Junger Pavian im Tiergarten Nürnberg | Foto: SimonWaldherr, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Nürnberger Paviane entblößen Abstieg von GEO

Exklusiv für zoos.media – 25.07.2025. Autor: Philipp J. Kroiß

Einmal mehr zeigt GEO, dass es dort inzwischen mehr ums Bauchpinseln von Tierrechtlern geht als um ordentliche Berichterstattung. Der aktuelle Artikel zu den Guinea-Pavianen in Nürnberg zeigt das einmal mehr.

Guinea-Pavian im Tiergarten Nürnberg | Foto: Rufus46, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Nürnberger Paviane entblößen Abstieg von GEO

Gruner + Jahr gehört jetzt RTL. Da ist es kein Wunder, dass es mit GEO begab geht. Wenn es um kritische Zoo-Themen geht, zeigt sich die RTL-Gruppe, an der Bertelsmann die Mehrheit hält, schlicht inkompetent. Dazu gab es schon mehrere Beispiele auch hier auf zoos.media leider. Zwei davon sind folgend aufgeführt.

RTL berichtet von „Schutzbucht in Island“, die nicht existiert

Orca-Baby im Loro Parque: RTL lügt wieder mal

Genauso fiel GEO bereits durch schlechten Journalismus auf. Auch in diesem Fall waren die „Argumente“ super leicht zu widerlegen.

geo.de: Pseudo-Journalismus für Tierrechtler?

Sagen das nur Zoos?

Aga-Kröte im Serpentarium Blankenberge | Foto: Vassil, Lizenz: CC0 1.0

Damit man mit so einem völlig defizitären Artikel irgendwie durchkommt, muss man erstmal die Prämissen falsch darstellen: „Muss man Tiere einer bestimmten Spezies töten, damit die Spezies überlebt? Ja, sagen Zoos.“ Was GEO verschweigt: Das sagen nicht nur Zoologische Gärten. Jeder Artenschützer, der zum Beispiel Arten retten will, die von Invasivarten bedroht werden, weiß: Damit bestimmte Arten überleben können, muss man Tiere töten.

Konkretes Beispiel: So macht man in Australien Jagd auf die Aga-Kröte. Warum? Ein Jahr nachdem diese Invasivart zum Beispiel am Daly River ankam, wurde der Bestandsrückgang der Mertens-Wasserwarane dort auf bis zu 92% geschätzt (Doody et al., 2007). Allein diese Auswirkung auf nur diese eine Art vor Ort zeigt: Die Kröten müssen weg. Also engagieren sich Artenschützer genau dafür.

Solche Entscheidungen im Artenschutz sind wenig populär. Die Medien greifen sie selten auf. Oft regiert die Disneyfizierung der Natur. Artenschützer müssen aber auch Tiere töten, wenn es zu viel von ihnen in geschützten Bereichen gibt. Zu viele Elefanten in einem Nationalpark etwa gefährden den Fortbestand des Parks als funktionierenden Schutzraum. So müssen auch sie erschossen werden, wenn es keine andere Lösung gibt. Die gibt es immer öfter nicht. Dass manchmal Tiere sterben müssen, damit Arten überleben, ist Grundwissen im Bereich Artenschutz.

Falsches Framing

Junger Guinea-Pavian im Tiergarten Nürnberg: Zucht in Zoos ist der Schlüssel zum Überleben der Art in der Natur. | Foto: Matthias, Lizenz: CC BY 3.0 DEED

Es ist also keine Einzelmeinung von Zoos, wie der Autor Peter Carstens, GEO-Redakteur Klima & Erde, es trotzdem darstellt. So falsch wirkt es natürlich gleich glaubwürdiger für den unbedarften Leser, wenn dann erklärt wird: „In Nürnberg zum Beispiel will der Direktor einige seiner Guinea-Paviane töten lassen. Als Grund führt er den Artenschutz an.“ Hätten Leser jetzt gewusst, dass nicht nur Zoos auf die vorher erwähnte Frage mit „Ja“ antworten, wären diese beiden Sätze gleich anders angekommen.

So wird die Pavian-Frage letztendlich oberflächlich dargestellt. Es gibt aber noch den generös wirkenden Hinweis in Klammern, die Argumentation der Zoos könne man in einem anderen Artikel lesen. Der befindet sich dann hinter einer Bezahlschranke. Hier wäre aber jeder Cent verschwendet. Das zeigt schon das Machwerk von Carstens sehr deutlich. Eine Redaktion, die so eine Veröffentlichung durchwinkt, wird wohl auch Probleme haben, an anderen Orten bezahlenswerte Inhalte bereitzustellen.

