger Seite nachzuweisen, dass die Haltung von Bally und Limbo den Tieren gerecht wird. Die sind öffentlich für jeden auf der Seite zugänglich. Patrick van Veen fertigte zwei Gutachten an: eines im Januar 2021, das zweite im darauffolgenden August. Darüber hinaus wird der Zoo, wie alle anderen Zoologischen Gärten auch, durch das Veterinäramt immer wieder kontrolliert.
  4. Es bleibt unerwähnt, dass das als renommiert beschriebene Max-Planck-Institut die im Gutachten aufgeworfenen Thesen überhaupt nicht teilt, sondern gerne mit Zoologischen Gärten zusammenarbeitet.
  5. Es bleibt unerwähnt, dass die 13 Stunden Videomaterial nur rund 0,1% der verstrichenen Zeit abdecken und sie statistisch somit völlig unbrauchbar sind, um seriöse Analysen durchzuführen.
  6. Es gibt, anders als im Artikel behauptet, keine “Vorgaben” des Bundeslandwirtschaftsministeriums für die Haltung von Schimpansen, sondern nur Empfehlungen in Form eines so genannten Säugetiergutachtens, die allerdings auf keiner Datenbasis fußen und daher für jeden seriösen Wissenschaftler gegenstandslos ist.
  7. “Tierschützer*innen befürchten, dass die Schimpansen noch Jahre leiden müssen”, wird behauptet. Erst einmal leiden die Schimpansen im Zoo Krefeld bewiesenermaßen nicht, zweitens stehen seriöse Tierschützer an der Seite von Zoos und einzig unseriöse Organisationen, die sich fälschlicherweise als Tierschützer inszenieren, worauf geo.de offenbar reingefallen ist, verbreiten Lügen über den Zoo Krefeld und weitere zoologische Institutionen.

Für so einen kleinen Artikel sind das schon viele Fehler auf einmal. Dazu behandelt man den Zoo Krefeld unfair und verlangte wohl von ihm zu einer Anzeige Stellung zunehmen, die noch nicht vorliegt. Wie soll das funktionieren? Es geht schlicht nicht. Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, der Zoo wolle zu dem Gutachten “lieber nicht Stellung nehmen”, ist glatt gelogen. Seriöse Stellen machen immer erst dann eine Stellungnahme, wenn alle Daten vorliegen, aber mit Seriosität hat man es offensichtlich bei geo.de nicht so, da fühlt man sich dann auch befähigt, solche Lügen zu verbreiten.

Unseriöse Fotostrecke Teil des Artikels

Der Artikel präsentiert auch eine Fotostrecke der Born Free Foundation ohne jede ordentliche Einordnung. Die unseriöse Organisation nutzt bearbeitete Bilder, um Stimmung gegen die Haltung von Tieren in Menschenobhut zu machen.

Der interessante Fall des Morgan Silk

Postkarten und SMS, die keinem Tier was bringen

Dass man bei geo.de diese billige Masche nicht durchschaut, gibt vor allem dem Magazin der Lächerlichkeit preis. Darüber wie unseriös die Organisation arbeitet, haben wir schon häufiger berichtet:

Zoodirektoren beschuldigen Born Free Foundation als selbsternannte Insepektoren aufzuspielen

Edinburgh Zoo widerspricht Tierrechtsindustrie deutlich

Elefanten: Chester Zoo widerspricht Born Free Foundation

Allerdings scheint auch hier geo.de gar nicht nach seriösen Quellen zu suchen, stattdessen versucht man wohl einfach nur Bestätigung für die eigene Ideologie zu finden, um die dann im Stile eines Hofberichterstatters an die für diese defizitäre Berichterstattung noch zahlende Kundschaft zu bringen. Statt kritischem Wissenschaftsjournalismus gibt es bei geo.de also inzwischen nur noch Bauchpinseln für eine Bubble, die sich von der Realität ausreichend weit entfernt hat.

Übernahme durch RTL vielleicht der Grund?

Großer Tümmler im Marineland Antibes schaut aufgeweckt und interessiert Besucher an. | Foto: avu-edm, Lizenz: CC BY 3.0

Seit dem 01. Januar 2022 gehört unter anderem die Magazinmarke “Geo” – und somit natürlich auch geo.de – zu RTL, weil das Unternehmen für 230 Millionen Euro den Verlag Gruner + Jahr, in dem die Zeitschrift erscheint, von Bertelsmann kaufte. Allerdings hält Bertelsmann wiederum die Mehrheit an RTL. Gruner + Jahr hatten in der Vergangenheit gemerkt, dass die ausländischen Märkte doch nichts für sie waren und befanden sich auf dem Rückzug. Von der Umorganisierung im Bertelsmann-Verlag, was dieser Kauf ja letztendlich nur war, erhofft man sich wohl vor allem in Konkurrenz zu Netflix & Amazon treten zu können.

