Guinea-Paviane in Gambia: Eine gute Altersdurchmischung in den Gruppen ist essentiell. | Foto: Peter Archdale, Lizenz: CC BY 4.0

Robert Marc Lehmann: Der große Pavian-Bluff?

Exklusiv für zoos.media – 01.09.2025. Autor: Philipp J. Kroiß

Großen Ankündigungen folgte wohl eine Luftnummer: Der Kanal „Robert Marc Lehmann – Mission Erde“ veröffentlichte ein Video zu den Pavianen im Tiergarten Nürnberg.

Blick auf das Wales Ape & Monkey Sanctuary | Foto: Nigel Davies, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Robert Marc Lehmann: Der große Pavian-Bluff?

Da posiert er in seiner Instagram-Story: oberkörperfrei, um seinen Hals weht eine Goldkette, an dem ein Bling-Bling-Anhänger baumelt, der in großen Lettern das Wort „KING“ formt. Das Grinsen ist breit und die Ankündigungen sind groß von Robert Marc Lehmann. Was er zu enthüllen hat, soll für ein Beben sorgen. Am Ende reicht es wohl nur für einen Sturm im Wasserglas. Man hätte die Ankündigung auch für eine Parodie halten können. Anscheinend war sie das aber nicht.

Was Lehmann zu verkünden hat, passt letztendlich in eine überschaubare Instagram-Caption von einem Karussell-Post: Es ist die längst widerlegte Behauptung, dass man die Nürnberger Paviane ja einfach ins Wales Ape and Monkey Sanctuary (WAMS) hätte bringen können. Die hatte der Tiergarten Nürnberg schon lange widerlegt. Ironischerweise findet man am Ende des Karussells sogar Foto eines Aufstellers vom Tiergarten Nürnberg. Darauf steht ein QR-Code und dort kann man genau nachlesen, warum das WAMS eben keine Option war.

Erstkontakt

Junger Guinea-Pavian im Tiergarten Nürnberg: Zucht in Zoos ist der Schlüssel zum Überleben der Art in der Natur. | Foto: Matthias, Lizenz: CC BY 3.0 DEED

Wer sich auch nur so ein kleines bisschen mit Tiertransporten auskennt, weiß, dass eine Menge Papier beschrieben werden muss, damit es dazu kommen kann. Dazu kam es aber erst gar nicht. Dabei hatte der Tiergarten Nürnberg von seiner Seite alles getan, damit das WAMS seinen Ankündigungen auch Taten folgen lassen konnte. Der erste Kontakt ging, laut Angaben des Tiergartens, von Colin Goldner aus. Dieser wird im Impressum des Great Ape Projects (GAP) als verantwortlich gekennzeichnet. Ebenso ist er, laut der WAMS-Webseite, Teil des Advisory Boards.

„Am 20. Februar 2024 übersendete der Tiergarten den Fragebogen an Dr. Goldner, am 14. März erneut zusätzlich auch an das WAMS mit der Beantwortungsfrist zum 12. April. Zu dieser E-Mail erhielt der Tiergarten zwar die Übermittlungsbestätigungen, allerdings keine Antworten auf die Fragen.“ – Tiergarten Nürnberg im Rahmen des FAQs zum Thema

Was mag es so schwer gemacht haben, einen Fragebogen zu beantworten? Darüber lässt sich nur spekulieren. Sehr wohl konstatieren kann man aber, dass es einem zukünftigen Halter schon möglich sein sollte, Fragen innerhalb von rund einem Monat zu beantworten. Fragebögen sind nicht ungewöhnlich. Jemand, der seine Tiere abgibt, will natürlich auch, dass sie es gut haben. Gerade beim WAMS ist das fragwürdig wegen deren Reputation unter Experten. Das WAMS hätte hier aktiv etwas tun können, die Reputation zu verbessern.