„Doch die Zoo-Logik stoppt nicht das weltweite Artensterben“, schreibt Carstens danach. Natürlich geschieht das ohne Beleg. Warum? Man kann diese Aussage nicht durch Fakten belegen. Natürlich stoppen Zoologische Gärten auf der ganzen Welt Aussterben. Dazu zeigen beispielhaft über 170 Art auf dieser Liste. Anschließend wird behauptet, die Tötung ereigne sich aus Platzmangel. Das ist so unterkomplex, dass es das ganze Thema im Prinzip falsch darstellt. Für den Artikel ist genau das aber wichtig. Es wirkt fast so, als sollte der Lese manipuliert werden.

Tötung aus Platzmangel?

Was ist die echte Situation im Tiergarten Nürnberg? Bei den Guinea-Pavianen funktionieren die klassischen Methoden zur Nachwuchsbegrenzung nicht. Die Pille hat zu starke Nebenwirkungen für die Weibchen und die Männchen könnte man nur irreversibel kastrieren. Ein zeugungsfähiges Männchen reicht dann aber trotzdem, um alle Weibchen zu begatten. Das bringt also auch nichts. Nach Geschlechtern trennen geht auch nicht wegen dem Sozialverhalten der Paviane. Daher kann man gar nicht anders als Fortpflanzung zuzulassen. Das erklärt der Tiergarten ausführlich auf seiner FAQ-Seite zum Thema.

Das eigentliche Problem ist also nicht der Platzmangel. Man kann quasi so große oder so viele Gehege bauen wie man will, man wird immer wieder auf das Problem stoßen. Die Problematik ist viel grundsätzlicher. Will man diese Art erhalten, wird man irgendwann das tun müssen, was in der Natur Raubtiere übernehmen: Tiere töten. Das ist nicht schwer zu verstehen.

Trotzdem fragt Carstens scheinbar rhetorisch: „Doch was, wenn, wie in Nürnberg, das Gehege einfach nur zu klein geworden ist?“ Darum geht es in der Frage gar nicht. Es ist hier tatsächlich eine Suggestiv-Frage. Sie hat gar nicht die Absicht von Erkenntnis. Sie will emotionalisieren. Der Leser soll das Gefühl bekommen, der Tiergarten Nürnberg habe was „vermasselt“. Wenn natürlich ein Artikel, wie der von GEO, Fakten einfach auslässt, kann dieser den Leser in diese Richtung fehlinformieren. Mit der Realität hat das aber nichts zu tun.

Tiger in Magdeburg & Giraffe in Kopenhagen

Giraffen im Zoo Magdeburg | Foto: Torsten Maue, Lizenz: CC BY 2.0

Vermutlich um der Argumentation einen juristischen Anstrich zu geben, argumentiert man mit einem Urteil zu im Jahr 2008 getöteten Tigern im Zoo Magdeburg. In der Sache hatte das Oberlandesgericht Naumburg befunden, dass der Umstand, dass Tigerbabys nicht unterartenrein sind, nicht als „vernünftiger Grund“ zur Tötung gemäß dem Tierschutzgesetz zu betrachten wäre. Inwiefern diese Einschätzung richtig ist, steht aber im Fall der Guinea-Paviane gar nicht zur Diskussion. Der Fall in Nürnberg ist grundlegend anders. 

Man umschifft in der GEO-Veröffentlichung geschickt, zu erklären, inwiefern es hier eine echte Vergleichbarkeit gibt. Das liegt vermutlich daran, weil eine Vergleichbarkeit schlicht nicht existiert. Es geht in der Frage der Guinea-Paviane nämlich darum, ob man die Art generell in Deutschland umfassend erhalten kann. Das war in Magdeburg nie die Frage. Unterart-Hybriden sind durchaus in Zoos und Circussen für den Artenschutz im Einsatz – als Botschafter für Tiger generell. Die Existenz dieser Hybriden steht dem Schutz von Tigern nicht direkt entgegen. Das ist eine völlig andere Ausgangssituation als in der Nürnberger Pavian-Frage.