Die Abonnentenzahlen von Geo sind, genauso wie die Auflagezahlen, im drastischen Fall befindlich. Verkaufte das Magazin um die Jahrtausendwende herum nur noch über eine halbe Million Exemplare, sind es inzwischen weit weniger als die Hälfte. Die Abonnentenzahl ist von über 350.000 um rund 200.000 Abonnenten gefallen. Die Zeitschrift kann es aktuell als Erfolg verbuchen, wenn der Fall von Jahr zu Jahr insgesamt nicht ganz so schnell geht. An langfristiges Wachstum zu denken, wäre optimistisch.

Das reiht sich ein in den Niedergang von Print-Magazinen, die wahrscheinlich eher als nischiges Markenprodukt eine Zukunft haben, denn als großes Magazin, das noch die Welt bewegt, wie es so schön heißt. In dieser Zeit, in der nun der Medienmarkt sich neu verteilt, weil durch das Internet neue Möglichkeiten hinzugekommen sind und weiter hinzukommen werden, versucht nun Geo seinen Platz zu finden. Daher versucht man auch mit Promis der Bubble, wie Peter Wohlleben und Dirk Steffens, neue Formate aufzuziehen.

Feelgood-Content für Naturentfremdete

Alpensteinbock im Tierpark Bern | Foto: Kambui, Lizenz: CC BY 2.0

Damit positioniert sich die Marke natürlich auch inzwischen anders: was man dort findet, ist die typische Naturromantik eines urbanem bis suburbanem, politisch meist links angesiedelten Milieus, das erschreckend wissenschafts- und naturfremd ist. Man konstruiert hier eine Art Wohlfühlbecken für die Konsumenten in spe und schreibt natürlich so auch seine Geschichten: Tiere sind ja irgendwie wie Menschen und das typische Blabla. Mit einer Marke, die sich auch irgendwie wissenschaftlich sehen und positionieren will, hat das nichts zu tun.

Der Aufmacher der Webseite ist heute der Geo+-Inhalt “33 Tipps für Wanderlustige”. Den ersten Tipp gibt es noch kostenlos, nämlich, wie toll es doch sei, wilde Steinböcke in der Natur zu belästigen, die ja so selten sind (gerettet wurden die Alpensteinböcke übrigens durch Zoos, aber das bleibt nicht überraschenderweise unerwähnt). Da geht diesem Milieu zweifelsohne das Herz auf, aber es zeugt gleichzeitig auch so symptomatisch für Naturentfremdung: statt die für Alpensteinböcke viel zu selten gewordenen Lebensräume zu schützen, erwandert man sie lieber für ein zweifelhaftes Erlebnis, das den Tieren weit weniger hilft, als sie etwa, gemeinsam mit anderen bedrohten Tierarten, sicher in Zoologischen Gärten zu bewundern.

Hält geo.de seine Leser für so dumm?

Baumkänguru im Zoo Krefeld | Foto: zoos.media

Nach diesem Exkurs nun wieder zum eigentlichen Thema zurückkehrend muss man sich aber trotzdem fragen, ob Geo denn denkt, dass seine Leser so dumm sind, etwas als Artikel zu betrachten, dass zu 90% eine umformulierte Pressemitteilung ist? Diese selbst hat ja schon ihre Rezipienten für sehr dumm verkauft und war nur statthaft, wenn man rein gar nichts an kritischem Geist zulässt. So entsteht am Ende eine Kette des Dummverkaufens und dann wundern sich am Schluss solche Magazine, warum Auflage und Abonnentenzahl sinken. Es kommt nicht von ungefähr.

Das Gutachten ist schon für Laien spielend leicht zu widerlegen, für einen Wissenschaftsredakteur oder auch nur einen Menschen, der grundlegend an solchen Sachverhalten interessiert ist, ist es ein Kinderspiel die gravierenden Fehler der Studie zu erkennen. Zu wenig Beobachtungszeit mit zu geringer Individuenzahl führt nicht zu belastbaren Daten für eine Evaluation. Keiner der Autoren besitzt Expertise oder Erfahrung im Bereich der erfolgreichen Schimpansenhaltung, die es auch nur Ansatzweise mit der der Experten von Krefeld aufnehmen kann oder sinnvoll aufzuwiegen wäre. Dazu sind Aussagen blank falsch oder desinformieren. Ferner teilt das Institut, auf das sich die Autoren berufen, die Ansichten dieser nicht. Weitere Punkte wären hier auch noch zu nennen.

Die Recherche dafür wäre nicht schwer gewesen, umfassend statt fand sie leider nicht. Das ist ein Armutszeugnis für geo.de in einer Zeit, in der die Marke mal so etwas wie Seriosität und Profil hätte beweisen können, wenn nicht sogar müssen. Dass die Zeitschrift auch anders könnte, wenn sie denn wollte, sieht man übrigens hier. Solche Beiträge sind aber eher die Ausnahme als die Regel und ob die vage Hoffnung auf ordentliche Berichterstattung als Verkaufsargument reicht, darf bezweifelt werden.

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