Der zweite Akt

Guinea-Pavian im Gambia | Foto: Ben Costamagna, Lizenz: CC BY 4.0

Für den Tiergarten Nürnberg musste es also so aussehen, als sei das Interesse vom WAMS an der Übernahme der Paviane versiegt. Wäre es anders, hätte man ja einfach auf den Fragebogen antworten können. Die Antwort kam nie. Allerdings kam bald etwas anderes:

„Am 17. Mai 2025 erhielt der Tiergarten eine erneute Anfrage zur Aufnahme der Paviane von Dr. Goldner „namens und im Auftrag“ des WAMS. Auf die Antwort des Tiergarten hin wurde um „erneute Übersendung“ des Fragebogens gebeten, dieser Bitte kamen wir nach. Die Frist, diesen bis zum 31. Mai 2025 vollständig ausgefüllt an den Tiergarten zurückzusenden, ließ das GAP unkommentiert verstreichen. Weder GAP noch WAMS haben seither wieder Kontakt mit dem Tiergarten aufgenommen.“ – Tiergarten Nürnberg im Rahmen des FAQs zum Thema

Das ist schon bemerkenswert. Einmal kann man so einen Fragebogen übersehen oder vergessen, aber ein zweites Mal? Wenn man doch wirklich Interesse an den Tieren hätte, dann müsste man es doch fertig bringen, Fragen zu beantworten. Wenn man das aber nicht fertig bringt, könnte man sich auch selbst durchaus fragen, ob man der Richtige für den Job ist.

Dritter Versuch

Guinea-Pavian im Tiergarten Nürnberg | Foto: Rufus46, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Der Tiergarten Nürnberg hätte es nun einfach auf sich beruhen lassen können. Gleichzeitig aber begann schon eine Medien-Kampagne zu laufen. Immer wieder wurden auch das WAMS und das Great Ape Project genannt. Sie wäre angeblich bereit, die Tiere aufzunehmen. In die gleiche Kerbe stieß auch Robert Marc Lehmann – nicht zuletzt im aktuellen Video. Der Tiergarten Nürnberg hatte aber die Kommunikation mit WAMS und GAP transparent gemacht. Darüber berichtete auch zoos.media.

„Im Juli 2025 hat der Tiergarten Nürnberg […] den Direktor des WAMS, Graham Garen, nochmals direkt kontaktiert. Auf dieses persönliche Schreiben hat Graham Garen geantwortet, aber keine Angaben gemacht, ob oder wie viele Tiere das WAMS aufnehmen könnte oder wollte. Der Fragebogen ist bis heute unbeantwortet.“ – Tiergarten Nürnberg im Rahmen des FAQs zum Thema

Angebote den Transport zu übernehmen, beantwortete der Tiergarten Nürnberg auch: „Aktuell besteht keine Übernahmemöglichkeit für Guinea-Paviane aus dem Tiergarten – selbst wenn engagierte Influencer anbieten, den Transport zu übernehmen.“ Die Fakten liegen also auf dem Tisch. Das WAMS hatte die Chance, sie aber nicht genutzt. Man kann wohl nachvollziehbarerer Weise keiner Tierhaltung einfach so Guinea-Paviane überantworten, wenn diese es nicht mal fertig bringt, einen Fragebogen zurück zu schicken und das mehr als ein Jahr lang.

Berichterstattung jenseits der Fakten

Das WAMS hat also selbst dafür gesorgt, dass es die seitens der Mission Erde Community immer wieder beschworene Alternative nicht gibt. Es ist sehr deutlich, dass der Tiergarten Nürnberg alles versucht hat. Das WAMS hatte jede Chance. Keine wurde genutzt. Allerdings wäre ein Transport wohl selbst auch fraglich gewesen, wenn es eine Beantwortung des Fragebogens gegeben hätte. Warum? Das Wales Ape and Monkey Sanctuary züchtet nicht.

„Zwingende Voraussetzung ist für uns zum Beispiel, dass die Tiere in einem funktionierenden Sozialverband gehalten werden. Das Säugetiergutachten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat aus dem Jahr 2014 hat dies explizit als Voraussetzung einer guten Primatenhaltung erklärt: „[Es] gilt generell: Bei der Auswahl von Tieren, die im gleichen Gehege leben sollen, kommt es nicht nur auf die Anzahl artgleicher Tiere an, sondern vor allem darauf, dass diese eine sozial intakte Gruppe bilden. Gute und ausgewogene Sozialbeziehungen sind die Basis für jede Primatenhaltung.““ – Tiergarten Nürnberg im Rahmen des FAQs zum Thema