Auch ins Feld geführt, wird die legale Tötung der Giraffe Marius. Nun liegt dieser Fall nochmal völlig anders als der der Tiger-Babys in Magdeburg und der Pavian-Gruppe in Nürnberg. Über die Tötung von Marius kann man sich aus erster Hand hier informieren. Schnell wird man merken, dass also im GEO-Artikel völlig abstrus miteinander seriös nicht vergleichbare Fälle zusammengeworfen werden. Das alles hat wohl nur einen Sinn: Man will die Zoos beim Leser schlecht machen. Ein sinnvoller Diskussionsbeitrag ist das nicht.

Offensichtliche Sympathie für Tierrechtsbewegung

Der letzte Absatz von diesem GEO-Artikel zeigt dann durchaus Sympathie für eine „Bewegung“, „die uns nahestehenden Tieren individuelle Persönlichkeitsrechte zuerkennen will. Ein Recht auf Leben, Freiheit, körperliche und geistige Unversehrtheit.“ Das ist so ein bisschen wie die Märchen-Version der Tierrechtsbewegung, auf die viele reingefallen sind. Der bekannteste Vertreter dieser „Bewegung“, die angeblich Fahrt aufgenommen habe, ist die radikale Tierrechtsorganisation PETA. Zitate der Organisation zeigen: Es geht eigentlich nicht wirklich um Tierrechte. Schon gar nicht um die, die Carstens nennt.

So verkauft GEO hier also einen Etikettenschwindel. PETA – inzwischen verantwortlich für den Tod von 51.000 Tieren in der eigenen Haltung – heuchelt quasi an vorderster Front zu den Guinea-Pavianen vom Tiergarten Nürnberg. Hier hätte kritisches Hinterfragen der Veröffentlichung von GEO gutgetan. Stattdessen macht man es sich bei GEO sehr einfach: Gute Tierrechtler, böse Zoos. Zum Schluss wird es dann noch pseudo-intellektuell: Die „Populationsmanager“ im Tiergarten folgten „jenem anthropozentrischen Denken, das Arten wie den Guinea-Pavian erst in Bedrängnis gebracht hat“. Das ist natürlich falsch.

Die Tierrechtsideologie hat keine Art je vor dem Aussterben bewahrt. Sie kann es auch gar nicht. Warum? Umfassender Artenschutz nach dem One Plan Approach (OPA) der Weltnaturschutzunion (IUCN) bedeutet Maßnahmen im natürlichen Lebensraum der Tiere und außerhalb. Dazu gehört die Erhaltungszucht. Die Tierrechtindustrie lehnt aber jeder Form der Tierhaltung ab. Das macht die Anwendung des OPAs unmöglich. Dadurch war es das dann auch mit umfassendem Artenschutz. Das verschweigt man natürlich bei GEO.

Grüner Journalismus?

Schädel eines Guinea-Pavians im Senegal | Foto: eamonccorbett, Lizenz: CC BY 4.0

2022 hatte GEO schon einen tierrechtsfreundlichen Artikel hervorgebracht. Autor war ebenfalls Peter Carstens, der bei GEO „über Tierrechte“ schreibe. Eine These des Artikels von zoos.media zu dieser fragwürdigen Veröffentlichung war damals, dass GEO „Feelgood-Content für Naturentfremdete“ erstelle. Die neue Veröffentlichung zu den Nürnberger Pavianen bestätigt diese Einschätzung. Der GEO-Leser kann – fehlinformiert wie er in dieser Frage nach der Lektüre des Artikels ist – sich nun gut damit fühlen, Zoos schlecht zu finden.

Blöd wird es für die GEO-Gläubigen dann nur in der realen Welt. Jenseits der Blase verstehen Menschen nämlich sehr wohl, wie Artenschutz funktioniert. Nicht in Bezug auf die Tierrechtsindustrie würdigt die Weltnaturschutzunion einen wichtigen Beitrag, sondern in Bezug auf die Zoos und Aquarien. Es sind die Zoologischen Gärten, die Arten retten, nicht die Tierrechtler. So ist das in der echten Welt. Da kann sich GEO noch so viel Mühe geben, das zu leugnen.

