Europa aus dem Weltraum | Foto: Kevin Gill, Lizenz: CC BY 2.0

Klima-Krimi in der Wissenschaft

Exklusiv für zoos.media – 22.07.2023. Autor: Philipp J. Kroiß

Eine Studie gerät unter Beschuss, weil sie das in manchen Augen “falsche” Ergebnis liefert. Statt sie aber wissenschaftlich zu widerlegen, wird die Publikation mit Schmähungen überzogen.

Klima-Krimi in der Wissenschaft

In der wissenschaftlichen Community herrscht Aufregung. Sie fördert zutage, wie politisch Einfluss auf den Vorgang des Peer-Review genommen wird. Das ist ein Problem für alle Wissenschaftler und zoos.media ist bereits seit Jahren an diesem Thema dran – nicht zuletzt, weil auch Tierrechtler bereits mit Missbrauch dieses eigentlichen Gold-Standards auffielen. Zudem steht im Zentrum des Krimis eine wichtige naturwissenschaftliche Studie mit bedeutenden Erkenntnissen. Der ganze Krimi könnte die Instanz des Peer-Review massiv beschädigen.

Politisch problematische Ergebnisse

Der Planet Erde 1968 vom Mond aus betrachtet. | Foto: NASA/Bill Anders, Lizenz: public domain

Alimonti et al. veröffentlichten 2022 ein Studie, die den Peer-Review-Prozess vollständig durchlaufen hat. Sie hat anhand von belastbaren Daten nachgewiesen, dass es – entgegen der Wahrnehmung der Öffentlichkeit – keinen positiven Trend bei so genannten Reaktionsindikatoren zum Klimawandel gibt. Damit wäre eine unmittelbar lebensbedrohliche Krise und somit ein Grund für die oft medial vorgetragene, panische Angst nicht nachweisbar, was allerdings nicht bedeuten würde, dass man die Natur nicht mehr schützen sollte – tatsächlich wird sogar ausdrücklich empfohlen, dies weiter zu tun und sogar zu intensivieren. Die Studie reißt nur dem Alarmismus den Boden unter den Füßen weg.

Es dauerte daraufhin nicht lange, dass im Guardian ein Schmäh-Kommentar über die Studie erschien. Darin kommt der Hauptautor des so genannten Hockeyschläger-Diagramms (“Hockey Stick”), Michael Mann zu Wort, der versucht, die Autoren der Studie als fachfremd zu diskreditieren. Ein Schmäh-Artikel folgte dann auf phys.org und in dem kam Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zu Wort, der immer wieder präsent die in Kritik geratene Kipppunkte-Theorie in seiner öffentlichen Kommunikation bemüht.

Natürlich stieß bei solchen Akteuren die Veröffentlichung nicht auf Gegenliebe. Die öffentlichen Schmähungen führten dazu, dass das veröffentlichende Journal die Studie nochmal überprüfen wollte. Das war im September 2022. Fast ein Jahr später schwebt das Verfahren immer noch. Warum? Weil Forscher, die sich damit beschäftigen, auch Unterstützung für die Studie zeigen. Dabei handelt es sich auch nicht um Klimawandelleugner oder Gegner der Naturwissenschaft. Das zeigt auch den tiefen Riss, der inzwischen durch die wissenschaftliche Gemeinschaft geht.

Wissenschaftliche Diskussion unerwünscht

Mann wurde im Kommentar des Guardians zu der Sache zitiert, wie er anscheinend pejorativ die Wissenschaftler als “a couple of nuclear physics dudes” bezeichnete. So ein Vorgehen wäre für Mann nicht neu. 2005 berichtete das Wall Street Journal darüber, dass Mann versucht habe, eine wissenschaftliche Debatte zum Hockey Stick zu unterbinden. Er habe dabei die Algorithmen, die dem Diagramm zu Grunde längen, nicht offenlegen wollen. 2007 berichtete der Spiegel über Rahmstorf: “Journalisten beklagen Einschüchterungsversuche, Forscher gehen auf Distanz zum Potsdamer Professor.” Sollten diese Berichte zutreffen, wäre es nicht das erst Mal, dass aus dieser Richtung so etwas geschieht.

Viel wichtiger als einzelne Personen allerdings ist ein solches System, das sich darin verliert, Wissenschaftler zu schmähen, statt den Gegenbeweis anzutreten. Eine veröffentlichte Studie wird nicht automatisch Gesetz, sondern stellt sich einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Die scheint man aber gerade mit dieser Studie zu scheuen. Stattdessen will man sie canceln ohne ihr dabei irgendwelches Fehlverhalten nachweisen zu können. Das Ergebnis gefällt nicht, also soll die wissenschaftliche Arbeit nun verschwinden und man setzt alles daran, sie zu diskreditieren.

Gefahr für die Wissenschaft

Solche Vorgänge untergraben die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft insgesamt. Wenn Studien nur noch Ergebnisse haben dürfen, die politischen und/oder aktivistischen Narrativen entsprechen, ist dies das Ende wissenschaftlicher Freiheit. Ebenfalls ein Problem ist dabei die Illoyalität des Journals. Dem reichen offenbar schon Schmähschriften um eine wissenschaftliche Arbeit, die es vorher selbst überprüft hat und der keine echten Mängel nachwiesen werden konnten, in Zweifel zu ziehen.

Egal, wie man zum Ergebnis der Studie stehen mag: wenn das der neue Wind ist, der in der Wissenschaft weht, ziehen düstere Wolken auf. Nicht nur in der Klimawissenschaft, von denen die Menschen ohnehin nur schon einen winzigen Bruchteil der Veröffentlichungen zu sehen bekommen, sondern auch in anderen Disziplinen. Aktivistische und politische Betätigungen dürfen aber der Wissenschaft nicht im Wege stehen. Die muss man gerade auch die unangenehmen Wahrheiten aussprechen lassen.

Wissenschaftsfeindliches Milieu

Gynander des Hauhechel-Bläulings (Polyommatus icarus) | Foto: Burkhard Hinnersmann, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Im Bereich der Zoos und Aquarien sieht man ja leider schon seit vielen Jahren eine falsche Balance in den Medien: da wiegt man häufig eine Meinung von Anti-Zoo-Aktivisten gegen wissenschaftliche Fakten auf, als sei das irgendwie gleichgewichtig. Seriöse Berichterstattung ist das nicht. Diese Studie aber schlägt nun ein völlig neues Kapitel auf: wenn plötzlich sogar Schmähschriften reichen, um seriöse Wissenschaft zu canceln, katapultiert sich die Gesellschaft Jahrhunderte zurück. Ähnliches versucht man auch bereits im Hinblick auf den Forschungsstand bezüglich Geschlechtern und im Bereich der Tierversuche.

Forscher erleben so ein zunehmend wissenschaftsfeindliches Milieu. Gleichzeitig erleben sie eine Öffentlichkeit und auch Medien, die dabei zuschauen und zum Teil mitmachen. Wenn das nicht bald endet und man auf Grundlagen der Wissenschaft im Erkenntnisgewinn besteht, wird man keine Menschen mehr haben, die seriös in diesem Feld arbeiten wollen. Warum auch, wenn man nur noch das “liefern” darf, was politisch genehm ist? Dabei muss die wissenschaftliche Gemeinschaft selbst darauf achten, sich durch solche Einschüchterungen nicht zur einem Echoraum degradieren zu lassen. Wissenschaft, bei der das Ergebnis schon fest stehen muss, ist keine.

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