Auf der eigenen Webseite vertritt das WAMS die Meinung, dass ein „wahres Sanctuary“ kein Zuchtprogramm habe. Dadurch wird es nichts mit einem artgemäßen Sozialverband bei den Guinea-Pavianen. Allerdings zu dieser Erwägung konnte es nicht kommen. Dazu der Tiergarten Nürmberg: „[O]hne grundlegende Informationen wie zum Beispiel die Größe und Ausstattung der Innen- und Außengehege, die maximale Gruppengröße, welche übernommen werden könnte sowie die Sachkundenachweise und Haltungsgenehmigung der Einrichtung kann das EEP keine Entscheidung über die potentielle Abgabe der Tiere treffen.“

WAMS zeigt sich auch sonst nicht sonderlich seriös

Die schlechte Reputation vom WAMS wurde bereits erwähnt. Das EEP beklagt nicht erst seit einem Jahr eine mangelhafte Informationslage zur Haltung der Tiere dort. Alison Cronin, Leiterin von Monkey World in Großbritannien erklärte: „Im WAMS werden die Tiere von Volunteers (Freiwilligen) betreut, die sich oftmals nach ihrem Praktikum an Monkey World gewendet haben, mit der Bitte die Missstände im WAMS aufzudecken und zu beenden.“ Das klingt nicht nach einer guten Tierhaltung.

WAMS: Sanctuary der Stock-Fotos?

Wales Ape and Monkey Sanctuary: Dünnhäutig bei Kritik

So ergibt sich nicht wirklich ein gutes Bild vom Wales Ape and Monkey Sanctuary. Trotz all dem gab der Tiergarten dem WAMS eine faire Chance. Dafür, dass sie dreimal nicht genutzt wurde, kann der Tiergarten Nürnberg nichts. Trotzdem versucht man ihm nun die Schuld daran zu geben. Das scheitert aber eben an den Fakten.

Was wäre, wenn …

Schädel eines Guinea-Pavians im Senegal | Foto: eamonccorbett, Lizenz: CC BY 4.0

„Niemand hätte sterben müssen. Niemand muss sterben“, behauptet Robert Marc Lehmann auf Instagram. Stimmt das? Eine Abgabe von Tieren an das WAMS hätte die Problematik aufschieben können, aber eben auch nicht aufheben. Die Problemstellung bei den Guinea-Pavianen ist recht kompliziert. Ebenso sieht es bei Problematik überzähliger Tiere aus. Auch das WAMS hat keine unendlich großen Kapazitäten. So stünde man selbst dann bald wieder vor der gleichen Problematik.

Warum ist das so? Der Tiergarten Nürnberg hat intensiv bei anderen Arten effektive Methoden zur Verminderung der Reproduktionsrate bei den Guinea-Pavianen erprobt. Die „Pille“ bedroht die Gesundheit der Weibchen, kann sie sogar permanent unfähig machen, sich fortzupflanzen. Das ist nicht im Sinne von Erhaltungszucht, die auf genetische Diversität angewiesen ist. Kastration der Männchen wiederum vermindert die Fortpflanzungsrate nicht. Ein Männchen reicht nämlich, um alle Weibchen zu schwängern. Am Ende wir die Zahl der Babys nicht verringert, die genetische Diversität aber würde leiden.

Es ist also aktuell egal wie viel Platz die Tiere haben, wie viele Haltungen es geben würde: Man kommt irgendwann immer an den Punkt, an dem man Tiere töten müsste. Da hilft auch eine Auswilderung nicht. Man kann auch natürliche Schutzräume wie Nationalparks nicht vollstopfen. Gibt es zu viele einer Art in einem Nationalpark wird auch geschossen. Wer sich also dafür entscheidet, diese Art vor dem Aussterben zu bewahren, wird ums Schießen aktuell nicht herumkommen.

Was bleibt?

