Annalena Baerbock soll den Grünen bei der Bundestagswahl 2021 durchschlagenden Erfolg bringen. | Foto: Michael Brandtner, Lizenz: CC BY 4.0

Grüne wollen Ökoaktivisten gegen Ampel-Partner aufhetzen

Exklusiv für zoos.media – 05.11.2021. Autor: Philipp J. Kroiß

Ein bemerkenswerter Brief der Spitze der Grünen sorgt für ein politisches Erdbeben bei den Ampel-Verhandlungen – dieser Artikel erklärt die Hintergründe.

Grüne wollen Ökoaktivisten gegen Ampel-Partner aufhetzen


Das hat es in dieser Form noch nie gegeben: Annalena Baerbock, Robert Habeck, die Fraktionsführung und der Chef-Klimaverhandler Oliver Krischer bitten in einem Brief NGOs wie BUND, Campact, den Deutschen Naturschutzring, die Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch, Greenpeace und den WWF, um Einflussnahme auf die Ampel-Verhandlungen.

“An einigen Stellen lässt das Sondierungspapier es leider noch an der nötigen Klarheit fehlen. Hier werden wir die jetzt beginnenden Verhandlungen auf der Fachebene nutzen, um in unser aller gemeinsamen Interesse das Notwendige zu erreichen. Es wäre dafür sehr hilfreich – und in Teilen seid ihr ja bereits dran – wenn Ihr darauf hinwirken könntet, dass SPD und FDP hier ambitionierte Vorschläge einbringen. Wenn wir das weiter alleine tun müssen, erschwert das die Verhandlungen enorm.” – Auszug aus dem Brief

Die Politiker versuchen so also Druck auf die Partner aufzubauen und sind sogar informiert, dass hier bereits Kampagnen in Vorbereitung und Durchführung sind. Diese enge Verschaltung mit nach außen hin unabhängig erscheinender und auftretender Vereine ist mehr als bemerkenswert. Was überrascht ist aber die Offenheit mit der das geschieht und kommuniziert wird.

Vertrauter Ton

Das Handelsblatt hat den Brief komplett geleakt – leider ist er nur zum Teil kostenlos verfügbar. Was sich aber schon klar abzeichnet, ist die Vertrautheit, die Baerbock und ihre Kollegen nicht nur mit Strategie-Interna der Vereine hat, sondern auch mit den Funktionären selbst, die sie größtenteils mit Vornamen anspricht. Die hatten sich zuvor – und dies mutet schon theatralisch an, wenn Baerbock und die anderen nun durchblicken lassen, dass sie ohnehin von Kampagnen wissen – ein Brief an sie geschrieben. Dem Schreibwerk merkt man an, wie routiniert dieses Zusammenspiel zu sein scheint. Campact hatte bereits aufgrund der Einflussnahme in politische Prozesse die Gemeinnützigkeit verloren.

N-TV berichtet weiter, dass es im Brief auch um einen so genannten “Klima-Expert:innenrat”, der nach Ansicht der Organisationen zu stärken sei, was vor dem Hintergrund nicht uneigennützig ist, weil die Organisationen daran partizipieren. Also kämpfen hier auch diese Verbände um Einfluss auf die Bundespolitik, wofür die Grünen den Türöffner spielen sollen. Hier erklären die Grünen-Funktionäre, aber auch, dass es bei Zielverfehlung Gegenmaßnahmen geben müsse. Auch will man erreichen, den von den Verbänden genannten Expertenrat natürlich stärken, der ja dann wiederum die Gegenmaßnahmen der Regierung bewerten und billigen muss.

Theaterproben

Goriallanachwuchs im Zoo Duisburg | Foto: zoos media, Lizenz: Erlaubnis des Fotografen

Was in dem Brief also verhandelt wird, ist eine Theatervorstellung: die Grünen inszenieren sich als Helden, die gegen die ach so böse SPD und FDP in der Ampel kämpft. Dabei eilen ihnen dann die Verbände und Vereine zu Hilfe, was nach außen hin wie zufällig wirkt, aber intern alles ausverhandelt ist. Als Lohn für dieses Theater gibt es dann politische Einflussnahme für die treuen NGOs und die Funktionäre, die so einen mehr als unfairen Koalitionskampf mitgetragen haben, können sich vermutlich wie üblich über hochdotierte Aufträge von Ministerien freuen oder über entsprechende Anstellungen.

Zumindest der SPD dürfte so ein Klüngel nicht unbekannt vorkommen – das Umweltministerium hatte nicht zuletzt unter Svenja Schulze (SPD) den Beinamen NABU-Ministerium erhalten – es gab zwischen 2014 und März 2019 52.000.000€ für den Naturschutzbund, was das Ministerium zu einem der wichtigsten Spender überhaupt machte. Mit 135.000.000€ aber war der WWF unter den Verbänden der größte Abräumer. Der BUND erhielt knapp 21.000.000€. Das alles ging aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion in der letzten Legislaturperiode hervor, über die unter anderem agrarheute berichtete. Ebenso wurde in dem Zusammenhang aufgedeckt, dass Vorhaben der Deutschen Umwelthilfe im Betrachtungszeitraum immerhin mit 9.700.000€ unterstützt wurden. An die Tierrechtler von PETA gingen 31.200€. Greenpeace erhielt zu dem Zeitpunkt, laut Angaben der Bundesregierung, weder Zuwendungen noch Aufträge durch die Regierung.