Ein kleiner, vielleicht durchaus unterhaltsamer Fakt am Rande ist, dass Peter Carstens in die Gruppe der „Beirat + Partner“ von „Grüner Journalismus“ gezählt wird. Laut dem Deutschen Fachjournalisten-Verband, der eine Aktiengesellschaft ist, soll dieses Medienportal helfen, „komplexe grüne Themen auch unter schwieriger werdenden Bedingungen zu recherchieren“. So ist es durchaus bemerkenswert, dass es gerade in diesem Artikel nicht wirklich gelungen ist. Hier könnten sich der Autor und weitere zuständige bei GEO mal hinterfragen.

Chance vertan

Ein Paar Persische bzw. Asiatische Löwen im Tiergarten Nürnberg | Foto: Rufus46, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Eigentlich wäre das Thema der Nürnberger Paviane für GEO und RTL dankbar gewesen. Man hätte sich profilieren können und zeigen, was man kann. Die Grundfrage ist durchaus spannend: Darf man einzelne Tiere töten, damit eine ganze Art überlebt? Haustierhalter zum Beispiel empfinden es als völlig normal, dass andere Tiere sterben, damit ihr Hund oder ihre Katze überlebt. Da geht es noch nicht mal um die Rettung einer ganzen Art, sondern nur um ein Tier. Diskutiert wird es nicht wirklich. Auch bei anderen zu Hause gehaltenen Tieren nicht.

Gleichwohl ist es gesellschaftlich anerkannt, dass Tiere sterben, damit Arten überleben. Erhaltungszuchtprojekte für zum Beispiel Asiatische Löwen wären sonst unmöglich. Die leben nämlich vom Fleisch toter Tiere. Lebendverfütterung von Wirbeltieren ist aus guten Gründen verboten. Auch für das Überleben der Asiatischen Löwen sterben andere Tiere. Das weiß auch jeder und das wird auch akzeptiert. Es wird schlicht als richtig angesehen.

So kommt man dann zu einem sehr interessanten Spannungsfeld in Bezug auf die Pavianen. Es ergibt sich nämlich eine gewisse Bigotterie in der Diskussion darum. Diese journalistisch abzuklopfen, wäre spannend gewesen. Die Chance hat man bei GEO vertan. Stattdessen gibt es Bauchpinseln für die tierrechtsgeneigte Leserschaft, die mit „Argumenten“ versorgt wird. Die sind aber so seicht, dass sie in einer fachlich fundierten Diskussion nicht mal so lange überleben, wie es dauert den GEO-Artikel zu lesen.

Was verschwiegen wird

In der Lobhudelei der Tierrechtsbewegung durch GEO geht etwas Entscheidendes unter. Eine echte Lösung hat die angeblich ach so erstarkte Tierrechtsbewegung gar nicht. Der Vorschlag, die Tiere in ein „Sanctuary“ bringen zu wollen, ist nichts als ein wertloses Feigenblatt. Seit über einem Jahr versucht der Tiergarten diesbezüglich schon hinreichende Infos zu bekommen. Ein zugesendeter Fragebogen sei bis heute unbeantwortet, so der Tiergarten.

Paviane in Nürnberg: Konkretes Angebot vom Great Ape Project?

Die Unfähigkeit bezieht sich nicht nur auf die Frage zu überzähligen Tieren in Zoos. Sie wurde auch in Bezug auf Nationalparks offenbar. Lange behaupteten Tierrechtler, eine bessere Lösung für überzählige Elefanten zu haben. Als die Behauptung auf die Probe gestellt werden sollte, war es plötzlich ruhig. Also mussten die Tiere doch erschossen werden. Die angeblich bessere Lösung der Tierrechtsindustrie und ihrer Kollaborateure gab es gar nicht. Sie scheiterten auf ganzer Linie.

Elefanten erschossen, weil Tierrechtler sie nicht wollten

Tragfähige Alternativkonzepte hat die Tierrechtsbewegung also gar nicht. Sie scheitert jedes Mal. Neunmalkluges Gerede beim Pappenschwingen ist leicht. Das kann jeder. Dazu braucht es nichts. Liefern zu können, wenn es drauf ankommt, ist aber wichtig. Hier scheitert die Tierrechtsindustrie. Moderne Zoos und Aquarien derweil liefern. Sie retten Arten. Durch sie wird der One Plan Approach tatsächlich Realität. Das kommt bei GEO nicht vor. Es passt wohl einfach nicht in den Kram. Warum passen GEO anscheinend Fakten nicht in den Kram? Letztendlich ist das die eigentliche Frage.

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