Vom Video bleibt am Ende vor allem ein Theaterspiel, das wirkt wie die eigene Parodie. Zum Beispiel dieses Undercover-Getue kennt man vom Kanal. Man sah es schon im Rahmen der Bali-Missionen. Bei einer kritischen Prüfung bliebt nicht mehr viel davon übrig:

Robert Marc Lehmann: Theater um Zierfisch-Handel

Schaut man sich die Fakten an, bleibt auch von der Argumentation gegen den Tiergarten Nürnberg im Fall der Paviane nicht viel übrig. Für die Tierrechtsorganisationen und ihnen zugetane Personen des öffentlichen Lebens, die immer wieder behaupten, es gäbe ja Alternativen zur Tötung, ist es nicht ungewöhnlich, den vollmundigen Ankündigungen keine echten Taten folgen lassen zu können. Das war schon bei überzähligen Elefanten in Afrika so.

Wo bleibt der (Gegen-)Beweis?

Junger Pavian im Tiergarten Nürnberg | Foto: SimonWaldherr, Lizenz: CC BY-SA 4.0

In Videos reden kann man viel. Man muss es aber eben auch tun. Zudem könnte die Tierrechtsindustrie längst den Beweis angetreten haben, dass es anders ginge. Das WAMS hat – laut Zootierliste – schon Guinea-Paviane aus dem Parque Biológico da Serra de Silves übernommen. Ein besseres Konzept zu ihrem Schutz konnte die Tierrechtindustrie samt Kollaborateuren, mit denen WAMS verbunden ist, mit den Tieren bisher nicht anbieten.

Einzig Zoos, wie der Tiergarten Nürnberg, arbeiten an der Anwendung des One Plan Approach zur Rettung der Art. Dem WAMS scheint es wichtiger nicht zu züchten, als sich in die Rettung der Art durch Erhaltungszucht einzubringen. Zoologische Gärten sind hier einmal mehr Teil der Lösung und nicht des Problems. Das kann man aber natürlich nicht zugeben, wenn man Anti-Zoo-Merch verkaufen will. Über den dazugehörigen Shop hatten wir bereits berichtet.

Bekanntlich ist jeder eingeladen, den Beweis anzutreten, es wirklich besser zu machen als der Tiergarten Nürnberg. Großen Worten es angeblich besser zu können, folgen aber keine Taten. Irgendwo in den Medien behaupten, es besser zu können, kann jeder. Man müsste es aber eben mal tun. Es gibt aber offenbar schlicht keine realen, besseren Konzepte als das vom Tiergarten Nürnberg. Auch das WAMS konnte bisher genauso wenig bessere Konzepte liefern wie hinreichende Antworten auf Fragen seitens des Tiergartens.

Ändert das was?

Natürlich kann das Video vom „Robert Marc Lehmann – Mission Erde“-Kanal auch gar nichts ändern. Der Tiergarten Nürnberg hatte es inhaltlich widerlegt, bevor es veröffentlicht wurde. Der bekommt also nicht mal ein Problem dadurch. Problematisch wird das Video nur für solche, die den Inhalten des Kanals einfach vertrauen. Die laufen ins offene Messer. Sie machen sich dadurch ziemlich lächerlich in Diskussionen zum Thema.

Auch für Medien könnte das Video zum Problem werden. Nehmen sie das Video für bare Münze, machen sie sich vor den Rezipienten lächerlich. Man kann solche Inhalte dann nämlich in Sekunden widerlegen. Das geht dann nicht so gut aus für die Medien. So werden sie aber zumindest einmal mehr lernen, dass der Kanal eben nicht wirklich verlässlich ist. Daher würde sich vielleicht nicht unbedingt in der intendierten Richtung was ändern können, sehr wohl aber vielleicht in einer anderen, tatsächlich besseren. Allerdings hatten das viele Medien auch schon vor diesem Video verstanden.

So wirkt das Video am Ende seltsam. Es ist nicht bedrohlich, weil es schon vor seiner Veröffentlichung inhaltlich widerlegt war. Das Machwerk setzt am Ende sehr darauf, dass seine Rezipienten sich schlecht informiert haben. Das WAMS hat die Chance bekommen, sich um die Tiere zu bemühen. Dreimal hat das „Sanctuary“ diese Chance nicht genutzt. Das war eben dann das Ende der Geschichte. Im Prinzip hatte das auch jeder mitbekommen, der sich wirklich dafür interessierte.

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