Der Lohn für so ein Theater, ist also riesig. Überlegt man sich mal, dass der WWF in diesem Zeitraum 135.000.000€ bekam, so kann man sich vorstellen, dass es pro Jahr etwa 27.000.000€ waren. In der Gewinn- und Verlustrechnung 2017/2018 beim WWF tauchen rund 68.000.000€ Spenden und Zuwendungen auf. Dazu kommen nochmal 16.000.000€ sonstige Einnahmen und Erträge. Das bedeutet, der Anteil vom Umweltministerium an der Finanzierung von WWF Deutschland beträgt auf dieses Beispieljahr anteilig umgerechnet fast ein Drittel. Das zeigt wie sehr sich diese Organisationen politisch abhängig gemacht haben.

Rechtliche Probleme

Justitia auf dem Südgiebel des Justizpalastes in München. | Foto: Waugsberg, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die Verbände wollen sich also weiter Geld und Einfluss sichern und die Grünen achten darauf, dass sie dafür eine Gegenleistung erhalten. Zur politischen Willensbildung dürfen aber nur Parteien beitragen. Das ist in Artikel 21 des Grundgesetzes so festgeschrieben. Die Grünen wollen nun aber Verbände dazu einsetzen, weil sie ihre eigene Verhandlungsposition sonst als zu schwach empfinden. Solche Aktionen sind von der Gemeinnützigkeit nicht gedeckt, denn die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck.

Daher darf sich eine gemeinnützige Körperschaft nur so betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient, wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil in BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 entschieden hat. Das war zum Beispiel der Fallstrick für attac. Nun ist die Verbesserung der Verhandlungsposition der Partei Bündnis 90 / Die Grünen – oder auch jeder anderen Partei – kein gemeinnütziger Zweck und auch kein Zweck für den diese Organisationen ihre Gemeinnützigkeit erhalten haben können. Daher ist dieser Vorgang sehr ernst. Es wird nämlich sehr eindeutig erklärt, dass “Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen” ausdrücklich nicht als gemeinnützig im Sinne § 52 Abs. 2 AO zu sehen sind.

Interessenvertretung erlaubt, Politik nicht

Es ist ein Unterschied, ob man gegenüber der gesamten Politik Vereinsinteressen vertritt oder ob man Absprachen mit einzelnen Parteien tätigt und somit politische Bündnisse eingeht, um im Interesse einer Partei zu agieren. NGO bedeutet ja Nichtregierungsorganisation und sie darf nicht so handeln wie eine Regierungsorganisation – genau das sollen sie aber in dieser Vereinbarung. So entstehen dann auch politische Mehrheiten, die eben nicht repräsentativ sind, weil die Vereine und Verbände demokratisch weder legitimiert sind, noch es sein müssen, weil sie ja in diese Prozesse gar nicht aktiv eingreifen sollen und dürfen.

Blick von oben in den Plenarssaal des Bundestags. | Foto: Tim Tregenza, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Vereine und Verbände sollen Interessen vertreten, aber nicht Politik machen. Wer sich politisch engagieren will, muss das in einer Partei tun, wenn er auf dem Boden des Rechtsstaates verweilen will. NGOs quasi wie eine Kugel in einem Revolver zu tragen, den man auf den Verhandlungstisch legt, ist nicht im Sinne von Koalitionsverhandlungen und auch nicht im Sinne der Demokratie oder der Allgemeinheit. Die Grünen wollen mit den mickrigen 14,8%, die sie noch bis zum Wahltag halten konnten, SPD und FDP, die gemeinsam mehr als doppelt so viel Zweistimmenanteile auf sich vereinigen konnten, undemokratisch an den Karren fahren und so Millionen von Wählern umgehen, die der Partei nur eine kleine Rolle zugebilligt hat. Dass man im Zusammenhang der SPD unweigerlich an den Spruch “Karma strikes back” denken könnte, macht dieses für die repräsentative Demokratie gefährdende System aber nicht besser, genau so wenig wie der Zweck eben nicht die Mittel heiligt.

Umso alarmierender ist, dass viele Medien diese Vorgänge anders framen und nur darüber berichten, dass Grüne “Nachbesserungsbedarf” oder “Verhandlungsfehler” einräumen oder von einem “Fehlstart” sprechen würden – man übersieht hier den eigentlichen Skandal, der einen besorgniserregenden Eindruck auf grüne Regierungsbeteiligung gibt: Theater für die Durchsetzung politischer Inhalte gegen eine Mehrheit mit millionenschwerem Lohn für die beteiligten Schauspieler. Vor solche Praktiken müsste eine kommende Bundesregierung einen Riegel schieben und sie nicht befeuern.

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